Neuartige Materialien
Technischer Fortschritt wird oft erst durch neu- oder weiterentwickelte Materialien möglich. Auch für den Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz braucht es die richtigen Werkstoffe. Heute werden Materialien gezielt mit Blick auf ihre Eigenschaften und Anwendungsfelder entwickelt. Nicht selten bilden bewusst gestaltete Nanostrukturen die Basis für die veränderten Funktionen und Eigenschaften. Diese fallen oftmals nicht unter die Definitionsempfehlung der EU-Kommission aus dem Jahr 2011. Diese sieht den Begriff "Nanomaterialien" nur für Materialien im Bereich 1 bis 100 Nanometer (nm) vor und prägte so auch die verschiedenen Rechtsregelungen. Für neuartige Materialien, die durch Strukturen bis 1.000 nm geprägt sind, wird daher seit einiger Zeit der Arbeitsbegriff "advanced (nano-) materials" genutzt. Er fand unter anderem Eingang in die Dokumentation "Support for 3rd regulatory review on nanomaterials – environmental legislation", ins 8. Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 sowie ins 9. Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe.
Auch auf Nano-Ebene neu
Werkstoffe und Materialien, deren Eigenschaften sich nicht allein aus der Chemie ihrer jeweiligen Rohstoffe erklären lassen, werden häufig als "neuartige Materialien" (englisch: advanced materials) bezeichnet. Ein prominentes Beispiel dafür sind die Nanomaterialien (siehe oben), bei denen Partikelgröße und Oberflächenbeschaffenheit die Eigenschaften bestimmen. Sie sind für verschiedene Anwendungsfelder gesetzlich geregelt, auch die Europäische Chemikalienverordnung REACH wurde an ihre Besonderheiten angepasst. Struktur- und Oberflächenphänomene spielen sich aber längst nicht nur im Größenbereich bis 100 nm ab. Die besonderen Eigenschaften der vielen, sehr verschiedenen, neuartigen Materialien beruhen häufig auf gezielt im Bereich unterhalb eines Mikrometers (0 bis 1.000 nm) aufgebauten Strukturen.
Neuartige Materialien im Blick behalten
Neuartige Materialien wie weiterentwickelte Kunststoffe, gezielt aufgebaute nano-biologische Strukturen oder Glas- und Keramikwerkstoffe mit neuen Eigenschaften können unter anderem in den Bereichen Energie, Mobilität oder Gesundheit eingesetzt werden. Sie bergen die Hoffnung auf effektiveren Ressourcen-, Umwelt- und Klimaschutz. Ob und unter welchen Bedingungen neuartige Materialien diese Hoffnungen erfüllen könnten, welche (neuen) Fragen die Entwicklung und der Einsatz neuartiger Materialien für den Umweltschutz aufwirft und wie man den neuen Herausforderungen begegnet, will jedoch sorgsam abgewogen werden. Dabei muss auch der Ansatz der Kreislaufwirtschaft berücksichtigt werden. Zudem ist zu prüfen, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichend auf die Besonderheiten der verschiedenen Materialien der Zukunft vorbereitet sind.
Um dies auch auf OECD-Ebene sicherzustellen und insbesondere die Anwendbarkeit bestehender, international standardisierter Testmethoden für neuartige Materialien im nanoskaligen Bereich (1 - 1.000 nm) mittelfristig zu gewährleisten, nimmt die OECD Working Party on Manufactured Nanomaterials (WPMN) seit 2021 auch die "advanced materials" in den Blick.
Dabei geht es den Expertinnen und Experten nicht darum, eine starre Definition für diese so vielfältigen und im Zeitverlauf stets neu zu bewertenden Materialien zu finden. In nationalen wie internationalen Fachgruppen wird stattdessen diskutiert, welche Eigenschaften den Ausschlag dafür geben sollten, ein neu entwickeltes oder in neuer Anwendung genutztes Material im Sinne des Vorsorgeprinzips genauer zu betrachten.
Das Bundesumweltministerium begleitet die Entwicklung neuartiger Materialien
Im Rahmen des NanoDialogs der Bundesregierung kamen im Jahr 2019 Experten aus Industrie, Behörden, Umwelt- und Verbraucherschutz im Bundesumweltministerium zum FachDialog "Advanced Materials" zusammen. Mit ihren Erfahrungen aus der (anhaltenden) Debatte um einen verantwortungsvollen Umgang mit Nanotechnologien diskutierten sie die Frage, wie auch andere neuartige Materialien nachhaltig und umweltfreundlich entwickelt und eingesetzt werden können.
Aufbauend auf den Beobachtungen aus dem FachDialog wurde ein Forschungsprojekt gestartet, das systematisch beleuchtete, wie ein sicherer und nachhaltiger Umgang mit neuartigen Materialien möglich sein kann. Dafür arbeitete das Umweltbundesamt (UBA) mit der Universität für Bodenkultur Wien und Ökopol zusammen. Im Rahmen dieses Projektes führte das UBA drei Themenkonferenzen durch, auf denen Expertinnen und Experten aus Behörden, Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft über die chemische Zusammensetzung und Struktur relevanter neuartiger Materialien, ihr Verhalten und ihre möglichen Risiken auf Mensch und Umwelt sowie bestehende Wissenslücken diskutierten. Diese Diskussionen waren die Basis für Handlungsempfehlungen zur Gewährleistung des sicheren Umganges mit neuartigen Materialien, die UBA gemeinsam mit BfR und BAuA erarbeiteten und zur weiteren Diskussion veröffentlicht haben.
In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe setzen die Expertinnen und Experten von BfR, UBA, BAuA, BAM und vier weiteren Bundesoberbehörden die Diskussion über die Möglichkeiten Vorsorge-orientierten Handelns mit Blick auf neuartige Materialien fort. Das Bundesumweltministerium begleitet diese Arbeitsgruppe als Beobachter.