Populismus und Umweltschutz

23.12.2024 | HERAUSFORDERUNG FÜR DIE DEMOKRATIE

Beim Thema Umwelt- und Klimaschutz kursieren populistische Aussagen und Verschwörungsmythen. Was können wir tun?

Über Umwelt- und Klimaschutz wird in der Politik und im Alltag oft kontrovers diskutiert. Es stehen sich zunehmend Gruppen gegenüber, deren Meinungen unvereinbar erscheinen.

Zum Beispiel beim Klimaschutz. Für die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist Klimaschutz sehr wichtig. Viele fordern noch stärkere Klimaschutzmaßnahmen. Doch sogenannte Klimaskeptiker*innen zweifeln daran, dass es überhaupt eine von Menschen verursachte Klimakrise gibt. Die Gruppe der Zweifelnden ist zwar klein, spielt aber dennoch immer wieder eine Rolle in der öffentlichen Diskussion.

In den Auseinandersetzungen spielen oft Aussagen eine Rolle, die als populistisch bezeichnet werden können. Populismus ist, kurz gesagt, eine politische Grundhaltung, die die herrschenden politischen und gesellschaftlichen "Eliten" ablehnt und für sich in Anspruch nimmt, den "wahren Willen des Volkes" zu vertreten.

Populismus ist ein Problem für die Umweltpolitik, denn populistische Aussagen erschweren es, demokratische Lösungen zum Umgang mit den gegenwärtigen Herausforderungen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz zu finden.

Politiker*innen, die populistische Aussagen verbreiten, halten sich oft nicht an Regeln der demokratischen Debattenkultur. Sie behaupten, dass sie allein den "Willen des Volkes" vertreten. Sie schüren Misstrauen gegenüber gewählten Regierungen und der Wissenschaft, und sie erkennen nicht an, dass ihre Gegner*innen ein Mitspracherecht haben. Dass diese ("die Eliten") "das Volk" betrügen, ist die Botschaft, die mehr oder weniger offen vermittelt wird.

TYPISCHE AUSSAGEN

POPULISMUS IN SOZIALEN MEDIEN

In den sozialen Medien finden sich Aussagen wie: Die Erderwärmung sei eine natürliche Temperaturschwankung, die Klimakrise sei eine Erfindung der "Eliten", die "auf Kosten des Volkes" eine "Ökodiktatur" errichten wollten. Typische Themen sind neben der Klimakrise zum Beispiel erneuerbare Energien, Autofahren und Fleischkonsum.

Definition

WAS GENAU IST EIGENTLICH "POPULISMUS"?

Es gibt keine allgemeingültige Definition dafür, was Populismus ist. Der Begriff ist umstritten. Politische Gegner zum Beispiel werfen sich häufig gegenseitig Populismus vor. Das Wort Populismus leitet sich vom lateinischen Wort für "Volk" ab. Vereinfacht lässt sich sagen: Menschen, die sich populistisch äußern, behaupten von sich, dass nur sie für das ganze Volk sprechen können und auch nur sie die Meinung des Volkes vertreten.

In der Wissenschaft werden in der Regel drei wesentliche Merkmale genannt (siehe nachfolgende Aufzählung). Fachleute bezeichnen sie als Narrative, in Anlehnung an das englische Wort für "Erzählung".

Diese Narrative sind nicht in jeder populistischen Behauptung offensichtlich zu erkennen. Doch sie bilden ein Ideensystem, eine Art Ideologie beziehungsweise den Kern der Gesellschaftsvorstellung, die hinter dem steckt, was als Populismus bezeichnet wird.  Konkrete populistische Aussagen lassen sich in diese Vorstellung einordnen.

MERKMAL 1: ANTI-ELITISMUS

Zu Populismus gehört es, die Gesellschaft in zwei gegnerische Gruppen zu unterteilen, in "Gut und Böse". Demnach ist die "Elite" korrupt und "böse", sie betrügt angeblich "das Volk". Oft wird dies mit Verschwörungsmythen verbunden. Die "Mächtigen" verfolgen demnach einen geheimen Plan, dem "Volk" zu schaden.

MERKMAL 2: ANTI-PLURALISMUS

In der populistischen Weltsicht gibt es einen "Willen des Volkes". Dass es große Unterschiede gibt, wird ausgeblendet. Die Vielfalt von Werten, Lebensstilen und Meinungen wird angezweifelt oder abgewertet.

MERKMAL 3: PRO-VOLKSSOUVERÄNITÄT

Populist*innen fordern, dass der angebliche "Wille des Volkes" unmittelbar umgesetzt werden muss. Das bedeutet oft, dass Parlamente und andere Einrichtungen der Demokratie abgelehnt werden.

Zahlen

WIE VERBREITET SIND POPULISTISCHE EINSTELLUNGEN?

Viele Studien zeigen, dass einen Teil der Bevölkerung skeptisch ist gegenüber Wissenschaft und demokratischen Institutionen. Der Aussage "Klimaschutz ist letztlich Ökoterrorismus gegen die Bevölkerung" stimmte ein Fünftel der Befragten "eher" oder sogar "voll und ganz" zu. Das ergab die Mitte-Studie 2023, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben wird. Ein Viertel der Bevölkerung glaubt, Politik in Deutschland würde von "geheimen Mächten" gesteuert, so das Demokratie-Monitoring der Universität Hohenheim.

Narrative

WORUM GEHT ES BEIM POPULISMUS IN DER UMWELTPOLITIK?

Das Umweltbundesamt hat den Stand der Forschung zusammenfassen lassen. Demnach ließen sich in den letzten Jahren typische Narrative beobachten. Ein Überblick:

Behauptung: "Der Klimawandel ist ein Schwindel"
In vielen populistischen Aussagen wird behauptet oder angedeutet, dass es keine Klimakrise gebe. Sogenannte Klimaskeptiker*innen leugnen sowohl Ursachen als auch Folgen der Klimaerwärmung. Die Temperatursteigungen seien "natürlich".

Teilweise wird behauptet, gebe es keinen wissenschaftlichen Konsens über die Klimakrise. Diese sei eine Erfindung der "Eliten", vor allem in Politik, Wissenschaft und Medien. Demnach seien die Bemühungen um Klimaschutz von "Hysterie" geleitet.

Es kursieren sogar Behauptungen, die "Eliten" würden gezielt das Wetter beeinflussen und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen herbeiführen oder "inszenieren".

Tatsächlich richtig ist, dass in der Wissenschaft Einigkeit herrscht: Die Ursache der gegenwärtigen Klimakrise, die globale Erderwärmung, ist menschengemacht und lässt sich nur begrenzen, in dem wir den Anteil von Treibhausgasen in der Atmosphäre begrenzen.

Behauptung: Umweltschutz geht "auf Kosten der Volkswirtschaft"
Klimapolitik und Energiewende werden oft mit der Begründung abgelehnt, dass sie den Wirtschaftsstandort Deutschland zerstören würden. Dabei geht es oft um die Autoindustrie und die Stromversorgung. Es wird die Angst vor wirtschaftlichem Niedergang und sinkenden Lebensstandards geschürt.

Behauptung: Umweltpolitik geschieht "zu Lasten des Volkes"
Klima- und Umweltschutz sei sozial ungerecht, lautet dieses Narrativ. Umweltpolitik gehe immer "auf Kosten des kleinen Mannes". Damit wird ein Risiko angesprochen, dass es tatsächlich gibt: Klima- und Umweltschutz können soziale Ungleichheiten verschärfen. Doch geht es in populistischen Erzählungen darum, dass die Politik das "gemeine Volk" generell zu stark belastet. Oft wird angedeutet, dass "die da oben" das sogar absichtlich tun.

Behauptung: Uns droht eine "Ökodiktatur"
Umweltpolitische Maßnahmen und Regulierungen werden als Eingriffe in die persönliche Freiheit bezeichnet. Oft geht es zum Beispiel um Autofahren und Fleischkonsum. Diese werden als Teil eines traditionellen Lebensstils dargestellt, der durch den Staat und Umweltaktivist*innen angegriffen werde.

Behauptung: Umweltpolitik ist "wider den gesunden Menschenverstand"
In populistischen Aussagen wird den "Eliten" vorgeworfen, dass hinter "ihrer" Umweltpolitik keine wissenschaftlichen Erkenntnisse steckten, sondern politische Gründe beziehungsweise "grüne Ideologie". Oft wird auch der Vorwurf geäußert, dass bestimmte Akteur*innen finanziell profitierten. Dem wird der "gesunde Menschenverstand" gegenübergestellt. Ein Beispiel ist populistische Kritik an der Energiewende: Statt erneuerbaren Energien sollten zum Beispiel Atomkraft und Fracking genutzt werden.

Behauptung: Umweltpolitik wird "gelenkt durch globale Kräfte"
Es wird behauptet, dass Umweltpolitik gegen die Interessen Deutschlands sei. Die internationale Klimapolitik oder umweltpolitische Vorgaben der Europäischen Union seien undemokratisch und würden durch "globale Eliten" diktiert. Diese populistische Erzählung wird oft verbunden mit antisemitischen oder rassistischen Verschwörungsmythen und knüpft an rechtsextreme Ideologien an.

Behauptung: "Unsere Kulturlandschaften sind bedroht"
Umweltpolitik bedrohe "unsere Natur und Heimat", ist der Kern dieses Narrativs. Verbreitet sind zum Beispiel die Behauptungen, dass Windkraftanlagen Tiere und die menschliche Gesundheit gefährden und dass sie die Landschaft "verschandeln". Auffällig ist hier, dass dieses Argument nicht auf Kohletagebaue angewendet wird.

Das Narrativ wird oft auch in rechtsextremen Kreisen geäußert. Dort wird teilweise ein naturverbundener und ökologischer Lebensstil befürwortet, verbunden mit nationalistischem Gedankengut. Natur und Heimat sollen demnach geschützt werden, während grenzüberschreitende Migration abgelehnt wird. Häufig wird behauptet, dass eine "Überbevölkerung" drohe.

Definition

WAS IST DER UNTERSCHIED ZWISCHEN POPULISMUS UND EXTREMISMUS?

Populismus ist nicht gleichbedeutend mit Extremismus. Doch die Abgrenzung ist nicht immer leicht. Als extremistisch gilt – kurz gesagt –, die Demokratie oder ihre grundlegenden Regeln ausdrücklich abzulehnen. Extremist*innen erkennen nicht an, dass grundlegende Rechte für alle Menschen gleichermaßen gelten. Oft, aber nicht immer, wenden sie Gewalt an. Populismus beansprucht dagegen für sich selbst, den "Willen des Volkes" zu vertreten und daher "demokratisch" zu sein. Jedoch werden andere Meinungen abgewertet und es gibt autoritäre Tendenzen.

Populismus ist nicht immer der politischen Rechten zuzuordnen, sondern findet sich auch im linken Spektrum. Bei einigen populistischen Positionen zur Umwelt- und Klimapolitik gibt es jedoch Überschneidungen mit Rechtspopulismus oder Rechtsextremismus. 

Beim Rechtspopulismus steht die nationale Identität im Mittelpunkt, extremere Einstellungen sind stark durch völkisches und nationalistisches Denken geprägt. Andere Gruppen werden ausgegrenzt.

Im Linkspopulismus stehen die Interessen benachteiligter Bevölkerungsgruppen im Mittelpunkt. Linkspopulismus fordert zum Beispiel mehr Umverteilung unter Slogans wie "Die Reichen zur Kasse bitten". Gleichzeitig trägt auch er Merkmale wie Misstrauen gegenüber "Eliten" und schürt Ängste, zum Beispiel vor Armut und Arbeitslosigkeit, vor Ausbeutung durch "Kapitalist*innen oder vor der Globalisierung.

Demokratie

WIE KÖNNEN WIR MIT POPULISMUS UMGEHEN?

Es wird viel darüber diskutiert, wie eine demokratische Gesellschaft mit Populismus umgehen kann. Dafür ist es wichtig, zu verstehen, warum populistische Aussagen Menschen ansprechen. Die Gründe sind vielschichtig, einfache Erklärungen gibt es nicht. Aber es gibt deutliche Hinweise auf einige wichtige Faktoren.

So neigen Menschen zu populistischen Positionen, wenn sie sich in der Politik nicht ausreichend vertreten fühlen. Der Grund kann sein, dass ihre Interessen tatsächlich von keiner Partei vertreten werden, sodass sie sich deswegen benachteiligt fühlen. Es kann auch sein, dass die Politik bestimmte Probleme übersieht.

Populismus wird oft auch mit Krisen in Verbindung gebracht. Demnach tendieren Menschen eher zu populistischen Einstellungen, wenn sich ihre wirtschaftliche oder soziale Situation verschlechtert.

Auch gesellschaftliche Veränderungen können populistische Einstellungen befördern. Veränderte Wertvorstellungen (zum Beispiel Gendern) und Lebensstile (zum Beispiel queere Kulturen) können ein Gefühl der "Deklassierung" auslösen.

Was folgt aus diesen Erkenntnissen – wie können wir mit Populismus umgehen? Oft wird daraus eine allgemeine Forderung abgeleitet: Die Demokratie muss attraktiv sein. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel formuliert dies in einem Essay für die Bundeszentrale für politische Bildung in etwa so:

Regierungen müssen Probleme lösen und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger erfüllen. Tun sie das nicht, schwindet das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der demokratischen Regierung und der Demokratie insgesamt. Entscheidungsträger*innen müssen die Zukunft verstehen, Probleme lösen und fair entscheiden. Der Erfolg von Populismus liegt darin, dass dies von bestimmten Gruppen in der Bevölkerung nicht so wahrgenommen wird.

Für Umweltpolitik folgt daraus unter anderem, dass sie positive Zukunftsaussichten und die Chancen von Veränderungen hervorheben könnte. Dies müsste glaubhaft geschehen, ohne nötige Veränderungen zu beschönigen.

Die Analyse zeigt allerdings auch, dass populistische Narrative in der Umweltpolitik oft mit autoritären Einstellungen verbunden sind. Umweltpolitik solle Populismus und seine demokratiegefährdende Wirkung klar benennen und nicht verharmlosen, gleichzeitig aber nicht mit Extremismus gleichsetzen.

DEMOKRATISCH DISKUTIEREN IM ALLTAG

WAS KANN ICH SELBST TUN?

Was kann ich tun, wenn zum Beispiel Bekannte den Klimawandel anzweifeln oder Verwandte behaupten, "die da oben" wollten das Fleischessen verbieten? Gar nicht zu reagieren ist meistens keine gute Option. Denn dies kann dazu führen, dass sich die Person in ihren populistischen Positionen bestärkt fühlt.

Doch der Umgang damit ist nicht leicht. Populistische Behauptungen werden oft mit ausgewählten Fakten untermauert. Dabei werden Daten und Fakten, die die Behauptungen widerlegen könnten, ignoriert.

Wer populistische Narrative anzweifelt, läuft Gefahr, von Menschen, die populistische Positionen vertreten, als leichtgläubig abgestempelt oder ins "feindliche" Lager eingeordnet zu werden ("Du gehörst also auch zu denen?").

Auch ist es nicht immer leicht, sich nicht selbst zu verstricken und mit Empörung zu reagieren. Dies verstärkt das gegenseitige Unverständnis.

Tipps

NACHDENKEN STATT KONFRONTATION

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gibt Tipps, die für die Auseinandersetzung mit populistischen Aussagen hilfreich sein können.* Dabei geht es nicht um direkten Widerspruch, sondern darum, Nachdenklichkeit auszulösen. Zum Beispiel durch Fragen wie: "Was genau meinst du damit?", "Kannst du erklären, wie a) und b) zusammenpassen?", "Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?", "Was wäre die Folge?", "Willst du das wirklich?" Das kann dazu führen, dass Widersprüche in den Behauptungen deutlich werden.

Es wird auch geraten, sich nicht durch immer neue Behauptungen ablenken zu lassen, sondern bei einem Thema zu bleiben. Hilfreich ist es, ruhig zu bleiben und nicht zu belehren, sondern – falls angemessen – auch Verständnis zu zeigen.

Nicht immer sind die Umstände passend, um eine solche herausfordernde Diskussion zu führen. Wenn die Worte fehlen oder die nötigen Informationen, ist es berechtigt, die Diskussion auf später zu verschieben.

(*Hinweis: Die Tipps wurden für den Bereich Rechtsextremismus formuliert. Sie sind jedoch inhaltlich neutral und lassen sich auf verschiedene populistische Erzählungen anwenden.

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