Rotterdamer Übereinkommen
Für einen weltweit sicheren Umgang mit Chemikalien ist der Austausch von Informationen im Handel über deren gefährliche Eigenschaften, die damit verbundenen Risiken und mögliche Maßnahmen zu deren Minimierung unabdingbar. Das Rotterdamer Übereinkommen (Rotterdam Convention on the Prior Informed Consent Procedure for Certain Hazardous Chemicals and Pesticides in International Trade) trägt diesem Bedarf Rechnung: Es regelt den Informationsaustausch im internationalen Handel mit bestimmten gefährlichen Chemikalien. Exportierende Staaten sind verpflichtet, den Importländern Informationen zu den toxikologischen und ökotoxikologischen Eigenschaften sowie über Maßnahmen zur Gewährleistung eines sicheren Umgangs mit diesen Stoffen zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise sollen alle Staaten, auch diejenigen mit sehr beschränkten Kapazitäten, in die Lage versetzt werden, auf Basis fundierter Informationen über die Einfuhr gefährlicher Chemikalien und gegebenenfalls zu ergreifende Risikominderungsmaßnahmen zu entscheiden. Dieses Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung wird abgekürzt als PIC.
Das Akronym "PIC" steht hierbei für "Prior Informed Consent" und sieht vor, dass Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat die im Übereinkommen gelisteten gefährlichen Chemikalien erst dann exportieren dürfen, wenn das Importland der Einfuhr zugestimmt hat.
Zurzeit sind 55 Chemikalien im Anhang III des Rotterdamer Übereinkommens gelistet. 36 davon sind Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe beziehungsweise -Zubereitungen, 18 weitere sind Industriechemikalien und ein Stoff fällt in beide Kategorien. Der aktuelle Stand ist auf der Internetseite des Übereinkommens dargestellt:
Das Übereinkommen wurde am 10. September 1998 in Rotterdam beschlossen und trat am 24. Februar 2004 in Kraft; derzeit sind 166 Staaten Vertragsparteien.
Entscheidungsgremium des Abkommens ist die Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) zum Rotterdamer Übereinkommen. In ihr sind alle Vertragsparteien vertreten, die gemeinsam zum Beispiel über die Aufnahme von Stoffen in den Anhang III und den Haushalt des Sekretariats entscheiden. Üblicherweise werden Entscheidungen im Konsens getroffen. Die COP findet alle zwei Jahre zusammen mit den Vertragsstaatenkonferenzen des Stockholmer und des Basler Übereinkommens statt, die sogenannte "Triple-COP". Sie tagte zuletzt im Mai 2023 in Genf. Dort findet vom 28. April bis 9. Mai 2025 auch die nächste COP statt.
Alle organisatorischen Entscheidungen zwischen und während einer COP werden von einem Bureau getroffen. Das Bureau setzt sich aus fünf Mitgliedern zusammen. Jede UN Region entsendet dafür eine Person aus einem der zugehörigen Vertragsstaaten. Gewählt werden diese Repräsentanten am Ende einer COP. Sie üben ihre Funktion bis zum Abschluss der nächsten COP aus. Das Bureau hat eine Präsidentin oder einen Präsidenten. Diese/r führt auch den Vorsitz der COP und leitet die Verhandlungen unterstützt durch Bureau und Sekretariat. Da die Entscheidungshoheit letztlich bei der COP und damit allen Vertragsparteien liegt, trifft das Bureau seine Entscheidungen in Abstimmung mit diesen.
Unterstützt wird die COP bei ihren Entscheidungen durch zwei Fachgremien: das Chemicals Review Committee (CRC) und das Compliance Committee (RCCC). Beide Gremien sprechen Empfehlungen aus, über die die COP entscheidet, das CRC zur Aufnahme von Chemikalien in den Anhang III, das RCCC zur Unterstützung der Staaten bei der Umsetzung des Übereinkommens.
Schließlich werden Vertragsparteien und die COP durch das beim Umweltprogramm (UNEP) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) angesiedelte Sekretariat des Rotterdamer Übereinkommens unterstützt. Das Sekretariat hat seinen Sitz in Genf. Es ist die Verwaltung des Übereinkommens, organisiert die COPs, die Sitzungen der Fachgremien und des Bureaus. Zudem leistet es individuell und durch breiter angelegte Projekte Unterstützung für die Vertragsparteien, wie die Erstellung von Leitfäden und anderen Hilfsmitteln oder bei der Reisevorbereitung.
Umsetzung in der EU und Deutschland
Das Rotterdamer Übereinkommen wird in der EU über die Verordnung EU Nr. 649/2012 vom 4. Juli 2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien, die sogenannte EU-PIC-Verordnung umgesetzt. Die EU-PIC-Verordnung geht über die Regelungen des Rotterdamer Übereinkommens hinaus. Aktuell unterwirft sie 322 Stoffe dem PIC-Verfahren. Dazu zählen auch die persistenten organischen Schadstoffe, die unter das Stockholmer Übereinkommen fallen, die sogenannten POPs. Für sie gilt ein Ausfuhrverbot aus der EU.
Deutsche Exporteure von in der PIC-Verordnung gelisteten Chemikalien müssen der Bundesstelle für Chemikalien bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Ausfuhr dieser Stoffe vorab mitteilen. Sie können diese Stoffe zudem nur mit Zustimmung des Ziellandes ausführen.
Die Europäische Chemikalienagentur ECHA führt eine Übersicht zu den dem PIC-Verfahren unterliegenden Stoffen.