Marine Raumordnung
Raumplanung und damit auch marine Raumordnung soll Nutzungskonflikte vorsorgend minimieren, indem sie miteinander in Konflikt stehende Nutzungen koordiniert und Freiräume bewahrt. Das Meer war lange Zeit kein Raum für industrielle Nutzungen in größerem Maßstab. Seine traditionellen Nutzungen sind vor allem die Schifffahrt und die Fischerei. Durch die Installation von ortsfesten und großtechnischen Anlagen zur Rohstoffgewinnung (Öl- und Gasförderung) oder Energieerzeugung (Offshore-Windenergie) verändern sich diese Nutzungsmuster in neuerer Zeit in größerem Ausmaß. Im Zuge des damit verbundenen, stetig wachsenden Nutzungsdrucks ist nicht nur das Erfordernis der Entwicklung und Etablierung einer marinen Raumordnung gestiegen, sondern auch die raumordnerische Berücksichtigung von Schutzansprüchen der Meeresnatur.
Marine Raumordnung kann auf einer übergeordneten Ebene diese ständig zunehmende Nutzungsintensität im Meer ordnen, eine nachhaltige Raumentwicklung unterstützen und dadurch auch ein wirkungsvolles begleitendes Instrument für den Meeresnaturschutz sein. Durch das Inkrafttreten der EU-Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens zur maritimen Raumplanung im Jahr 2014, die unter anderem die Anwendung eines Ökosystemansatzes in der marinen Raumordnung vorgibt, eröffnen sich hierfür aktuell und auch zukünftig Handlungsoptionen für den Meeresnaturschutz.
Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee
Bereits 2004 wurde dem Bund die Aufgabe übertragen, nach Maßgabe des Bundesraumordnungsgesetzes (ROG) eine Raumordnung für die deutsche AWZ von Nord- und Ostsee zu entwickeln. Die politische Initiative zur Entwicklung einer marinen Raumordnung geht auf einen Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung aus dem Jahr 2001 zurück. Darin wurde der Bund aufgefordert, in Abstimmung mit den Ländern und den Nachbarstaaten eine Raumentwicklungsstrategie für die deutsche AWZ zu erarbeiten.
Um Nutzungs- und Schutzkonflikte zu minimieren, hat der Bund (das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) im Jahr 2009 raumplanerische Vorschriften für die deutsche AWZ in Form von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung, durch die einzelne Nutzungen räumlich begrenzt oder konzentriert werden.
Diese Vorschriften wurden 2021 vom zuständigen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fortgeschrieben und dabei auf alle aktuellen in der deutschen AWZ raumbeanspruchenden Meeresnutzungen ausgeweitet. Im Rahmen dieser Fortschreibung wurden auch die Belange des Meeresnaturschutzes als Ziele und Grundsätze in der Meeresraumordnung verankert. So wurden u.a. alle Schutzgebiete in der deutschen AWZ als Vorranggebiete für den Naturschutz raumplanerisch festgeschrieben. Hinzu gekommen sind darüber hinaus raumordnerische Vorgaben für geschützte Arten, zu denen Schweinswale und Seetaucher zählen, für die Vorbehaltsgebiete festgelegt wurden.
Diese und weitere raumordnerische Sicherungen für den Naturschutz tragen dazu bei, dem Ökosystemansatz in der marinen Raumordnung mehr Geltung zu verschaffen und den Belangen des Meeresnaturschutzes in der deutschen AWZ künftig stärker Rechnung zu tragen.
Zuständige Behörde für die Meeresraumplanung in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH).
Instrumente und Aufgaben der Meeresraumordnung aus Sicht des Meeresnaturschutzes
Wichtige Instrumente für eine räumliche Ordnung im Meer sind aus naturschutzfachlicher Sicht unter anderem vor allem die raumordnerische Sicherung von Schutzgebieten und Wanderkorridoren zur Wahrung und Entwicklung der Funktionsfähigkeit der Meeresnaturräume und ihrer Schutzgüter sowie die effektive Berücksichtigung von Meeresschutzaspekten im Rahmen der räumlichen Planung und Steuerung bestimmter Meeresnutzungen. Eine nachhaltige Raumentwicklung der Meere sollte dabei jedoch stets in den Grenzen der Tragfähigkeit der Meeresnatur stattfinden.
Aus Sicht eines wirksamen Meeresnaturschutzes zählen zu den wesentlichen Aufgaben einer Meeresraumordnung für die deutsche AWZ von Nord- und Ostsee unter anderem
- der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen vor – diese Grundlagen gefährdenden – Nutzungsansprüchen,
- die planerische Sicherung von Räumen für die weitere Entwicklung der Meeresnatur auch im Sinne der Ziele der EU-Meeresstrategierahmenrichtlinie, in der für das Jahr 2020 die Bewahrung oder – soweit erforderlich – das Erreichen eines guten ökologischen Zustandes der Meeresbereiche in der Europäischen Union formuliert ist,
- die Identifikation von Räumen für umweltverträgliche Nutzungen sowie die Abstimmung der Durchführung der Meeresnutzungen mit den Schutzbedürfnissen der marinen Umwelt durch geeignete Maßnahmen der räumlichen Planung. Hier werden Strategien der Mehrfachnutzung des begrenzten Meeresraumes in deutschen AWZ künftig eine größere Rolle spielen.
Aktivitäten des Meeresnaturschutzes in der marinen Raumordnung
Für eine auch künftig erforderliche angemessene Integration von meeresökologischen und -naturschutzfachlichen Belangen sowie zur Umsetzung des Ökosystemansatzes in der marinen Raumordnung wurden im Geschäftsbereich des BMUV unter anderem Forschungsprojekte zur Entwicklung von raumordnerisch relevanten Schutzzielen für die Meeresnatur durchgeführt und naturschutzfachliche Aspekte in die Entwicklung einer transnationalen Raumordnung in Nord- und Ostsee auf EU-Ebene, im Rahmen der regionalen Meeresschutzübereinkommen OSPAR und HELCOM sowie in nationale Prozesse von Planaufstellungen, Planänderungen, Leitbildentwicklungen und Rechtsnovellierungen eingebracht.
Zur Integration meeresnaturschutzfachlicher Belange in die marine Raumordnung der deutschen AWZ von Nord und Ostsee hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) im Jahr 2021 seinen Naturschutzfachlichen Planungsbeitrag aus dem Jahr 2006 aktualisiert.