Rede von Steffi Lemke beim Berlin Energy Transition Dialogue

28.03.2023
Bundesministerin Steffi Lemke
In ihrer Rede hebt Steffi Lemke hervor, dass eine erfolgreiche Energiewende die Antwort auf die akuten Krisen sei: Sie ermögliche die Unabhängigkeit von Importen, gesündere und lebenswertere Städte sowie Artenvielfalt.

"Energiewende - Securing a Green Future"

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor einem Jahr stand der BETD ganz im Zeichen des grausamen russischen Angriffs auf die Ukraine. Auch 13 Monate später beherrschen dieser Krieg und seine Folgen immer noch das politische Geschehen. Der Krisenmodus ist mit Pandemie und Krieg schon fast zum Alltag geworden. An vielen Stellen der Wirtschaft und der Gesellschaft geht es an die Reserven.

Dennoch ist die Situation eine andere als im letzten Jahr. Damals trieb uns alle die Sorge um, wie unsere Wirtschaft und Gesellschaft gut durch den Winter kommen können, obwohl ein großer Teil der Energieimporte wegfällt. Heute kann man sagen: Eine Energieversorgungskrise haben wir bisher abgewendet. Wir haben – Robert Habeck sei Dank – die Gas- und Stromversorgung gesichert. Ohne Abschaltungen bei Industrie oder Verbrauchern – und, das ist wichtig – auch ohne dauerhafte fossile Lock-In-Effekte.

Zu keinem Zeitpunkt war es dabei geboten oder sinnvoll, den eingeschlagenen Weg des Ausstiegs aus der Atomkraft zu verlassen. In zwei Wochen wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet. Als für die nukleare Sicherheit zuständige Ministerin sage ich: Das ist eine gute Nachricht, weil es unser Land sicherer macht.

Für die Verbraucherinnen und Verbraucher hat die Bundesregierung die gravierendsten Folgen abgefedert – etwa durch die Strom- und Gaspreisbremse. Dadurch konnten finanzielle Überforderungen weitestgehend vermieden werden.

Die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft haben sich als widerstandsfähig erwiesen gegen die Krisen dieser Zeit. Und wir haben in dieser Zeit gesehen, wie wichtig ein handlungsfähiger, leistungsfähiger Staat ist.

Mit der gleichen Entschlossenheit werden wir die globalen Umweltkrisen angehen. Viele von Ihnen hier auf dem Energy Transition Dialogue denken dabei wahrscheinlich zunächst an die Klimakrise. Und das aus gutem Grund.

Eine aktuelle Studie, die das Wirtschaftsministerium und mein Haus fachlich begleitet haben, hat kürzlich prognostiziert, welche volkswirtschaftlichen Schäden durch die Klimakrise zu erwarten sein könnten. Bis zur Mitte des Jahrhunderts rechnen die Forschenden mit kumulierten volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von 280 bis zu 900 Milliarden Euro. Es ist ganz klar: Nichthandeln oder Verzögern ist viel teurer, als die Klimakrise beherzt zu bekämpfen.

Die Klimakrise ist jedoch – leider – nicht die einzige große ökologische Krise. Auch das Artenaussterben und die Verschmutzungskrise bedrohen unsere Lebensgrundlagen.

Es muss uns deshalb gelingen, die Energiewende zum Erfolg zu führen und dabei gleichzeitig gegen das Artenaussterben und gegen die Verschmutzungskrise vorzugehen.

Das ist nicht nur die richtige Antwort auf die akuten Krisen. Wir machen uns damit gleichzeitig unabhängiger von Importen, sorgen für saubere Luft und sauberes Wasser, für lebenswerte Städte und vielfältige Landschaften, für eine Vielfalt von Tieren und Pflanzen, die unserer Ernährung und unsere Gesundheit sichern.

Dafür setze ich mich ein.

Anhand dreier Beispiele will ich das erläutern.

Erstens brauchen wir eine naturverträgliche Energiewende. Die erneuerbaren Energien sind ohne Frage der Schlüssel zum Erreichen der deutschen Klimaziele. Sie machen uns außerdem unabhängiger von Rohstoffimporten. Deshalb hat sich diese Bundesregierung auf den Weg gemacht, den Ausbau der Erneuerbaren erheblich zu beschleunigen. Ein wesentlicher Zeitfaktor sind die Planungs- und Genehmigungsverfahren, die in der Vergangenheit viel zu oft mehrere Jahre andauerten. Hier wollen wir beschleunigen, ohne dass Umwelt- und Naturschutzstandards abgesenkt werden. Schneller raus aus der Kohle, schnellerer Ausbau der Erneuerbaren und der Netze, schnellere Renaturierung und schnellerer Aufbau der Infrastruktur für grünen Wasserstoff. Und selbstverständlich auch die schnellere und bessere Instandhaltung der bestehenden Infrastruktur in unserem Land. Das gilt insbesondere für das Bahnnetz oder sanierungsbedürftige Brücken.

Der Neubau von Autobahnen und Flughäfen, die Verlängerung des fossilen Zeitalters auf der Straße und in der Energieerzeugung dürfen hingegen nicht beschleunigt werden – im Gegenteil, wir müssen solche Investitionen ganz grundsätzlich überprüfen. Schon gar nicht dürfen sie ausgenommen werden von den für Natur-, Umwelt- und Gesundheitsschutz zu treffenden sorgfältigen Abwägungen.

Wir brauchen zweitens eine rohstoffschonende Energiewende. Der Weg in eine grüne Zukunft, sei es über Solarpanele, Windräder, Elektromotoren oder Elektrolyseure, braucht erhebliche Mengen an Rohstoffen. Auch hier gilt: Die Klimakrise darf nicht auf Kosten der Ökosysteme gelöst werden. Schließlich verursacht das Gewinnen und Verarbeiten von Rohstoffen ungefähr die Hälfte aller globalen Treibhausgasemissionen, ein Drittel der Luftverschmutzung und 90 Prozent des Biodiversitätsverlustes. Es trägt außerdem vielerorts zur Wasserknappheit bei.

Um Rohstoffe einzusparen, erarbeiten wir aktuell eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Die Kreislaufwirtschaft hat in Deutschland bisher einen starken Schwerpunkt auf der Vermeidung und Verwertung von Abfällen. Künftig soll viel stärker bereits bei der Produktgestaltung angesetzt werden, denn dort muss das Denken in Kreisläufen beginnen.

Bei bestimmten Rohstoffquellen steht fest, dass wir sie bis auf Weiteres gar nicht nutzen wollen. Auch, weil wir sie gar nicht brauchen. Ich denke hier an mineralische Rohstoffe vom Boden der internationalen Tiefsee. Die Tiefsee ist – so viel weiß man schon heute – essentiell für die Gesundheit unseres Planeten. Sie ist ein Hort der Artenvielfalt und eine CO2-Senke. Wir kennen jedoch die Tiefsee schlechter als die Oberfläche des Mondes! Aufgrund der eklatanten Wissenslücken wendet die Bundesregierung hier konsequent das Vorsorgeprinzip an. Daher unterstützen wir vorerst keinen Tiefseebergbau, solange die Forschung hier nicht deutlich weiter ist als bis jetzt. Bei der zuständigen Internationalen Meeresbodenbehörde in Jamaika werben wir daher intensiv dafür, eine vorsorgliche Pause einzulegen. Wir dürfen nicht in ein Zeitalter des Tiefseebergbaus schlafwandeln!

Ich komme abschließend zu meinem dritten Beispiel: Wir wollen uns die Natur stärker zunutze machen für den Klimaschutz. Klimaschutz funktioniert nicht nur mit Windrädern und Solarpanelen, Wärmepumpen und Elektrolyseuren. Wir brauchen auch natürliche Lösungen wie Moore und Böden, Auen und Wälder. Diese Ökosysteme sind in der Lage, CO2 aus der Atmosphäre einzubinden und langfristig zu speichern – und zwar umso mehr, je besser ihr Zustand ist. Sie bieten Lebensraum für zahlreiche Arten und tragen außerdem dazu bei, Wasser in der Landschaft zu halten. Das hilft uns sowohl gegen Dürre als auch gegen Hochwasser. Morgen werde ich das "Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz" ins Bundeskabinett einbringen. Ausgestattet mit vier Milliarden Euro bis 2026 wird es eine dreifache Dividende bringen: für den Klimaschutz, für den Schutz der biologischen Vielfalt und für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise.

International haben wir für die Zukunft unseres Planeten in den letzten Wochen und Monaten wichtige Erfolge errungen:

  • Zum allerersten Mal hat sich die Welt Anfang dieses Monats auf Regeln zum Schutz der Natur auf Hoher See geeinigt. Das war unglaublich wichtig und lange überfällig.
  • In Montreal haben wir letzten Dezember mit der globalen Vereinbarung für die biologische Vielfalt einen Schutzschirm für die Natur aufgespannt. Die Staatengemeinschaft hat sich auf ambitionierte Ziele geeinigt und starke Umsetzungsmechanismen vereinbart, die die Naturzerstörung stoppen sollen.
  • Und schon im Frühjahr letzten Jahres haben wir den Startschuss gesetzt für die Verhandlungen zu einem internationalen Abkommen gegen die Vermüllung der Meere.

Ich finde es sehr ermutigend, dass diese Vereinbarungen möglich waren – aller geopolitischer Spannungen zum Trotz. Mit diesem Willen zum gemeinsamen Handeln und Mut zur Veränderung müssen wir jetzt weiter an tragfähigen Lösungen arbeiten: Lösungen, die uns für die Zukunft wappnen, nicht für die Kämpfe der Vergangenheit. Lösungen, die mit der Natur funktionieren, nicht gegen sie. Solche Lösungen will ich voranbringen und freue mich, sie hier mit Ihnen zu diskutieren.

Informationen

Natürlicher Klimaschutz

Natur stärken – Klima schützen

28.03.2023 | Rede Wirtschaft
https://www.bmuv.de/RE10535
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