Generationengerechtigkeit - Das Recht auf Zukunft

19.07.2021

Unsere Lebensweise heute beeinflusst die Lebensbedingungen von morgen. Wer heute jung ist, ist davon besonders betroffen

Besonders die "Fridays for Future"-Bewegung hat in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag dafür geleistet, dass in der Politik und in den Medien mehr über die Bedürfnisse junger Menschen gesprochen wird. Die heutige Klimapolitik sei nicht ausreichend – die Politik setze damit die Zukunft der jüngeren Menschen aufs Spiel, so die zentrale Aussage der Bewegung.

In Diskussionen über Umwelt- und Klimaschutzpolitik spielt der Blick auf die Zukunft schon seit langem eine wichtige Rolle. Die Vereinten Nationen zum Beispiel haben Anfang der 1990er-Jahre vereinbart, dass sie eine nachhaltige Entwicklung anstreben. Nachhaltig ist eine Entwicklung, "die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen." Und im deutschen Grundgesetz wurde 1994 der Artikel 20a eingefügt. Demnach muss der Staat auch in Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen schützen.

In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff "Generationengerechtigkeit". Damit ist gemeint, dass beim heutigen Handeln auch die Folgen für die Zukunft mitbedacht werden. Dadurch soll zukünftigen Generationen eine Welt hinterlassen werden, in der sie gut leben können.

Gesetz musste nachgebessert werden

Bundesverfassungsgericht stärkt Klimaschutz

Das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 ist teilweise mit den Grundrechten unvereinbar und somit verfassungswidrig, verkündete das Bundesverfassungsgericht im April 2021. Das Gesetz würde jüngeren Menschen große Lasten im Kampf gegen den Klimawandel aufbürden, indem die Anstrengungen bei der Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes auf die Zeit nach 2030 verschoben werden würden. Das würde bedeuten, dass die Jüngeren von drastischen Einschränkungen bedroht und in ihren Freiheitsrechten verletzt wären, so das Gericht. Daraus kann abgeleitet werden, dass die heutige Politik auch die Rechte künftiger Generationen beachten muss. Das Gesetz wurde daraufhin rasch nachgebessert, die Klimaschutzziele verschärft. So wurde das Ziel der Klimaneutralität um fünf Jahre auf 2045 vorgezogen. Auch das Zwischenziel für 2030 wurde erhöht: Der Treibhausgasausstoß soll um 65 Prozent gegenüber 1990 verringert werden, statt wie bisher um 55 Prozent.

Das Prinzip Nachhaltigkeit

Die Folgen unseres Handelns

Es ist nicht leicht, die langfristigen Folgen unseres Handelns abzuschätzen und heute so zu handeln, dass schädliche Folgen in der Zukunft vermieden werden. Gerade in der Umweltpolitik gibt es viele Beispiele dafür, dass schädliche Auswirkungen unseres Handelns erst später erkannt wurden. Auch wenn Schäden sichtbar werden, kann es lange dauern, bis wirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für komplexe und die gesamte Menschheit betreffende Probleme.


Der Klimawandel ist dafür das herausragende Beispiel. Seit Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert ist die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre stark angestiegen, weil die Menschen enorme Mengen kohlenstoffhaltiger Energieträger wie Kohle und Erdöl verbrannt haben. 1895 wurde erkannt, dass der Mensch auf diese Weise das Klima beeinflusst. Erst im Jahr 2015 wurde das sogenannte Pariser Abkommen verabschiedet, das erstmals alle Staaten dazu verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz des Klimas zu ergreifen.

Die Einsicht, dass wir langfristige Folgen unseres Handelns berücksichtigen müssen, ist jedoch schon sehr alt. Heute wird häufig der Begriff der Nachhaltigkeit verwendet. Er wurde schon vor 300 Jahren zum ersten Mal benutzt. Damals erkannten Forstleute: Wer den Wald erhalten will, darf nur so viel Holz schlagen, wie nachwächst.

Nachhaltigkeit ist weltweit zu einem wichtigen Grundsatz der Politik geworden. Im Jahr 1992 haben die Vereinten Nationen das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung verabschiedet. In Deutschland wurde im Jahr 1994 ein neues Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen. Dort heißt es seitdem in Artikel 20a: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen." Und im Jahr 2002 beschloss die damalige Bundesregierung erstmals eine Nachhaltigkeitsstrategie.

Definition

Was bedeutet "nachhaltig"?

Als nachhaltig gilt, was auf Dauer ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich tragfähig ist. Die Grenzen dafür, was in diesem Sinne verträglich ist, sind durch unsere Umwelt vorgegeben. Denn die natürlichen Ressourcen und die Aufnahmekapazität der Erde für Schadstoffe sind begrenzt.

Politik

Wie kommt es zu nicht nachhaltigen Entscheidungen?

Auch in der Politik kommt es zu Entscheidungen, die kritisiert werden, weil sie nicht nachhaltig seien. Ein Grund dafür ist die Ungewissheit darüber, was in Zukunft tatsächlich passiert. Zwar gibt es häufig gute wissenschaftliche Grundlagen, um zukünftige Auswirkungen auf die Umwelt einzuschätzen. Doch es kann keine absolute Sicherheit geben. Darüber hinaus werden wissenschaftliche Erkenntnisse manchmal unterschiedlich ausgelegt.

Einen weiteren Grund sehen Kritiker/-innen darin, dass es für den Menschen oft einfacher sein kann, die aktuelle Situation zu sehen, nicht die spätere Zukunft miteinzubeziehen, und so Belastungen auf später zu verschieben.

Zudem gibt es Kritik an den Altersstrukturen in der Politik. Sie wird zum Beispiel von den Jugendverbänden oder Fridays for Future geäußert, aber auch von anderen. Kritisiert wird, dass Entscheidungen in der Regel von älteren Menschen getroffen werden. Zum Beispiel lag das Durchschnittsalter der Abgeordneten im Bundestag im Jahr 2017 bei 49,4 Jahren. Auch in der Wirtschaft treffen Ältere die wichtigsten Entscheidungen. Die Vorstandsmitglieder großer deutscher Konzerne sind typischerweise zwischen 46 und 65 Jahre alt.

Hinter der Kritik steht die Annahme, dass auf diese Weise die Bedürfnisse jüngerer Menschen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Ältere Entscheidungsträger/-innen würden die Perspektive jüngerer Menschen nicht ausreichend einbeziehen.

Klimaschutz

Warum Jüngere und Ältere unterschiedlich betroffen sind

Das Beispiel des Klimaschutzes macht deutlich, warum langfristige Orientierung wichtig ist. Es zeigt gleichzeitig, wie es zu Interessenkonflikten zwischen jüngeren und älteren Menschen kommen kann:

Grundsätzlich ist klar, dass etwas für den Klimaschutz getan werden muss: Das Abkommen von Paris sieht vor, dass die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen bestimmte Mengen überschreitet, werden in Deutschland und weltweit die Klimaschutzziele verfehlt.

Die durch die Menschen seit der Industrialisierung verursachten Treibhausgase in der Luft haben nicht sofort das Klima in merklicher Weise verändert. Die spürbaren Folgen treten erst mit der Zeit auf und verstärken sich mit der stetigen Zunahme der Konzentrationen in der Atmosphäre.

Dagegen sind Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen, die heute ergriffen werden, sofort spürbar. Sie haben unmittelbare Folgen für unsere aktuelle Lebensweise und die Wirtschaft.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Was kennzeichnet verschiedene Generationen?

Um die Diskussion über Generationengerechtigkeit zu verstehen, muss man die heutige Altersstruktur in Deutschland kennen. Oft ist vom "demografischen Wandel" die Rede, von einer alternden Gesellschaft, manchmal sogar von "Überalterung". Die Ursache: der Anteil der jüngeren Altersgruppen nimmt seit Jahrzehnten ab, während der Anteil älterer Menschen stetig zunimmt. Heute ist rund die Hälfte der Menschen in Deutschland über 45 Jahre alt. 18,4 Prozent sind unter 18 Jahre alt, dagegen sind 28,5 Prozent über 60 (Stand 2019).

Menschen setzen sich in verschiedenen Lebensabschnitten mit verschiedenen Aufgaben auseinander, darum sind ihre Interessen unterschiedlich. So müssen zum Beispiel Jugendliche selbstständig werden, die Schule abschließen und einen Beruf finden. Junge Eltern sorgen für ihre Kinder und versuchen oft gleichzeitig, beruflich voranzukommen. Ältere beginnen, sich auf die Zeit nach dem Arbeitsleben vorzubereiten. Mit den unterschiedlichen Lebensphasen gehen oft unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten und Lebensstile einher.

Studien und Wahlergebnisse zeigen außerdem, dass unterschiedliche Generationen oftmals unterschiedliche Sichtweisen haben. Doch bei grundlegenden Fragen haben sie häufig gemeinsame Interessen. So findet über alle Altersgruppen hinweg eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig. Allerdings finden die Jüngeren diese Themen noch deutlich wichtiger als Ältere. 74 Prozent der 14- bis 22-Jährigen gaben an, dass Umwelt- und Klimaschutz "sehr wichtig" seien – bei den über 23-Jährigen waren es 64 Prozent.

Definition

Was bedeutet "Generation"?

Eine Generation ist in der Regel eine Gruppe von Menschen, die im selben Jahr beziehungsweise in einem bestimmten Zeitraum geboren sind. Es können aber auch Menschen unterschiedlichen Alters gemeint sein, die im selben Zeitraum leben und daher dieselben Ereignisse erleben, ähnliche Erfahrungen machen und entsprechend geprägt sind. Bekannte Bezeichnungen sind zum Beispiel die "Nachkriegsgeneration", "die 68er", "die Wendegeneration", "Generation X" oder "Digital Natives". Oft wird der Begriff auch verwendet, um heute lebende Altersgruppen voneinander abzugrenzen – zum Beispiel Jugendliche, Erwachsene und Senioren.

Lösungsansätze

Das Miteinander gestalten

Die verschiedenen Generationen brauchen einander und profitieren voneinander. Doch wie kann das Miteinander der Generationen gestaltet werden? Hierüber gibt es zahlreiche Diskussionen. Zudem gibt es Initiativen auf verschiedenen Ebenen, um Kinder und Jugendliche stärker zu beteiligen.

Jugendliche haben ein Recht auf Beteiligung

Auch wenn Menschen auf Bundesebene erst ab 18 Jahren wählen dürfen, so gilt der Grundsatz, dass Kinder und Jugendliche ein Recht auf Beteiligung und Mitgestaltung haben. Dies ist unter anderem in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verankert, die seit 1992 auch in Deutschland gilt. Bemühungen, die Kinderrechte auch im Grundgesetz zu verankern, waren bisher jedoch nicht erfolgreich.

Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte junger Menschen

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz wird in diesem Zusammenhang vermutlich die Position der jungen Menschen stärken – auch über den Klimaschutz hinaus. Beispielweise könnten sie die "Generationengerechtigkeit" bei neuen Gesetzen einklagen.

Jugendstrategie der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat 2019 eine Jugendstrategie vorgelegt, zu deren Zielen es gehört, junge Menschen stärker in politische Prozesse einzubinden. Zu den Maßnahmen gehört unter anderem die Jugendstudie des Bundesumweltministeriums und die Beteiligung vom Jugendlichen am Maßnahmenprogramm Klimaschutz 2030.

Beispiele aus der Praxis

In Deutschland und international gibt es viele weitere Beispiele für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an demokratischen Prozessen. Dazu gehören zahlreiche kommunale Beteiligungsprojekte. Ein aktuelles Beispiel ist die "digitale Jugendbeteiligung" in Kassel. Hierbei wurden Jugendliche eingeladen, mittels der Beteiligungs-App von beWirken ihre Meinung zum "Mobilitätskonzept Vorderer Westen" abzugeben.

Rechtlich gut verankert ist zudem die Mitgestaltung in der Schule, doch in der Praxis gibt es teilweise Verbesserungspotential. Darauf zielen Initiativen, die das demokratische Handeln in Schulen stärken wollen, zum Beispiel "aula".

International gibt es weitere Beispiele dafür, dass die Verankerung der Interessen Jugendlicher im demokratischen System noch deutlich weiter gehen kann. So gibt es in Israel einen Parlamentsausschuss für "künftige Generationen". In Frankreich wurde ein "Rat für die Rechte zukünftiger Generationen" eingerichtet.

Partizipation

Was kann ich selbst tun?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, selbst im Sinne der "Generationengerechtigkeit" und für nachhaltige Entwicklung aktiv zu werden.

Dazu gehört, sich zu beteiligen und zu engagieren. Beispielsweise können Schüler/-innen in der Schule Initiativen für eine klimafreundliche Energieversorgung oder nachhaltige Schulverpflegung anstoßen.

Ebenso gehört dazu, das Wahlrecht wahrzunehmen, sobald dies möglich ist. Bei Kommunalwahlen und einigen Landtagswahlen ist Wählen ab 16 möglich, aber längst nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen geben ihre Stimme ab.

Darüber hinaus können Jugendliche und Erwachsene informell aktiv werden, zum Beispiel, indem sie Petitionen im Internet unterstützen. Dass Online-Aktivitäten viel bewirken können, hat die Fridays for Future-Bewegung eindrucksvoll gezeigt.

Viele Jugendliche engagieren sich auch in den Jugendorganisationen der Naturschutzverbände oder in anderen Initiativen vor Ort. Wer sich im Netz umschaut, wird viele Möglichkeiten finden.

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