Der Wandel zur Nachhaltigkeit: Wie kriegen wir die Kurve?
Um globale Probleme in der Zukunft zu begrenzen, müssen wir die Gesellschaft verändern. Wie gelingt die Transformation?
Die Menschheit hat teilweise bereits die Grenzen dessen überschritten, was die Natur auf der Erde langfristig aushalten kann. Damit wir den nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten hinterlassen und sich auch heute die Lebensqualität weltweit deutlich verbessert, muss sich unsere Wirtschafts- und Lebensweise grundlegend ändern.
Wir brauchen eine "große Transformation", das hat eine Gruppe von bekannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits vor rund einem Jahrzehnt gefordert – der Wissenschaftliche Beirat globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU). Transformation bedeutet grundlegender Wandel oder Umgestaltung. Die ganze Gesellschaft müsse daran mitwirken, damit wir in Zukunft nachhaltig leben, arbeiten und wirtschaften, so der WBGU.
Aber oft stoßen schon kleine Veränderungen auf Widerstand. Wie kann ein großer Wandel trotzdem gelingen? Und welche Rolle spielt dabei die Bildung?
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Die große Transformation. Von Alexandra Hamann, Claudia Zea-Schmidt, Reinhold Leinfelder. Illustriert von Jörg Hartmann, Jörg Hülsmann, Robert Nippoldt, Studio Nippoldt, Iris Ugurel. © 2013 Jacoby & Stuart, Berlin.
-NutzungsbedingungenWas können wir der Erde zumuten?
Wir Menschen brauchen die Natur und bestimmte Bedingungen auf der Erde, damit wir überleben können. Wenn bestimmte Umweltschäden zu groß werden, kann das die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährden. In der Wissenschaft und in der Klima- und Umweltpolitik ist in diesem Zusammenhang oft von "planetaren Grenzen" die Rede, manchmal auch von "Leitplanken". Damit ist gemeint, dass beim Zustand der Natur bestimmte wichtige Werte eingehalten werden müssen. Werden diese Grenzen überschritten, könnte der Schaden nicht mehr ausgeglichen werden, und das Risiko für die Menschen könnte zu groß werden.
Zu den Grenzen gehört unter anderem der Klimawandel. Die weltweite Erwärmung der unteren Atmosphäre muss auf 2 °C, möglichst sogar auf 1,5 °C begrenzt werden. Darauf haben sich die Staaten im Abkommen von Paris geeinigt. Eine besondere Herausforderung ist, dass verschiedene Umweltprobleme miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Es ist zum Beispiel nicht möglich, nur das Problem des Artensterbens zu lösen, ohne das Klima zu schützen. Denn der Klimawandel gefährdet auch viele Arten, zum Beispiel die Korallen. Die Probleme müssen also in ihrer Gesamtheit betrachtet und gelöst werden.
Mehr Informationen zum Klimawandel finden sich im Artikel Klimawandel: Die Grundlagen (Planet A). Weitere Informationen zum Rückgang der Biodiversität finden sich im Artikel Biodiversität: Jede Art ist wichtig! (Planet A).
Warum brauchen wir eine "Große Transformation"?
Die großen Umweltprobleme sind seit langem bekannt, und es gibt vielfältige Bemühungen darum, sie zu lösen. Wenn von der "großen Transformation" die Rede ist, geht es darum, dass die Menschen den Veränderungsprozess hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft gezielt und vorausblickend vorantreiben sollten. Das sei eine einmalige Herausforderung, so der Wissenschaftliche Beirat globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU). Denn die bisherigen großen Veränderungen in der Menschheitsgeschichte seien weitgehend ungesteuerte Prozesse gewesen.
Gleichzeitig gibt es Faktoren, die eine große Transformation bremsen. Zum Beispiel sind Veränderungen in Politik und Wirtschaft oft sehr schwierig, weil wir unsere Gewohnheiten in Frage stellen müssen. Das fällt vielen Menschen nicht leicht, weil damit oft auch Unsicherheiten verbunden sind. Auch der Umbau komplexer Strukturen, wie etwa die Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien, ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. So muss etwa die Stromversorgung durchgehend sichergestellt werden und für alle bezahlbar bleiben. Zudem sollten auch die Umweltfolgen des Ausbaus der erneuerbaren Energien bedacht und minimiert werden.
Oft beeinflussen sich verschiedene Entwicklungen auch gegenseitig und müssen miteinander in Verbindung gebracht werden. Außerdem versuchen verschiedene Gruppen in der Gesellschaft, Veränderungen in ihrem Sinne zu beeinflussen, also ihre Interessen durchzusetzen. Dabei geht es oft auch um finanzielle Interessen – das heißt, um Geld.
Die Überlastung nimmt zu
Jedes Jahr erinnert der sogenannte Earth Overshoot Day (deutsch: Erdüberlastungstag) daran, dass die Menschen der Erde zu viel zumuten. Bis zu diesem Tag des Jahres hat die Menschheit so viele Ressourcen verbraucht, wie die Natur in einem ganzen Jahr wiederherstellen kann. Im Jahr 2021 war das der 29. Juli. Zum Vergleich: Im Jahr 1970 lag das Datum auf dem 29. Dezember. Wir Menschen verbrauchen durch unsere Lebensweise also immer mehr Ressourcen. Weil das dem Klima, der Natur und der Umwelt schadet, gefährden wir damit auch unsere eigenen Lebensgrundlagen.
Formen der planetaren Belastung
Wie gelingt der Weg in eine "gute Zukunft" für Alle?
Grundsätzlich wissen wir, was getan werden muss. Unsere Wirtschaft basiert auf fossilem Kohlenstoff, auf Erdöl, Erdgas und Kohle. Laut WBGU muss sich die Welt auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft von dieser kohlenstoffbasierten Wirtschaftsweise verabschieden. Die damit verbundene Veränderung von Infrastrukturen, Produktionsprozessen und Lebensstilen sei ein globaler gesellschaftlicher Umbruch – vergleichbar mit der Verbreitung von Ackerbau und Viehzucht sowie der industriellen Revolution. Der Wandel sei grundsätzlich technisch machbar und finanzierbar, so der WBGU.
Jedoch ist viel zu tun: Zum einen muss der Ausstoß von CO2 reduziert werden. Zum anderen muss der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben. Weitere Maßnahmen sind der Ausbau einer klimaverträglichen Landnutzung und die nachhaltige Gestaltung von Städten. Insgesamt müssen die Investitionen in eine klimaverträgliche Zukunft beschleunigt und erhöht werden.
Damit die Transformation gelingt, müssen außerdem alle Länder zusammenarbeiten. Auf nationaler und internationaler Ebene müssen also Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und die einzelnen Menschen an einem Strang ziehen.
Was ist konkret zu tun?
So könnte die Transformation in verschiedenen Lebensbereichen aussehen:
Industrie: In der Industrie setzen sich nachhaltige, klimafreundliche Technologien und Produktionsprozesse durch. Dabei wird vor allem auf kohlenstoffhaltige Energieträger wie Kohle und Öl verzichtet. Auf diese Weise gelingt es, treibhausgasneutral zu wirtschaften. Das bedeutet, nicht mehr Emissionen auszustoßen als – zum Beispiel durch Wälder – gebunden werden. Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral wirtschaften. Dazu werden die zulässigen jährlichen Treibhausgasemissionsmengen in der Industrie, aber auch in den anderen Sektoren wie Energiewirtschaft, Verkehr oder Gebäude kontinuierlich von Jahr zu Jahr abgesenkt.
Energiewende: Die Energiewende beinhaltet den Umbau der Energieversorgung hin zu einer klimafreundlichen Energieerzeugung mithilfe von erneuerbaren Energien. Dazu zählen Wind und Sonne, aber auch Wasserkraft, Bioenergie und Geothermie. Bisher bildeten hauptsächlich fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas, aber auch Atomenergie die Basis der Energieversorgung. Aus der Nutzung dieser Energieträger wird nach und nach ausgestiegen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert zudem bestimmte Anpassungen im Stromsektor:
- Die überregionalen Stromnetze müssen ausgebaut werden, damit zum Beispiel Strom, der durch Windkraftanlagen im Norden erzeugt wird, nach Süddeutschland gelangt.
- Die Stromversorgung muss jederzeit sichergestellt sein, auch bei fehlendem Wind oder Sonnenschein. Daher müssen Lösungen zur Speicherung von Strom sowie zur Umwandlung in andere Energieträger geschaffen werden. Zum Beispiel kann mithilfe des überschüssigen Stroms Wasserstoff hergestellt werden. Dieser kann dann wiederum bei Bedarf in Gaskraftwerken zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden.
Verkehr: Besonders mit dem Auto- und dem Flugverkehr sind ein hoher Energieverbrauch und damit hohe Emissionen wie Kohlendioxid und Stickstoffoxide verbunden. Wichtig für einen klimafreundlichen und schadstoffarmen Verkehr ist die breite Nutzung von Elektrofahrzeugen. Zu mehr Nachhaltigkeit kann auch Carsharing beitragen. Grundprinzip ist, dass sich mehrere Personen ein Auto teilen und so weniger private Pkw benötigt werden. Ein weiteres Verkehrsmittel mit wachsender Bedeutung ist das Fahrrad. Damit viele Menschen das Fahrrad nutzen, werden mehr Radwege, sichere Abstellanlagen, eine bessere Beleuchtung und komfortabel zu befahrende Radrouten benötigt. Auch das Angebot und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel müssen ausgebaut werden. Ein Merkmal nachhaltiger Verkehrskonzepte ist auch, dass sie verschiedene umweltverträgliche Verkehrsmittel kombinieren. Der Güterverkehr erfolgt verstärkt mit der Bahn oder auf den Straßen mit elektrischen LKW.
Gebäudesektor/Städte: Der Gebäudesektor verursacht eine erhebliche Menge an Emissionen von Treibhausgasen. Ein Großteil dieser Emissionen entsteht durch die Verbrennung von Gas und Öl zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser. In Zukunft muss daher der Energieverbrauch von Gebäuden verringert und der verbleibende Energiebedarf mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. Der Energieverbrauch kann beispielsweise reduziert werden, indem Dächer, Wände und Fenster besser gedämmt sind, sodass so wenig wie möglich Wärme entweicht. Weitere Maßnahmen sind die Erneuerung der Heizung und die Umstellung auf erneuerbare Energien wie elektrische Wärmepumpen, Erdwärme und Solarthermie.
Bei Bauprojekten in Städten und Gemeinden wird auch die Anpassung an den Klimawandel besonders berücksichtigt. So brauchen Gebäude Sonnenschutz und Verschattungen. Stärker als bisher achten die Städte zudem auf den Schutz vor Hochwasser und Überflutungen. Viele Städte setzen dabei auf "grüne" Lösungen: begrünte Dächer und Gebäudefassaden, Wasserflächen, verschattete Plätze und vernetzte Grünzüge. Das trägt dazu bei, den Rückhalt von Regenwasser und die Verschattung zu erhöhen, die Luftqualität zu verbessern und den Lärm zu reduzieren.
Landwirtschaft: Die Bewirtschaftung von Böden sowie der Einsatz von mineralischen und anderen Düngemitteln setzen in der Landwirtschaft das Treibhausgas Lachgas frei. Außerdem entsteht das Treibhausgas Methan. Es wird hauptsächlich bei Verdauungsvorgängen von Wiederkäuern, vor allem von Rindern und Milchkühen emittiert. Überdies entsteht Methan auch bei der Lagerung und Ausbringung von tierischem Dünger wie Gülle. Ein Großteil der genannten Emissionen ist auf Tierhaltung zurückzuführen. Durch einen effizienteren Einsatz von Düngern wie Gülle und Kuhmist und unter anderem auch durch Verringerungen der Tierbestände können die Emissionen reduziert werden. Gleichzeitig werden durch die Stärkung des ökologischen Landbaus landwirtschaftliche Flächen nachhaltiger bewirtschaftet und Ökosysteme geschützt. Auf mineralische Dünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel wird verzichtet.
Konsum: Egal welche Produkte wir kaufen, unser Konsum hat Folgen für das Klima und die Umwelt. Die Herstellung der Konsumgüter ist aufwändig. Dafür werden Ressourcen, also Rohstoffe und Energie, benötigt. Die Ressourcen der Erde sind jedoch begrenzt. In Zukunft wird es immer mehr Produkte geben, deren Herstellung und Nutzung weniger Energie und Ressourcen benötigen. Zudem werden Dinge durch Reparatur, Tausch, Ausleihe und Gebrauchtwarenhandel länger genutzt.
Ressourcen (Kreislaufwirtschaft): Nahezu alle Produkte, mit denen wir uns umgeben, werden irgendwann zu Abfall, der aufwändig entsorgt werden muss und Umwelt und Klima schadet. Um Ressourcen zu schonen und negative Umweltfolgen zu vermeiden, müssen Abfälle möglichst von vornherein vermieden werden. Zum Beispiel durch Wiederverwendung: Hierzu zählen Mehrwegsysteme sowie das Weitergeben, Verschenken oder der Weiterverkauf von Dingen. Beim verbliebenen Abfall werden durch eine höhere Recyclingrate die Rohstoffe wieder in den Kreislauf zurückgebracht.
Biologische Vielfalt und Naturschutz: Weltweit sind Arten und Lebensräume in dramatischem Ausmaß bedroht: vor allem durch die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen, Umweltverschmutzung, intensive Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei. Für den Menschen sind Tiere und Pflanzen sowie intakte Ökosysteme lebenswichtig. Menschen ernähren sich von pflanzlichen und tierischen Produkten und entnehmen der Natur Rohstoffe wie Holz. Ökosysteme erbringen aber noch viele weitere Leistungen: Sie stellen frische Luft, sauberes Wasser oder Medizin bereit. Außerdem speichern sie Kohlendioxid in Wäldern, Meeren und Böden. Zum Schutz der biologischen Vielfalt sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören die Einrichtung von Schutzgebieten und deren Vernetzung, der Schutz der Tier- und Pflanzenarten, Gewässerschutz, nachhaltige Landwirtschaft, die Begrenzung von Siedlungs- und Verkehrsflächen und der Klimaschutz. Auch Konsument*innen können beitragen, indem sie beispielsweise Lebensmittel aus ökologischer und regionaler Landwirtschaft bevorzugen. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitssiegeln für Produkte, die im engen Zusammenhang mit Gefährdungen von Arten und Lebensräumen stehen. Beispiele sind das MSC-Siegel für Fisch und das FSC-Siegel für Holz- und Papierprodukte.
Die Vielfalt der erforderlichen Maßnahmen zeigt, dass die Transformation gesamtgesellschaftliche Veränderungen umfasst. Das bedeutet: Damit sie gelingen kann, müssen alle mitmachen.
Rolle von Bildung und Beteiligung
Für die Transformation spielen eine organisierte Beteiligung und Bildung eine Schlüsselrolle:
Beteiligung: Eine intensive Einbindung aller Akteure kann zum Beispiel über Bürgerräte organisiert werden. 2021 legte der Bürgerrat Klima konkrete Vorschläge vor, wie sozialer Klimaschutz funktionieren kann und wie die Bevölkerung zur Einhaltung der 1,5-Grad-Obergrenze beitragen kann.
Schulen: Bildung trägt dazu bei, Problembewusstsein zu entwickeln und systemisches Denken zu lernen. So können Menschen die Transformation mitgestalten und an den Entscheidungsprozessen teilhaben. Sogenannte Pioniere des Wandels können zeigen, wie das gelingen kann. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Projekte und Materialien für Schulen entstanden, in denen die Mitgestaltung und Mitwirkung der Lernenden an Veränderungsprozessen im Mittelpunkt stehen. Beispiele gibt es in der Veröffentlichung "Transformatives Lernen" des Umweltbundesamtes in der Materialbox.
Wie kann ich selbst zum Wandel beitragen?
Die Transformation hin zu einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft ist eine enorme Aufgabe. Die Politik trägt dabei eine große Verantwortung und leistet einen maßgeblichen Beitrag, indem sie klare Regeln setzt und gesetzliche Rahmenbedingungen vorgibt. Ein Beispiel ist das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung, das erstmals verbindliche Klimaschutzziele für die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft vorschreibt.
Transformation der Gesellschaft bedeutet außerdem, dass alle sich einbringen: Mit Ideen, Projekten und Aktionen oder ganz alltäglichen Entscheidungen für einen nachhaltigen Lebensstil. Häufig haben Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft eine Wahl, sich nachhaltig oder nicht nachhaltig zu entscheiden. Das heißt: Wir alle können zu einem nachhaltigen Wandel beitragen, indem wir uns Gedanken über die eigenen (Wahl-) Möglichkeiten machen und diese nutzen.
Bei Planet A gibt es bereits andere Artikel zu der Frage, was jede und jeder für die Vermeidung von Treibhausgasen tun kann. Zum Beispiel
- bei der Ernährung,
- gegen Lebensmittelverschwendung und Abfall,
- beim Konsum,
- und bei der politischen Einflussnahme.