Entwicklung der gesundheitlichen Bewertung von per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Lebensmitteln
Die Risikobewertungen zu den bisherigen PFAS-Gehalten in Lebensmitteln konzentrierten sich zunächst auf Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA), für die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstmalig 2008 gesundheitsbezogene Richtwerte abgeleitet hat.
Auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aktualisierte die EFSA in zwei Gutachten ihre Risikobewertung. Im Jahr 2018 wurden neue, deutlich niedrigere und als "vorläufig" bezeichnete gesundheitsbezogene Richtwerte für PFOS und PFOA abgeleitet.
Im September 2020 legte die EFSA eine Stellungnahme vor, in der anhand einer verminderten Impfreaktion bei Kleinkindern als gesundheitsbezogener Richtwert eine tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge (tolerable weekly intake (TWI)) in Höhe von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht für die Summe der vier Stoffe Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) festgelegt wurde. Die EFSA stellt in dieser Stellungnahme fest, dass dieser TWI auch Schutz für die anderen potentiell kritischen gesundheitlichen Endpunkte wie Anstieg des Serum-Cholesterins, ein reduziertes Geburtsgewicht oder Leberschädigung bietet, die in vorangegangenen Stellungnahmen identifiziert wurden. Das bedeutet, dass bei einer lebenslangen wöchentlichen Aufnahme dieser vier Stoffe in Höhe des TWI nach derzeitigem Kenntnisstand keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Bei der Ableitung dieses Summen-TWI folgte das EFSA-Gremium einem pragmatischen Ansatz, wobei für die Festlegung
- eine Beschränkung auf die vier PFAS vorgenommen wurde, die am häufigsten im Humanserum vorkommen und als langkettige PFAS eine mehrjährige Halbwertzeit im Menschen aufweisen;
- von der Annahme ausgegangen wird, dass gleiche Wirksamkeiten für diese vier PFAS auf den identifizierten empfindlichsten Endpunkt, nämlich die Immuntoxizität, vorliegen und keine verstärkenden Effekte der vier PFAS zusammen auftreten.
Entwicklung der gesundheitsbasierten Richtwerte der EFSA zu PFAS über die Zeit, schematische Darstellung
Erweiterte Bildbeschreibung
Abbildung: Entwicklung der gesundheitsbasierten Richtwerte der EFSA zu PFAS über die Zeit, schematische Darstellung
Datum | EFSA-Aktivität | TWI-PFOS (ng/kg/ Woche) | TWI-PFOA | TWI-Summe für PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS (ng/kg wöchentlich) | empfindlichster gesundheitlicher Endpunkt |
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2008 | 1. Stellungnahme | 1.050 | 10500 | - | Tierversuche: PFOS: Schilddrüsenhormon, HDL; PFOA: Lebergewicht |
2018 | 1. Reevaluierung | 13 | 6 | - | Epidemologie: Erhöhung Serumcholesterin bei 40jährigen |
2020, 24. Februar | 2. Reevaluierung, Entwurf | - | - | 8 | Immunantwort Einjährige (NOAEL Grundlage)1 |
2020, 17. September | finale Stellungnahme | - | - | 4,4 | Immunantwort Einjährige (BMDL-10 Grundlage)2 |
1: NOAEL: No Observed Adverse Effect Level - höchste Dosis eines Stoffes in (sub)chronischen Studien, bei der keine signifikant erhöhten schädigenden behandlungsbedingten Befunde im untersuchten Organismus beonachtet werden.
2: BMDL-10: Benchmark Dose Lower Confidence Limit-10 - statistisch-matematisch abgeleiteter Wert zur quatitativen Risikoabschätzung, der die Form der Dosis-Wirkungs-Kurve mit einbezieht sowie durch die Angabe des Vertauensbereichs die Stichprobengröße mit berücksichtigt.
Der BMDL-10 gilt als dem NOAEL-Ansatz überlegen; in der EFSA-Stellungnahme wird er deshalb nun aufgrund der größeren Robustheit verwendet. Die aktuelle Ableitung der gesundheitsbasierten Richtwerte basiert bei EFSA auf derselben Studie und denselben Endpunkten wie in dem Entwurf vom 24. Februar 2020.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat diesen Summen-TWI der EFSA in Höhe von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht geprüft und empfiehlt, diesen für zukünftige Bewertungen von Gehalten der vier PFAS PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS in Lebensmitteln heranzuziehen.