Rede von Bettina Hoffmann beim Parlamentarischen Abend des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung

17.01.2023
Dr. Bettina Hoffmann hat bei dem Parlamentarischen Abend des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung eine Rede zur Umsetzung der neuen internationalen Ziele in Deutschland gehalten.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Willingmann,
Sehr geehrte Frau Bonn,
Sehr geehrter Herr Bandt,
Sehr geehrter Herr Jahn,
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, heute Abend bei Ihnen sein zu können. Wie Sie dem heutigen Programm entnehmen können, hätten die Ministerin Steffi Lemke diesen Termin sehr gerne auch selbst wahrgenommen. Auf Grund eines wichtigen Termins mit ihren Kabinettskollegen musste sie leider für heute absagen, lässt aber ihre besten Grüße an Sie ausrichten.

Vor ziemlich genau einem Monat, in den frühen Morgenstunden des 19. Dezember, haben wir in Montreal eine globale Trendwende für die biologische Vielfalt beschlossen. Die Staatengemeinschaft hat sich nach langen und anstrengenden Verhandlungen dafür entschieden, das Artenaussterben endlich zu stoppen. Das ist ein riesiger Erfolg für die Natur! In gleich dreifacher Hinsicht:

Die Vereinbarung von Montreal ist erstens ein Erfolg, weil sie klare, ehrgeizige Ziele festschreibt. Mindestens 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresfläche werden bis 2030 unter Schutz gestellt, 30 Prozent der geschädigten Naturräume wiederhergestellt. Die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide und gefährliche Chemikalien wird bis 2030 halbiert. Biodiversitätsschädliche Subventionen in Höhe von 500 Milliarden Dollar werden abgebaut. Das sind nur einige Beispiele.

Ein Erfolg ist zweitens, dass es gelungen ist, dieses Mal konkrete Mechanismen für Umsetzung, Monitoring und Kontrolle zu beschließen, inklusive einer angemessenen Finanzierung.

Und für mich war – drittens – die Konferenz auch deshalb ein großer Erfolg, weil das Interesse von Medien und Öffentlichkeit riesig war. Viele Menschen haben erstmals verstanden, welche Gefahren das Artenaussterben birgt, aber auch welche Chancen in einer intakten Natur liegen. Das wird uns bei der Umsetzung helfen. Mir – und auch der Ministerin – ist wichtig, dass wir jetzt schnell mit der Umsetzung beginnen, denn bis 2030 ist nicht mehr viel Zeit.

Vier Bereiche möchte ich nennen, in denen wir im Umweltministerium die Trendwende angehen.

Erstens: Die Neuauflage unserer Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030. Diese Strategie wird unser Kompass für die Umsetzung Und sie wird die gesamte Bundesregierung zu naturverträglichem Handeln verpflichten. Die Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 wird – die nationalen Ziele bündeln, – sie in einem Aktionsplan mit Maßnahmen unterlegen – und wie die Vereinbarung von Montreal einen Mechanismus zur Kontrolle und Nachsteuerung enthalten. Die Vorschläge des Bundesumweltministeriums für Ziele und Maßnahmen möchten wir zeitnah öffentlich zur Diskussion stellen. Ein Kabinettsbeschluss zur Strategie ist derzeit für 2024 avisiert.

Der zweite Bereich für eine Trendwende sind die Schutzgebiete und die Wiederherstellung degradierter Flächen. Zahlenmäßig steht Deutschland schon jetzt gut da. Große Flächenanteile an Land und im Meer sind unter Schutz gestellt. Deutlichen Verbesserungsbedarf gibt es aber bei Qualität und Management. Wir werden deshalb einen klaren Schwerpunkt auf die qualitative Fortentwicklung unserer bestehenden Schutzgebiete legen. Die angestrebten globalen Schutzgebietsziele stehen in engem Zusammenhang mit denen der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030. Insbesondere bei den Schutzgebieten an Land ist die Umsetzung in Deutschland für die zuständigen Bundesländer eine große Herausforderung.

Klar ist: Alle vereinbarten Maßnahmen müssen auf Dauer angelegt und eindeutig auf Naturschutzziele ausgerichtet sein.

Um das sicherzustellen, werden wir mit den Ländern einen Aktionsplan Schutzgebiete aufstellen. Bund und Länder arbeiten auch daran, dass Lebensräume bei Bedarf wiederhergestellt werden. Dass also Moore wiedervernässt, Wälder zu naturnahen Mischwäldern umgebaut und Meeresökosysteme wieder vielfältig werden.

Das bringt uns auch unserem anderen großen Ziel näher, einem starken natürlichen Klimaschutz. Der EU-Vorschlag für eine Wiederherstellungsverordnung macht dafür sinnvolle und aus meiner Sicht dringend notwendige Vorgaben.

Uns als BMUV ist wichtig, dass wir in Kooperation mit den Landbesitzenden handeln. Wenn durch Bewirtschaftungsumstellungen Einkommensverluste entstehen, sollten Kompensationen angeboten werden. Naturschutz sichert langfristig die landwirtschaftliche Produktion, denn eine intakte Natur ist widerstandsfähiger zum Beispiel gegenüber Hitze und Trockenphasen.

Das ist eng verknüpft mit meinem dritten Punkt für eine Trendwende: der Halbierung des Pestizideinsatzes, und insgesamt einer naturverträglichen Landwirtschaft.

Darüber haben die Ministerin und ich heute beim BMUV-Agrarkongress gesprochen, darum wird es nächste Woche auf der Grünen Woche gehen. Die intensive Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher des Verlusts der Artenvielfalt. Pestizide, Monokulturen und Überdüngung schaden unter anderem Pflanzen, Vögeln, Insekten und Mikroorganismen im Boden. Und damit schadet die Landwirtschaft sich selbst.

Deswegen ist es gut, dass Umwelt- und Landwirtschaftsministerium an einem Strang ziehen, um die Landwirtschaft zu einem Teil der Lösung zu machen.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dass der Einsatz von Pestiziden deutlich reduziert werden soll. Die in Montreal beschlossene Halbierung der Risiken durch den Pestizideinsatz gibt diesem Vorhaben wichtigen Rückenwind.

Ich freue mich daher, dass das Landwirtschaftsministerium bereits an einem Gesamtkonzept arbeitet, mit dem bis 2030 die Verwendung und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland um 50 Prozent reduziert werden soll.

Mein Haus wird das BMEL in diesem Vorhaben konstruktiv unterstützen. Gleiches gilt für ein Anreizsystem für eine Optimierung der Stickstoff-Effizienz beim Düngen, wie es auch die Zukunftskommission Landwirtschaft empfohlen hat. Mein vierter und letzter Punkt: eine solide Finanzierung.

Die globale Trendwende zur Wiederherstellung der Natur wird ein Kraftakt, und sie wird Geld kosten. Die Bundesregierung wird deshalb ab 2025 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen, um die Länder des globalen Südens bei der Umsetzung der Montrealer Vereinbarung zu unterstützen.

Damit leisten wir unseren Beitrag zur Einhaltung der Finanzzusagen aus Montreal: Global sollen 30 Milliarden Dollar pro Jahr ab 2030 für den Schutz der biologischen Vielfalt in den globalen Süden fließen, 20 Milliarden Dollar bereits ab dem Jahr 2025 – staatliche und private Mittel. National fördert die Bundesregierung die Verbesserung des Zustands der Ökosysteme zum Beispiel aus dem Bundesnaturschutzfonds und dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), das derzeit mit insgesamt vier Milliarden Euro bis 2026 ausgestattet ist.

Eine wichtige Stellschraube ist der in Montreal beschlossene Abbau von naturschädigenden Subventionen. Das Thema möchte ich auch in Deutschland aktiv angehen. Im Koalitionsvertrag ist bereits vereinbart, überflüssige, umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben im Haushalt abzubauen.

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat das Bundeskabinett bereits im Dezember beschlossen: Jede Haushaltsausgabe soll künftig auf Vereinbarkeit mit den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen geprüft werden. Zusätzlich brauchen wir das Engagement von Privatwirtschaft und Finanzsektor. Dazu müssen Investorinnen und Investoren nachvollziehen können, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf die Natur haben. Hier sind die EU-Regelungen zu Sustainable Finance sowie die Arbeiten an internationalen Offenlegungsstandards wichtige Hebel, die wir verstärkt nutzen wollen.

Die Vereinbarung von Montreal war kein Schlusspunkt, sondern ein Startschuss – und sie hat mir und vielen im Naturschutz Engagierten nochmal einen großen Motivationsschub gegeben und Rückenwind für die kommenden politischen Vorhaben. Spätestens seit Montreal wissen wir genau, was zu tun ist. Für das Umweltministerium kann ich sagen: Wir freuen uns darauf, jetzt mit voller Kraft in die Umsetzung zu gehen!

Informationen

Natürlicher Klimaschutz

Natur stärken – Klima schützen

17.01.2023 | Rede Naturschutz

Weitere Informationen

https://www.bmuv.de/RE10440
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