Internationales Chemikalienmanagement
Das Global Framework on Chemicals (GFC)
Im September 2023 fand unter deutscher Präsidentschaft in Bonn die 5. Internationale Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM5) statt. Am Ende der Akteurs- und Sektor-übergreifenden Verhandlungen von ICCM5 stand die weichenstellende Verabschiedung des Global Framework on Chemicals (GFC) und der hochrangigen Bonn Declaration For a Planet Free of Harm from Chemicals and Waste. Im GFC ist die Vision eines Planeten frei von schädlichen Auswirkungen durch Chemikalien formuliert, die mit fünf strategischen Zielen und insgesamt 28 Unterzielen unterlegt ist. Es bildet neben unter anderem den Basel, Rotterdam und Stockholm Konventionen und der Minamata Konvention einen Grundpfeiler der multilateralen Umweltabkommen zur Bekämpfung der globalen Verschmutzungskrise. Anders als bei den letztgenannten, ist das GFC nicht völkerrechtlich verbindlich. Hervorzuheben ist jedoch, dass an den Verhandlungen zum GFC neben UN-Mitgliedstaaten auch zwischenstaatliche Organisationen, der Privatsektor und die Zivilgesellschaft als gleichberechtigte Partner beteiligt waren. Das GFC wurde im Konsens beschlossen und gilt als politisch verbindlich. Bei der nun anstehenden Umsetzung des GFC gilt es unter anderem, die Sektor übergreifende Zusammenarbeit zu stärken, die Schnittstellen zu anderen Umweltabkommen zu nutzen, das GFC in wichtigen Entscheidungsgremien der Vereinten Nationen zu verankern, und den Privatsektor stärker in die Verantwortlichkeit einzubinden. Wichtige Umsetzungsziele sind der Aufbau institutioneller Kapazitäten für den sicheren Umgang mit Chemikalien in allen Ländern der Welt, sowie die Umgestaltung der Produktion chemischer Produkte nach den Prinzipien einer Nachhaltigen Chemie.
Strategischer Ansatz im Internationalen Chemikalienmanagement (SAICM) als Wegbereiter zum GFC
Auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (VN) im Jahre 2002 in Johannesburg wurde vereinbart, dass bis 2020 Chemikalien so produziert und eingesetzt werden sollen, dass signifikante negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt minimiert werden (2020-Chemikalien-Ziel). Auf dem VN-Gipfel zu nachhaltiger Entwicklung 2015 in New York wurde das 2020-Ziel in erweiterter Form als Target 12.4 in die Sustainable Development Goals der Agenda 2030 aufgenommen. Dort heißt es nun, dass bis 2020 ein umweltverträglicher Umgang mit Chemikalien während ihres gesamten Lebenszyklus und allen Abfällen in Übereinstimmung mit den vereinbarten internationalen Rahmenregelungen erreicht und ihre Freisetzung in Luft, Wasser und Boden erheblich verringert werden soll, um ihre nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Um die internationale Zusammenarbeit zu übergreifenden Themen der Chemikaliensicherheit unter dem Dach der Vereinten Nationen zu ermöglichen und das 2020-Chemikalien-Ziel zu erreichen, hat im Jahre 2006 die erste internationale Konferenz zum Chemikalienmanagement, ICCM1, in Dubai den Strategischen Ansatz zum internationalen Chemikalienmanagement (englisch "Strategic Approach to International Chemicals Management, SAICM") beschlossen. SAICM war ein völkerrechtlich nicht verbindliches, Sektoren- und Stakeholder-übergreifendes politisches Rahmenwerk zum Chemikalienmanagement. Es komplettierte die völkerrechtlich verbindlichen Abkommen im Chemikalien- und Abfallbereich, namentlich die Übereinkommen von Rotterdam, Stockholm und Minamata sowie das Montrealer Protokoll, die zusammen eine vergleichsweise kleine Zahl von Substanzen regulieren, und das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung. SAICM sollte die durch die verbindlichen Übereinkommen verbliebenen Regelungslücken schließen und zielte auf zwei Kernelemente: die weltweite Etablierung staatlich institutionalisierter Chemikalienkontrollsysteme und den verantwortungsvollen Umgang mit besorgniserregenden, international nicht verbindlich geregelten Themen wie zum Beispiel Arzneimittel in der Umwelt, Einsatz gefährlicher Pestizide in der Landwirtschaft oder Umgang mit Elektroschrott.
Nach Beschluss von SAICM durch ICCM1, erfolgte auch die weitere Steuerung und Überwachung des SAICM-Prozesses durch die Internationale Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM). Als Beschlussfassungsorgan der Entscheidungsträger für die Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder und Sektoren zu übergreifenden Fragen der internationalen Chemikaliensicherheit war ICCM vergleichbar mit der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) anderer internationaler Umweltabkommen. Zur Unterstützung der praktischen Umsetzung des Strategischen Ansatzes wurde beim Umweltprogramm der VN (UNEP) in Genf das SAICM-Sekretariat eingerichtet.
Bis zum Zieljahr 2020 wurden die SAICM-Ziele nicht erreicht. Das hat der von UNEP verfasste Global Chemicals Outlook II im April 2019 ausdrücklich bestätigt. Das Mandat von SAICM lief zum Ende des Jahres 2020 aus und die Entscheidung über die Zukunft des internationalen Chemikalien- und Abfallmanagements nach 2020 wurde an ICCM5 unter deutscher Präsidentschaft übertragen. Ursprünglich sollte ICCM5 im Jahr 2020 stattfinden, musste aufgrund der Corona-Pandemie zunächst auf das Jahr 2021, und schließlich auf September 2023 verschoben werden. Zur Vorbereitung auf ICCM5 wurde im Jahr 2015 durch ICCM4 ein intersessionaler Vorverhandlungsprozess (IP) einberufen. Es fanden insgesamt vier IP Sitzungen statt, der letzte direkt im Vorfeld von ICCM5. In diesen Vorverhandlungsrunden wurden die Dokumente für eine Erneuerung von SAICM vorbereitet. Durch ICCM5 wurde diese Erneuerung, das Global Framework on Chemicals (GFC, siehe oben) schließlich beschlossen.
Implementierung des GFC für eine Welt frei von Schäden durch Chemikalien und Abfälle
Nach der Errungenschaft, das GFC als ambitioniertes Rahmenwerk zur Bekämpfung der Verschmutzungskrise ins Leben zu rufen, gilt es für die internationale Akteursgemeinschaft nun, die darin festgelegten Ziele umzusetzen. Die Steuerung der GFC Implementierung erfolgt, wie zuvor für SAICM durch ICCM, nun durch die Internationale Konferenz (IC). IC1 findet im Jahr 2026 unter pakistanischer Präsidentschaft statt. Eines der Hauptziele des GFC, wie auch zuvor von SAICM, bleibt die Stärkung von Kapazitäten im sicheren Umgang mit Chemikalien, vor allem in Ländern des Globalen Südens. Zur Finanzierung dieser Aktivitäten wurde durch ICCM5 eigens der GFC Fund ins Leben gerufen, der sich aus freiwilligen Finanzbeiträgen von Mitgliedstaaten und anderen Akteuren speist. Seit Oktober 2024 können dort von Ländern des Globalen Südens Projektanträge zur GFC-Umsetzung eingereicht werden. Weitere Fonds, die einen global sicheren Umgang mit Chemikalien fördern, sind das bei UNEP angesiedelte Special Programme, sowie die Globale Umwelt Fazilität (GEF). Eine wesentliche Bedeutung für die Umsetzung des GFC hat die Sektoren-übergreifende Zusammenarbeit. Das Inter-Organization Programme for the Sound Management of Chemicals (IOMC) spiegelt dies auf Ebene der VN Organisationen wider. Zu den IOMC Mitgliedsorganisationen zählen die WHO, FAO, UNITAR, UNDP, UNIDO, UNEP, die Weltbank, die OECD, ILO sowie das Sekretariat der Basel Rotterdam und Stockholm Konventionen. IOMC wurde bereits 1995 gegründet mit dem Ziel, den global sicheren Umgang mit Chemikalien zu unterstützen und für dessen Bedeutung in den Mitgliedsorganisationen Aufmerksamkeit zu erzeugen. Im Rahmen der GFC-Implementierung unterstützt IOMC die Entwicklung von Implementierungsprogrammen, die durch ICCM5 als wichtiges Vehikel für die Umsetzung des GFC beschlossen wurden. Eine Herausforderung bei der Bekämpfung der Verschmutzungskrise bleibt die fehlende politische und öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema, und damit verbunden auch fehlende Finanzmittel. Um diese Herausforderung anzugehen hat BMUV in Zusammenarbeit mit IOMC im September 2024 das 3. Berlin Forum on Chemicals and Sustainability – Implementing the Global Framework on Chemicals veranstaltet. Ein Jahr nach Verabschiedung des GFC wurde an dem hochrangigen Forum eine erste Bilanz zum Stand der Implementierung gezogen, sowie mit neuen Akteuren aus dem Privatsektor und dem Finanzsektor diskutiert.