Zusammenarbeit mit den Staaten des Westbalkans

Die Beitrittskandidaten des Westbalkans, die sogenannten Westbalkan 6 (WB6) bestehend aus Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, nähern sich mehr denn je der EU an. Mit Bosnien-Herzegowina wurden im März 2024 die Beitrittsverhandlungen mit dem nunmehr fünften Beitrittskandidaten eröffnet. Lediglich der Kosovo wartet nach Einreichung des Mitgliedsantrages im Juni 2022 noch auf den Erhalt des offiziellen Status eines Beitrittskandidaten. Seit April 2016 besteht jedoch ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zwischen der EU und dem Kosovo, um das Land bei seiner Annäherung an europäische Strukturen zu unterstützten. 

Um die WB6 auf ihrem Weg zur europäischen Integration zu unterstützen und die regionale Zusammenarbeit zu fördern, wurde bereits 2014 auf Initiative Deutschlands der Berliner-Prozess ins Leben gerufen. Neben Deutschland und den WB6 partizipieren weitere EU-Mitgliedstaaten sowie EU- und zivilgesellschaftliche Institutionen im Berliner Prozess. Dahingehend stellte der Gipfel von 2020 mit der Verabschiedung der Sofia-Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Grünen Agenda für den Westbalkan (GWAB; in der Fassung Grüne Agenda) einen Meilenstein dar. Die Erklärung formuliert eine Vision für eine Wirtschaft, die nachhaltige Entwicklung, Ressourceneffizienz, Natur- und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt. Dazu fordert sie Maßnahmen, um die Herausforderungen in Bezug auf die wachsenden Umwelt- und Klimaherausforderungen angemessen und rechtzeitig anzugehen und in Chancen umzuwandeln.

Der Grünen Agenda liegt der Aktionsplan für die Jahre 2021 bis 2030 zu Grunde. Der Aktionsplan identifiziert konkrete Schritte sowie unterstützende Organisationen und definiert einen Zeitrahmen für jede umzusetzende Maßnahme. Auf diese Weise legt der Aktionsplan den Rahmen fest, um die praktische Umsetzung der Grünen Agenda zu koordinieren, zu unterstützen und deren Umsetzungsstand nachzuverfolgen. Die Koordination und Unterstützung obliegt dabei dem Regional Cooperation Council (RCC). Die Hauptverantwortung für die Umsetzung im Sinn einer sektorübergreifenden und interinstitutionellen Zusammenarbeit liegt hingegen bei den zuständigen Institutionen der WB6, wobei nach dem multi-Stakeholder-Prinzip auch die Zivilgesellschaft miteinbezogen wird. Der Aktionsplan ist so strukturiert, dass er die sieben Säulen der Sofia-Erklärung (Klimaschutz, Energie, Verkehr, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung, nachhaltige Landwirtschaft und Natur- und Biodiversitätsschutz) widerspiegelt, die in fünf Säulen zusammengefasst sind. Dadurch sollen die die Energie-, Klima- und Umweltziele/-ambitionen der WB6 für 2030 im Einklang mit den mittelfristigen Zielen der EU gebracht werden. Die Auslegung auf zunächst zehn Jahre ermöglicht es, den Aktionsplan regelmäßig entsprechend neuer Anforderungen und Prioritäten anzupassen, ohne das Ambitionsniveau zu verringern. Dabei berücksichtigt der Aktionsplan die wichtigsten politischen Prozesse, internationalen Rahmenwerke und Abkommen sowie insbesondere legislative und nichtlegislative Rechtsakte, die auf EU-Ebene verabschiedet wurden. Dazu gehören der European Green Deal (EGD) inklusive unter anderem dem europäischen Rahmen für Energie- und Klimapolitik, den Zero Pollution- und Circular Economy-Aktionsplänen, der EU-Biodiversitäts- und Farm-to-Fork-Strategien sowie das Ziel, die Treibhausgasemissionen (THG) um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Außerdem bezieht er die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen und die Ziele des Pariser Klimaabkommens mit ein.

Das erste Grüne Agenda Ministertreffen fand am 8. Oktober 2024 im Rahmen der Hamburg Sustainability Conference (HSC) back to back zum Berlin Prozess Gipfel statt. Hierzu eingeladen hatten der Regionale Kooperationsrat (RCC) und BMZ. Von deutscher Seite nahmen Bundesministerin Svenja Schulze (BMZ), Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Bettina Hoffmann (BMUV), sowie der Sondergesandte der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans, Manuel Sarrazin, teil. BMUV hat gezielt für die Stärkung des Natur- und Biodiversitätsschutzes im Kontext des EU-Beitrittsprozesses geworben und damit die Grundlage zur künftigen Zusammenarbeit mit den WB6 im Rahmen des Berlin Prozess und der Grünen Agenda gelegt.

IPA (Instrument for Pre-Accession Assistance)

Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Länder im Westbalkan ist die EU-Heranführungshilfe IPA (Instrument for Pre-Accession Assistance). Es dient dazu, aktuelle und potenzielle Beitrittskandidaten an die EU heranzuführen. Die IPA-Finanzmittel versetzen die Länder in die Lage, notwendige Reformen durchzuführen, um sich so an die EU anzunähern. Für den Aufbau der nötigen Verwaltungskapazitäten und die Annäherung der Gesetzgebung an die Standards der EU hat sich das Instrument der Verwaltungspartnerschaften (EU-Twinning) zwischen EU-Mitgliedstaaten und den Ländern der Region als sehr wirksam erwiesen. Das Bundesumweltministerium hat sich an EU-Twinning-Projekten im Westbalkan beteiligt, zum Beispiel zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Serbien und Kroatien sowie zur Umsetzung von Luftqualitätsmanagement und Chemikaliensicherheit in Serbien. Auch für künftige Umwelt-Twinning-Projekte in dieser Region wird es sich zur Verfügung stellen. 

Projektbeispiele

Das Bundesumweltministerium arbeitet außerdem im Rahmen des Beratungshilfeprogramms mit den Ländern des Westbalkans zusammen. Je nach Bedarf werden Projekte beispielsweise aus den Bereichen Wasserwirtschaft und Gewässerschutz, Umwelttechnologien/Wirtschaft sowie Klimaschutz und Energie gefördert. So wird beispielsweise mit den WB6 und zwei weiteren Staaten der dinarischen Region eine transnationale Austauschplattform für die Koexistenz mit Beutegreifern auf dem Dinarischen-Balkan-Pindos aufgebaut. Das Sekretariat der 2021 initiierten Plattform ermöglicht es, weitreichende gemeinsame Aktivitäten für das Management von Großraubtieren durchführen. Dazu zählen Lobbyarbeit und Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau um die Zusammenarbeit bei zum Beispiel ⁠Monitoring⁠, Managementplanung oder Konfliktreduzierung zu verbessern.. In einem länderübergreifenden Projekt wurden zwischen 2011 und 2024 in drei aufeinander aufbauenden Projekten die WB6 beim Aufbau von Kompetenzen für die Umsetzung der Aarhus-Konvention unterstützt. Dabei werden diese Länder hinsichtlich ihrer individuellen aktuellen Anforderungen bei der Etablierung oder Weiterentwicklung eines Schadstoffemissionsregisters (PRTR) beraten.

Vor dem Hintergrund der weiteren Annäherung der Staaten des Westbalkans an die EU wird sich die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesumweltministerium und den Ländern in Zukunft intensivieren. Dies wird zum einen im Rahmen multilateraler Prozesse wie dem Berlin Prozess sowie der GAWB erfolgen, zum anderen aber auch über konkrete Projekte oder das Twinning-Programm.

Stand: 12.03.2025

Wege zum Dialog

Gute Politik für Umweltschutz und Verbraucherschutz gelingt, wenn sie gemeinsam gestaltet wird. Schreiben Sie uns oder beteiligen Sie sich an unseren Dialogangeboten.