Novellierung des Umweltkapitels der OECD-Leitsätze
Nachdem eine Bestandsaufnahme der Leitsätze von 2021 besonders im Umweltbereich Lücken identifizierte, führte die Novellierung der Leitsätze im Juni 2023 zu einer umfassenden Überarbeitung des Umweltkapitels. Die OECD unterstreicht darin die zentrale Rolle von Unternehmen bei der Beantwortung von Umweltherausforderungen wie dem Klimawandel, dem Biodiversitätsverlust und dem steigenden Ressourcenverbrauch und konkretisiert, wie Unternehmen negative Umweltauswirkungen vermeiden und angehen sowie zur Erreichung von internationalen Umweltzielen beitragen können.
Die Novellierung greift Entwicklungen in der internationalen Umweltpolitik und die Prinzipien und Ziele diverser auch neu verabschiedeter völkerrechtlicher Abkommen auf, wie die Agenda 2030, das Pariser Klimaschutzabkommen oder den globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal.
Das Umweltkapitel enthält nun zum einen die Klarstellung, dass Unternehmen im Rahmen von Umweltmanagementsystemen ihre Sorgfaltspflichten auch auf beispielhaft benannte Umweltaspekte wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Verschmutzung und Entwaldung erstrecken sollten. Zum anderen werden in den Erläuterungen verschiedene Erwartungen der OECD-Staaten an Unternehmen konkretisiert. Beispielsweise sollen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Treibhausgas-Emissionen und Auswirkungen auf natürliche Senken mit internationalen Temperaturzielen im Einklang stehen, und dass sie Reduktionsziele zur Erreichung von netto-null Treibhausgasemissionen festlegen und umsetzen. Zur Erfüllung biodiversitätsbezogener Sorgfaltspflichten sollen Unternehmen u.a. Entwaldung und Einwirkungen auf anerkannte Schutzgebiete vermeiden und die Hierarchie zur Verhinderung negativer Auswirkungen auf die Biodiversität einhalten: Es sollen zunächst negative Auswirkungen vermieden werden sollen, bevor Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden. Unternehmen werden zudem angehalten, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zu entwickeln, beispielsweise durch gesteigerte Ressourceneffizienz oder Kreislaufwirtschaftsansätze, die bei der Beantwortung übergreifender Umweltthemen helfen.
Gemäß der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung erkennen die Leitsätze auch den engen Zusammenhang zwischen negativen Umweltauswirkungen und anderen Belangen wie Gesundheit, Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit an und heben den Umweltschutz als Querschnittsthema hervor. Damit reflektieren die Leitsätze die gewachsene Erkenntnis, dass Umwelt- und Menschenrechtsschutz untrennbar verknüpft sind.
Die Novellierung der Leitsätze trägt auch der Entwicklung von umfassenderen Anforderungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung Rechnung. Das Kapitel zur Offenlegung von Informationen empfiehlt, dass Unternehmen Informationen über tatsächliche und potenzielle Auswirkungen auf Mensch und Umwelt und damit im Zusammenhang stehende Sorgfaltspflichtenprozesse in ihre Berichte einbeziehen. Damit greifen die Leitsätze das Prinzip der ‚doppelten Wesentlichkeit‘ auf, nach der Unternehmen sowohl nachhaltigkeitsbezogene Risiken für das Unternehmen selbst, als auch umgekehrt Auswirkungen des Unternehmens auf Mensch und Umwelt darstellen sollen.
Die OECD-Leitsätzen haben schon immer mehr Themen abgedeckt als andere internationale Rahmenwerke für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, wie die VN Leitprinzipien und die dreigliedrige Grundsatzerklärung der Internationalen Arbeitsorganisation. Mit der Novellierung des Umweltkapitels werden die OECD-Leitsätze nun das internationale Referenzwerk für umweltbezogene Nachhaltigkeit in den Lieferketten. Die in den Neuerungen der OECD-Leitsätze zum Ausdruck gebrachte Stärkung der Umweltdimension von nachhaltiger Unternehmensführung ist ein Trend, der sich auch auf EU-Ebene manifestiert und in den gerade verabschiedeten Batterie- und Entwaldungsverordnungen sowie in den aktuellen Verhandlungen zur EU-Lieferkettenrichtlinie niederschlägt.