Amsel, Drossel, Fink und Star – welche Vögel sind noch da?
Auf Äckern, Weiden und Wiesen hat die Zahl der Vögel abgenommen. Wie kommt das, und was können wir dagegen tun?
In Deutschland ist die Zahl der Vögel in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. Zwischen 1992 und 2016 – also innerhalb von 24 Jahren – nahm die Zahl der hier brütenden Vogelpaare um sieben Millionen ab, insgesamt also um 14 Millionen Vögel. Das entspricht einem Rückgang von acht Prozent.
Betroffen sind vor allem Gebiete, die für die Landwirtschaft genutzt werden. Das hat eine Bestandsaufnahme ergeben, die das Bundesamt für Naturschutz im Jahr 2020 veröffentlicht hat. Die Vogelbestände in Städten und Dörfern – im sogenannten Siedlungsbereich – sind hingegen nach 2005 um eine halbe Million Vögel gewachsen. Im Wald lag der Zuwachs sogar bei 1,5 Millionen Vögeln. Ob die Zahlen sinken oder steigen, unterscheidet sich somit stark in unterschiedlichen Lebensräumen und zwischen verschiedenen Arten.
Der größte Teil der Vogelbestände in Deutschland wird von wenigen Arten gestellt. Insgesamt brüten in Deutschland zwischen 74 und 100 Millionen Vogelpaare. Allein die zehn häufigsten Vogelarten machen über 50 Millionen Paare aus.
Bild ©: Foto: Raman Kumar, commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0, zugeschnitten von BMU -Nutzungsbedingungen
Wie entwicklen sich die Vogelbestände in Deutschland
Warum entwickeln sich die Arten unterschiedlich?
Warum die Zahl der Vögel in bestimmten Lebensräumen zugenommen hat, wird noch erforscht. Im Wald könnte es daran liegen, dass die Forstwirtschaft mehr Rücksicht auf die Natur nimmt. Zum Beispiel wird totes Holz häufiger liegengelassen. Dadurch finden Vögel mehr Nahrung, denn zahlreiche Insekten leben in den sich zersetzenden Stämmen.
In Siedlungsgebieten könnte die zunehmende Begrünung der Städte ein Grund dafür sein, dass es mehr Vögel gibt.
Die Vielfalt nimmt ab
Es gibt bereits viele Erfolge im Vogelschutz, aber eine umfassende Kehrtwende ist noch nicht in Sicht. Nur bei einzelnen Vogelarten nehmen die Bestände zu. Dagegen gehen bei fast einem Drittel der Arten die Zahlen stark oder sehr stark zurück.
Das bedeutet, dass sich die Zusammensetzung der Vogelarten in den einzelnen Lebensräumen verändert. Besonders betrifft das den Siedlungsbereich und den Wald. Vogelarten, die sehr spezialisiert sind und sich nicht ausreichend an Veränderungen anpassen können, werden durch andere Arten ersetzt. So nimmt die Vielfalt der Vogelarten ab, während die Zahl der Tiere gleichzeitig zunimmt.
Wie kommt es zum Rückgang der Vogelzahlen?
Es gibt viele Ursachen dafür, dass die Bestände vieler Vogelarten sinken. Dabei betrifft der Rückgang weniger die ausgewachsenen Vögel. Eher werden zu wenige Jungvögel großgezogen. Fachleute vermuten, dass die erwachsenen Vögel nicht mehr genug Nahrung für Jungvögel finden und weniger Brutplätze.
Nahrungsmangel
Viele Vögel brauchen Insekten als Nahrung. Doch auch die Bestände der Insekten sinken. Eine mögliche Ursache ist der Einsatz von Unkrautvernichtern in der Landwirtschaft. Dadurch fehlen manchen Insektenarten Lebensraum und Nahrung. Außerdem werden sie durch Insektengifte gezielt bekämpft.
Fehlender Lebensraum
Vögel brauchen geeignete Orte zum Brüten und um sich vor Feinden zu verstecken. Doch diese Orte werden immer seltener, vor allem dort, wo industrialisierte Landwirtschaft betrieben wird.
Wie sieht es in der Landwirtschaft aus?
Welche Rolle spielt der Klimawandel?
Der Klimawandel verändert die Bedingungen in den verschiedenen Lebensräumen. So sind in den letzten Jahrzehnten vor allem die durchschnittlichen Winter- und Frühjahrstemperaturen gestiegen. Zugvögel verhalten sich dadurch anders. Zum Beispiel kehren Mehlschwalben im Durchschnitt zehn Tage früher aus Nordafrika nach Deutschland zurück als noch vor 30 Jahren. Auch der Zug in die Winterquartiere setzt teils später ein. Manche Vogelarten verkürzen dazu ihre Zugstrecke oder ändern die Zugroute, und andere stellen teilweise die Wanderung ein. Kiebitz, Singdrossel, Star und Hausrotschwanz waren noch bis vor wenigen Jahrzehnten klassische Zugvögel. Inzwischen verbringen sie immer öfter den Winter in Mitteleuropa.
Während sich bestimmte Vogelarten gut an die Veränderungen durch den Klimawandel anpassen können, stellen sie für andere eine große Herausforderung dar. Für heimkehrende Zugvögel zum Beispiel gilt: Frühes Kommen sichert die besten Reviere. Arten, die mit der Verschiebung des Frühlings nicht mithalten können, sind benachteiligt. Pflanzen blühen oft früher, und die Abläufe bei Insekten und Wirbellosen verschieben sich – damit verändert sich das Nahrungsangebot für die Vögel. Manche Vogelarten kommen zu spät aus den Winterquartieren zurück und verpassen so das beste Beuteangebot für die Aufzucht der Jungtiere.
Außerdem werden Dürren häufiger, und in manchen Lebensräumen der Zugvögel breiten sich Wüsten aus. Dadurch kann sich das Nahrungsangebot verringern. Zudem können durch den Anstieg des Meeresspiegels wichtige Brut- und Rastplätze verloren gehen.
Vögel zeigen Veränderungen an
Vögel reagieren sensibel auf Umweltveränderungen. Ihre Entwicklung ist eng verbunden mit der Entwicklung vieler weiterer Arten in ihrem Lebensraum. Ob sich die Vogelbestände in einem Lebensraum gut entwickeln, kann daher darauf hinweisen, ob das Gebiet nachhaltig genutzt wird. Der Grund, dass sich beispielsweise die Vogelbestände in Siedlungsgebieten erholt haben, kann daran liegen, dass es mehr Grünflächen in Städten gibt.
Welche Rolle spielen Vögel in ihren Ökosystemen?
Alle Vogelarten erfüllen bestimmte Funktionen in ihren Ökosystemen. Aus Sicht der Menschen sind insbesondere ihre Dienste als Schädlingsvertilger enorm. Die Mönchsgrasmücke zum Beispiel schützt Nutzpflanzen, denn sie frisst für die Pflanzen schädliche Insekten beziehungsweise deren Larven.
Ohne Greifvögel, Eulen, Störche und Reiher gäbe es in der Landwirtschaft mehr Probleme mit Nagetieren wie Feldmäusen. Viele Landwirte unterstützen darum sogar die Vögel bei der Jagd. Sie stellen an den Feldern Pfähle auf, auf denen Vögel Ausschau nach Beute halten können. Oder sie richten in Scheunen Eulenfenster ein, damit die Vögel dort schädliche Kleintiere fangen können.
Manche Vögel betätigen sich auch als Förster: Der Eichelhäher vergräbt seine Nahrung – Eicheln, Nüsse und Bucheckern – im Boden und sorgt so dafür, dass sich diese Baumarten verbreiten und Wälder vielfältiger werden. Die Eberesche, aber auch andere großfruchtige Bäume und Sträucher, setzen auf Drosseln als Verbreiter.
Die Ausrottung der Spatzen und ihre verheerenden Folgen
Im Jahr 1956 ordnete der damalige chinesische Regierungschef Mao Tse-tung an, "vier Plagen" im Land auszurotten. Die Spatzen beziehungsweise Sperlinge wurden dort als Plage angesehen, weil sie jährlich einen Teil der Ernte fraßen. Die Bevölkerung unterstützte das, und zwei Milliarden Kleinvögel wurden getötet. Historische Fotos zeigen Haufen toter Spatzen. Doch der Erfolg blieb aus. Stattdessen hatte die Aktion verheerende Folgen. Unmittelbar nach der fast vollständigen Ausrottung der Spatzen kam es zu einer starken Vermehrung von verschiedenen Insekten, was die Ernten stark schädigte. Dieser Ernteverlust kostete schließlich 30 Millionen Menschen das Leben.
Was wir zum Schutz der Vögel tun müssen
Es gibt bereits zahlreiche Bemühungen, um den Schutz von Vögeln und ihren Lebensräumen zu verbessern. Dazu gehören gesetzliche Regelungen, unter anderem auf der Ebene der Europäischen Union. So gibt es bereits seit 1979 eine europäische Vogelschutzrichtlinie. Damit sollen alle Vogelarten geschützt werden, die im Gebiet der EU-Staaten heimisch sind. Außerdem gibt es die sogenannte Fauna-Flora-Habitatrichtlinie. Zusammen sind diese Richtlinien die Grundlage für ein europaweites Netz aus Schutzgebieten.
In Deutschland hat die Bundesregierung zum Beispiel 2019 mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz wichtige Weichen gestellt, um Insekten und damit auch Vögel in der Agrarlandschaft besser zu schützen. Auf Vorschlag des Bundesumweltministeriums soll zudem ein Gesetz zum Schutz von Insekten erlassen werden. Ein anderes Gesetz wurde bereits Anfang 2021 beschlossen: Ab 2024 ist es verboten, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel zu verwenden, da diese eine große Gefahr für die Insekten darstellen.
Fachleute fordern jedoch weitere Maßnahmen, um den Verlust der Vogelvielfalt zu stoppen. Wenn die konventionelle Landwirtschaft unverändert weiter betrieben werde wie bisher, gehen immer mehr Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich verloren – darauf weisen Naturschutzverbände und Behörden wie das Bundesamt für Naturschutz hin.
Wichtige Forderungen für mehr Vogelschutz in der Landwirtschaft:
- Weniger Pestizide,
- mehr ökologische Landwirtschaft,
- mehr naturnahe und ungenutzte Flächen.
Der "Europäische Grüne Deal"
Der Europäische Grüne Deal hat neben vielen weiteren Anstrengungen zum Klima- und Naturschutz die Erholung der biologischen Vielfalt in Europa zum Ziel. Dafür soll unter anderem der Anteil der ökologischen Landwirtschaft auf mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche steigen, der Einsatz der Pestizide um 50 Prozent reduziert werden, und mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU sollen unter Schutz gestellt werden.
Was kann jeder Einzelne und jede Einzelne tun?
Wer einen Garten besitzt, kann einiges für den Vogelschutz tun. Beispielsweise können einheimische Blumen, Stauden, Sträucher und Bäume gepflanzt werden. Deren Samen und Früchte sind Nahrung für einheimische Vogelarten.
Ein naturnaher Garten bietet vielen Vögeln Futter und Unterschlupf. Daher ist es beispielsweise wichtig, Totholz und Falllaub nicht gleich wegzuschaffen. Auch ein Komposthaufen bietet mit seinen Würmern, Spinnen und anderen Insekten Vögeln ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot.
Indem man eine Nisthilfe aufstellt, kann man auch am Haus und auf dem Balkon etwas für Vogelarten wie den Haussperling, den Mauersegler oder die Schleiereule tun. Wer in seiner Umgebung gute Bedingungen für Vögel schafft, kann interessante Beobachtungen machen.
Darüber hinaus kann das Einkaufsverhalten einen Beitrag dazu leisten, die Vogelvielfalt zu erhalten: So sind bei der Herstellung von Bio-Lebensmitteln Pestizide, Insektizide und chemische Dünger verboten.