– Es gilt das gesprochene Wort –
Liebe Frau Prof. Pittel,
liebe Frau Prof. Schlacke,
liebe Frau Prof. Hornberg,
sehr geehrte Damen und Herren,
Gesundes Leben in einer gesunden Umwelt. Das ist eine Vision, auf die wir uns vermutlich alle verständigen können, deren Umsetzung aber alles andere als trivial ist. Deswegen ist es wichtig und hilfreich, dass sich gleich zwei Räte der Bundesregierung mit dem Thema Umwelt und Gesundheit befassen und Gutachten dazu vorgelegt haben. Für Ihre Analysen und Empfehlungen danke ich Ihnen herzlich.
Wir alle wollen Gesundheit. Spätestens mit der Pandemie ist unsere Wertschätzung für die Gesundheit noch einmal gestiegen. Sie ist die Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben, für Teilhabe in jeder Form. Ohne gesunde Natur keine gesunden Menschen – auch das hat uns Corona gelehrt. Wenn wir Menschen immer weiter in Naturräume vordringen, steigt das Risiko für die Entstehung von Pandemien.
Aber der Zusammenhang von Umwelt und Gesundheit beginnt auf ganz elementarer Ebene. Wir Menschen sind angewiesen auf grüne Pflanzen, die Sauerstoff zum Atmen produzieren. Auf Moore und Flussauen, die das Wasser in der Landschaft halten und unsere Versorgung mit trinkbarem Wasser sichern. Auf fruchtbare Böden mit Würmern, Insekten und Kleinstlebewesen, auf denen wir Nahrung anbauen können. Auf Wälder und Parks, die uns bei großer Hitze Abkühlung verschaffen. Ohne diese und viele andere Leistungen der Natur könnten wir Menschen schlicht nicht existieren.
Abgesehen davon geht es uns einfach besser, wenn wir am Wasser sind oder unter einem alten Baum sitzen als auf einem zubetonierten Platz – gerade jetzt im Sommer. Schon ein Spaziergang in der Natur baut Stress ab und stärkt das Immunsystem. Das belegen Studien. Und ich denke, das kennen die meisten von Ihnen aus eigener Erfahrung.
Wenn man all das bedenkt, ist es eigentlich unverständlich, warum wir diese Grundlagen für ein gesundes Leben, für unsere Wirtschaft und unser Wohlbefinden immer weiter zerstören. Und doch tun wir genau das. Unser Lebensstil, unsere Wirtschaftsweise und unser Ressourcenverbrauch haben uns in eine ökologische Dreifachkrise geführt, die immer weiter fortschreitet. Klimakrise, Artenaussterben und Umweltverschmutzung bedrohen die Natur und ihre Überlebensleistungen. Und damit auch uns Menschen.
Diese Krisen gilt es zu bekämpfen, mit aller Kraft. Da ist es hilfreich, wenn uns die Wissenschaft Rückenwind gibt und die Politik mit ihren Empfehlungen antreibt. Es ist Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass sie uns aus den Krisen herausführen. Ich setze mich in meiner Arbeit dafür ein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir weiter gut und gesund auf dieser Erde leben können.
Ich möchte Ihnen heute vorstellen, wie wir als Umweltministerium an diesen Voraussetzungen arbeiten. Details aus den Gutachten werden wir gleich von den Vorsitzenden hören.
Drei große Themenkomplexe möchte ich aufgreifen, die in beiden Gutachten prominent erwähnt werden und die auch ich für zentral halte.
Erstens: Beide Gutachten heben die Stärkung der Ökosysteme als ein Schlüssel zur Bewältigung der Krisen hervor. Zu Recht. Denn die Natur ist nicht nur Luftfilter und Klimaanlage, Wasserspeicher und Nahrungsspenderin. Sie ist unsere stärkste Verbündete im Kampf gegen die ökologischen Krisen unserer Zeit. Als Umweltministerium setzen wir daher auf naturbasierte Lösungen. Man könnte auch sagen: Wir schützen die Natur, damit sie uns schützen kann.
Der SRU empfiehlt zur Wiederherstellung beeinträchtigter Ökosysteme langfristige und großflächige Maßnahmen, für die auch die entsprechenden rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Einen großen Schritt in diese Richtung ist mein Haus mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz gegangen. Es soll dazu beitragen, natürliche Ökosysteme zu erhalten, zu schützen und wiederherzustellen – Moore wieder zu vernässen, naturnahe Mischwälder wachsen zu lassen, Auen zu renaturieren. Diese Ökosysteme binden CO2 aus der Luft und bekämpfen damit die Klimakrise. Sie sind Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen. Sie nehmen bei Regen viel Wasser auf und speichern es für Dürrephasen. Sie sorgen bei Hitze für Kühlung und schützen mit Ihren Leistungen die menschliche Gesundheit.
Besonders offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Natur- und Gesundheitsschutz beim Thema Wasser. Weltweit haben über zwei Milliarden Menschen keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser – und damit keine Chance auf ein gesundes Leben. Deswegen ist der Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung ein essentielles Ziel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Aber auch bei uns ist Wasser längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Der nächste Dürresommer kündigt sich an, die Klimakrise wird die Herausforderungen weiter verschärfen. Um die Wasserversorgung systematisch zu sichern, hat Deutschland jetzt erstmals eine Nationale Wasserstrategie. Ein zentrales Element ist auch hier die Stärkung der Natur, des naturnahen Wasserhaushalts.
Auch international soll die Natur besser geschützt werden. Bei der Weltnaturkonferenz im letzten Dezember in Montreal ist es den Staaten der Welt gelungen, einen Schutzschirm für die Natur aufzuspannen. Das war ein echter Durchbruch in politisch schwierigen Zeiten. Dieser Schutzschirm muss jetzt Wirkung zeigen. In Deutschland legen wir zur Umsetzung gerade die Nationale Biodiversitätsstrategie neu auf und haben letzte Woche dazu einen Dialogprozess gestartet.
Zweitens: Beide Gutachten erkennen die Verschmutzung unserer Umwelt – speziell die durch Chemikalien – als Bedrohung für die menschliche Gesundheit an. Die grassierende Umweltverschmutzung war in den 70er Jahren Auslöser für die Institutionalisierung der Umweltpolitik. Sie führte zum Beispiel zur Gründung von UNEP. Heute tritt die Verschmutzungskrise in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal hinter Klimakrise und Artenaussterben zurück. Dabei sind die damit verbundenen Probleme global nicht gelöst, sondern im Gegenteil noch gewachsen.
Chemikalien wurden inzwischen auch in den entlegensten Regionen der Erde nachgewiesen: PCB in Tieren, die 10.000 Meter tief im Meer leben. Pestizide in den Gletschern des Himalaya. Jüngste Studien haben verbotene Flammschutzmittel im Nabelschnurblut von Neugeborenen nachgewiesen – ein Zeichen dafür, dass Schadstoffe von einer Generation auf die nächste übertragen werden.
Gleichzeitig steigt die globale Produktion von Chemikalien seit Jahren stark an. 95 Prozent aller Produkte enthalten Chemikalien. Mit Produkten, die in anderen Regionen der Welt hergestellt werden, importieren wir auch die dortige Schadstoffbelastung. Es gibt also genug Gründe, sich der Umweltverschmutzung und insbesondere den Chemikalien zuzuwenden.
Eine Chance dazu bietet die fünfte Weltchemikalienkonferenz (ICCM5), die Ende September unter deutscher Präsidentschaft stattfindet. Ziel ist es, den Rahmen zu setzen für ein verantwortungsvolles Chemikalien- und Abfallmanagement – und zwar in allen Ländern. Etwa 100 Länder weltweit haben bisher gar kein Chemikalienmanagement. Das bedeutet: Es gibt keine Daten über die verwendeten Chemikalien und ihre Risiken, keine Gesetze, die die Verwendung bestimmter Stoffe einschränken oder verbieten, und keine Behörden um Missbrauch zu stoppen. Das muss sich ändern, wenn die Umweltverschmutzung wirksam gestoppt werden soll.
Der WBGU empfiehlt ein weltweites Rahmenübereinkommen zur Bekämpfung von Verschmutzungen durch gefährliche Stoffe. Auf der Chemikalienkonferenz soll ein Rahmen ausgehandelt werden – eine Neuauflage des sogenannten Strategischen Ansatzes zum Internationalen Chemikalienmanagement (SAICM). Er ist nicht verbindlich, aber er kann Staaten als Referenz dienen beim Aufbau ihrer Regulierungen. Neben Regierungsvertretern sitzen auch internationale Organisationen, die Zivilgesellschaft und die Industrie mit am Tisch – auch das macht die Plattform so wertvoll. Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass der Rahmen anspruchsvolle Ziele enthält, damit Menschen und Umwelt weltweit besser vor gefährlichen Chemikalien geschützt werden.
Etwas weiter sind wir bei einem sehr sichtbaren Verschmutzungsproblem: der Vermüllung der Meere mit Plastik. Auch Mikroplastik ist allgegenwärtig, selbst in den tiefsten Meeresgräben wurde es schon nachgewiesen. Derzeit laufen die Verhandlungen für ein verbindliches UN-Plastikabkommen. Ich setze mich dafür ein, dass sie zügig vorankommen. Unser zentrales Anliegen für das neue Abkommen ist, dass es den gesamten Lebenszyklus von Plastikprodukten in den Blick nimmt – von den Produktionsmengen über das Schließen von Kreisläufen bis zur fachgerechten Entsorgung. Nur so lässt sich vermeiden, dass Plastik weiter der Umwelt und der menschlichen Gesundheit schadet.
Drittens: Städte spielen eine zentrale Rolle für ein gesundes Leben in einer gesunden Umwelt. Nun sind Städte wahrscheinlich nicht die erste Assoziation, die einem beim Thema "gesunde Umwelt" in den Sinn kommt. Aber durch die Verdichtung in den Städten verdichten sich auch Umweltprobleme, die die Lebensqualität der Menschen mindern. Hitzestress, Feinstaub und Lärm beeinträchtigen die menschliche Gesundheit. Und weltweit zieht es immer mehr Menschen in die Städte.
Entscheidend ist auch hier, die Natur zu stärken. Um die Gesundheit der städtischen Bevölkerung zu schützen, müssen Grünflächen, Parks und Gemeinschaftsgärten ganz anders wahrgenommen und gefördert werden. Nicht nur als "Platz dazwischen", sondern unverzichtbares Element der Daseinsvorsorge. Das empfiehlt auch der SRU: Grünräume sollten ausgebaut und in Planungsprozessen viel stärker berücksichtigt werden, die Kommunen dabei finanziell unterstützt werden.
Das ist absolut sinnvoll, denn naturbasierte Lösungen in Städten sind wahre Multitalente: Sie sorgen dafür, dass Starkregen nicht Keller und Kanalisation flutet, sondern versickern kann. Sie schaffen Abkühlung an heißen Tagen, reinigen die Luft, sind Oasen der Erholung und soziale Treffpunkte. Stadtgrün hält Städte lebenswert, auch unter den Bedingungen der Klimakrise.
Das Bundesumweltministerium setzt sich seit langem für die Verbesserung der Natur auch im urbanen Bereich ein. Der Masterplan Stadtnatur hat in den letzten Jahren mehr Grün in die Städte gebracht. Darauf wollen wir nun aufbauen mit unserem Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz.
In Kürze wird zum Beispiel die Förderrichtlinie für Natürlichen Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum starten. In kommunalen Projekten sollen Flächen gezielt so genutzt werden, dass sie Klimaschutz und biologische Vielfalt fördern, ländliche Gebiete attraktiver machen und der Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise dienen.
Vom Stadtbaum bis zum Hochsee-Schutzgebiet: Jedes Stück intakte Natur trägt bei zur Bekämpfung der Dreifachkrise – und zur Gesundheit der Menschen. Diese Synergien sollten uns ein Ansporn sein, den Schutz der Natur weiter zu stärken und als Teil der Zukunftssicherung zu verstehen. Ich zähle auf weitere Impulse aus der Wissenschaft und freue mich, wenn Sie gemeinsam mit mir daran arbeiten.