– Es gilt das gesprochene Wort –
Lieber Cem Özdemir,
liebe Elizabeth Mrema,
liebe Frau Professorin Maja Göpel,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich Willkommen hier vor Ort und im Livestream zum diesjährigen Agrarkongress des Bundesumweltministeriums. Ich freue mich, dass Sie alle dabei sind und damit den Dialog für eine zukunftsfähige Landwirtschaft unterstützen.
Das Jahr ist noch jung und damit verbinden sich viele gute Wünsche. Vor allem sind das Frieden und Freiheit für die Ukraine. Es sind ja nicht nur die hohen Energiepreise und die Inflation, die uns infolge des russischen Angriffskrieges belasten. Die Freiheit der Ukraine ist auch unsere Freiheit. Deshalb wird die Bundesregierung auch in diesem Jahr alles tun, damit die Menschen in der Ukraine wieder in Frieden und Freiheit leben können.
Der russische Angriff hat die Nahrungsmittelversorgung in vielen Teilen der Welt gefährdet. Lebensmittel wurden von Russland in erpresserischer Weise eingesetzt. Das hat uns einerseits vor Augen geführt, welche Bedeutung unsere einheimische Landwirtschaft hat, um die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung zu sichern. Andererseits sind dabei noch einmal und verstärkt die Schwächen des bestehenden Agrar- und Ernährungssystems offener denn je zu Tage getreten – vor allem in den heißen Dürremonaten. Die drei großen globalen ökologischen Krisen: Klimakrise, Artenaussterben, Verschmutzungskrise gefährden mittlerweile die Grundlagen der Landwirtschaft und unserer Ernährung.
Ernährungssicherung und Umweltschutz sind deshalb keine Alternativen, sie bedingen einander. Und so sind auch die Lösungen für diese Krisen untrennbar miteinander verbunden.
Cem Özdemir und ich folgern daraus: Gerade krisenhafte Zeiten erfordern den Schulterschluss von Umwelt und Landwirtschaft.
Deshalb ist es sehr gut, dass wir im vergangenen Jahr die „strategische Allianz“ zwischen BMUV und BMEL untermauert haben, die wir auf dem letzten Agrarkongress geschlossen hatten: Wir überwinden festgefahrene Positionen der Vergangenheit und gestalten die Zukunft gemeinsam. So konnten wir in den letzten 12 Monaten diverse Knoten durchschlagen und Erfolge erbringen für den Umweltschutz und für die Landwirtschaft, zum Beispiel bei der Umsetzung der Nitratrichtlinie oder beim Moorschutz. Fortsetzung folgt!
Die Erkenntnis, dass Landwirtschaft und Umweltschutz nur gemeinsam funktionieren, setzt sich langsam auch weltweit durch. Deutlich wurde das ganz am Ende des letzten Jahres mit dem globalen Abkommen zum Schutz der Natur, das wir auf der Weltnaturkonferenz in Montreal beschlossen haben. Die Staatengemeinschaft hat dort einen Schutzschirm aufgespannt für unsere Natur. Ein unerwartet großer Erfolg. Trotz aller globaler Krisen hat sich die Weltgemeinschaft als einigungs- und handlungsfähig gezeigt. Das war unbeschreiblich wichtig und bietet jetzt die große Chance, die notwendigen Veränderungen gemeinsam anzugehen.
Deutschland steht jetzt mit allen knapp 200 Staaten im Wort, diese Vereinbarung umzusetzen. Das ist Chance und Herausforderung zugleich. Das hat unmittelbare Auswirkungen, auch auf die Landwirtschaft.
Drei Handlungsfelder will ich hervorheben:
Erstens: Nährstoffüberschüsse und das Risiko von Pestizideinsätzen sollen bis 2030 halbiert werden. Das ist ein ganz großer Erfolg von Montreal. Dieses Ziel gilt weltweit. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene arbeiten wir bereits an der Umsetzung dieser Herausforderung. Die internationalen Ziele geben dafür zusätzlichen Rückenwind. Ich erwarte, dass Deutschland und Europa entschieden und schnell vorangehen. Umwelt- und Landwirtschaftsseite arbeiten dabei eng zusammen.
Zweitens: Künftig sollen ökologische Ansätze und Produktionsweisen, die die biologische Vielfalt schützen, die Widerstandskraft landwirtschaftlicher Systeme stärken und damit einen Beitrag zur Ernährungssicherung leisten. Umfassender und nachhaltiger Pflanzenschutz ermöglicht eine erhebliche Reduzierung von Pestiziden. Das ist auch für den Schutz der Biodiversität von großer Bedeutung.
Drittens: In Montreal haben wir einen Aktionsplan zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt im Boden beschlossen. Das hebe ich auch deshalb hervor, weil es mir ein ganz besonderes Anliegen ist, den Bodenschutz stärker ins Bewusstsein zu rücken und umzusetzen – so auch mit diesem Kongress. Böden sind die Grundlage allen Lebens.
- Gesunde Böden schützen gegen Austrocknung, indem sie das Wasser in der Fläche halten und speichern. Sie tragen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung bei und helfen Extremwetterereignisse abzumildern.
- Gesunde Böden sind Hort der biologischen Vielfalt. Ein Teelöffel Boden enthält mehr Organismen, als Menschen auf der Erde leben. Diese Organismen machen Böden erst fruchtbar und ertragreich.
- Gesunde Böden sind außerdem unverzichtbar für unsere Anstrengungen im Klimaschutz. Sie sind wichtiger Kohlenstoff-Speicher und essentiell für die Abfederung der Folgen der Klimakrise, seien es Dürren oder Starkregenereignisse.
Doch unsere Böden sind gefährdet durch Bodenverdichtung und zu enge Fruchtfolgen, durch den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und natürlich durch die Folgen der Klimakrise.
Ich will den Bodenschutz entschlossen vorantreiben: Eine nachhaltige, bodenschonende Landwirtschaft muss zum neuen Standard werden. Im Rahmen der Klimavorsorge will ich Böden schützen vor Verdichtung, Erosion, Humusverlust und wo immer möglich dafür sorgen, dass gesunde Böden wiederhergestellt werden. Daher wird das Umweltministerium zum Beispiel aktiv mitarbeiten an der geplanten neuen europäischen Bodenschutzregelung, wir werden das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz ins Kabinett bringen und prüfen derzeit auch an Änderungen am deutschen Bodenschutzrecht.
- Denn gesunde Böden werden immer knapper - Stichwort: Flächenverbrauch. Der anhaltende Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche und die damit einhergehende Bodenversiegelung zerstören unsere Lebensgrundlage Boden. Wir müssen endlich lernen, mit dem Boden besser zu haushalten; auch mit Blick auf die kommenden Generationen.
- Vor allem ist der dramatische Verlust fruchtbarster Ackerböden und Grünländereien nicht länger hinnehmbar. Ich will, Cem Özdemir und ich wollen, dass diese Flächen stärker als bisher für die Landwirtschaft erhalten bleiben. Von daher überlegen wir im BMUV, ob es zweckmäßig wäre, landwirtschaftliche Vorrangflächen auszuweisen – also Bodenschutzgebiete, um die Böden vor Überbauung besser zu schützen und Eingriffe stärker zu kompensieren. Auch darüber möchten wir in den Dialog mit der Gesellschaft treten.
Die Beschlüsse von Montreal geben uns eine Reihe von Hausaufgaben auf. Das gilt für alle Länder und ich bin gespannt, was Elizabeth Mrema gleich dazu ausführen wird. Für uns in Deutschland will ich zwei Dinge hervorheben:
- Die Umsetzung der globalen Ziele mit einer Überarbeitung der nationalen Biodiversitätsstrategie ist bereits in die Wege geleitet. Hier will ich alle relevanten Stakeholder in den nationalen Dialogprozess einbinden. Auch an Sie geht die herzliche Einladung, sich hier aktiv einzubringen. Gleiches gilt für die Umsetzung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz.
- Ich freue mich außerdem auf die Fortführung der strategischen Allianz von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium. Dieser engen Zusammenarbeit dient auch das neue Dialognetzwerk zukunftsfähige Landwirtschaft, das gemeinsam von BMEL und BMUV getragen wird.
auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ernährungs- und Landwirtschaft sind weitreichende Veränderungen notwendig. Wir müssen weg von der industrialisierten Landwirtschaft, die durch Gentechnik, seien es klassische oder neue gentechnische Methoden, noch befeuert werden soll, hin zu einem ganzheitlich nachhaltigen System. Da weist das Bestreben der EU-Kommission, für Pflanzen, die mit neuen Gentechniken hergestellt sind, die Risikoprüfung wegzulassen leider nicht den richtigen Weg. Wenn wir mit dieser Technologie arbeiten, muss das Vorsorgeprinzip und die Risikoprüfung beibehalten werden.
Wir werden uns auch anderen Herausforderungen stellen müssen, zum Beispiel der Weiterentwicklung der europäischen Agrarförderung und -politik und dem Umbau unseres Ernährungssystems. Denn die erforderlichen Veränderungen in der Landwirtschaft sind ohne Änderungen der bestehenden Förderpolitik und Änderungen an unserem Ernährungssystem nicht zu schaffen. Mehr pflanzliche Lebensmittel auf dem Teller könnten den Druck auf unsere biologische Vielfalt, unsere Böden und das Klima massiv reduzieren. Ich begrüße es daher, dass Cem Özdemir mit den Eckpunkten für eine Ernährungsstrategie für diese Änderungen den Startschuss gegeben hat. Ich möchte dich dabei aus meinem Haus heraus wirklich gerne unterstützen.
Ein wichtiger Punkt zum Schluss: In Zeiten multipler Krisen – Artenaussterben, Klimakrise, Ernährungskrise – gilt in ganz besonderem Maße: Pflanzen gehören auf den Teller, nicht in den Tank, wenn wir sie konsumieren. Deshalb sind Agrokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen keine zukunftsfähige Option. Deshalb ist Palmöl seit dem 1. Januar 2023 aus dem Tank verbannt. Das ist gut und das ist richtig. Und deshalb heißt der nächste Schritt: Ausstieg aus Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen.
Agrosprit steht für Flächenverbrauch und Verlust von biologischer Vielfalt. Um nur rund vier Prozent des fossilen Kraftstoffs im deutschen Straßenverkehr zu ersetzen, wird im In- und Ausland eine Fläche verbraucht, die 20 Prozent der deutschen Ackerfläche entspricht. Das ist nicht zukunftsfähig.
Ich möchte, dass wir den Einsatz von wirklichen Biokraftstoffen aus Abfall, aus Reststoffen, aus Speiseöl verstärken. Hier haben wir noch Potential und Chancen, damit die Treibhausgasquote im Verkehr eingehalten werden kann. Deshalb werden wir so schnell wie möglich die gesetzlichen Grundlagen für den Ausstieg aus Agrokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen ins Kabinett einbringen.
Auf all diesen genannten Gebieten werden wir nur durch aktives Handeln vorankommen. Das geht am besten zusammen. Es geht schließlich um unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen und um die Grundlagen einer Landwirtschaft.
Ich würde mich deshalb freuen, wenn von diesem Kongress ein Signal der Zusammenarbeit und Unterstützung ausgeht für all die vielen konkreten Vorhaben, die wir im nächsten Jahr gemeinsam beackern werden.
Vielen Dank!