– Es gilt das gesprochene Wort –
Meine Damen und Herren,
Die Coronakrise ist noch lange nicht überstanden - daher sehen wir uns hier auch nur virtuell - da sind wir durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bereits mit einer weiteren dramatischen Krise konfrontiert. Natürlich muss die höchste Priorität sein, den Krieg und das Leiden in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden.
Wir stehen vor existenziellen Herausforderungen, die uns vor Augen führen, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist, wie abhängig unsere Versorgungsstrukturen von einem Aggressor wie Herrn Putin sind. Diese Herausforderungen verlagern kurzfristig natürlich auch den Fokus weg von zwei anderen Krisen, die auch existentiell sind: der Klimakrise und dem Artenaussterben.
Nichts wäre kontraproduktiver, als jetzt die Bekämpfung der großen Umweltkrisen, der Erderhitzung und des Artensterbens, als vermeintlich nachrangig zurückzustellen Nach wie vor gilt: Ohne gesunde Umwelt entziehen wir uns die Lebensgrundlage, unsere Sicherheit, unsere Zukunft und die Chance auf ein gutes Leben. Das bekommen wir schon jetzt zu spüren. Die globale Klimakrise ist längst auch in Deutschland angekommen. Die verheerenden Hochwasserkatastrophen im Juli 2021 haben Menschenleben gekostet und in den betroffenen Städten und Dörfern immense Schäden angerichtet, deren Behebung noch Jahre dauern wird. Andere Gemeinden kämpfen dagegen mit Wasserknappheit und einer steigenden Waldbrandgefahr. In den Großstädten leiden vor allem Kinder, pflegebedürftige und ältere Menschen unter immer häufigeren und heftigeren Hitzewellen. Insbesondere Sie, die heute als Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Städte und Gemeinden an dieser Konferenz teilnehmen, sind damit in Ihrer täglichen Arbeit konfrontiert. Vor Ort leisten Sie einen wichtigen Beitrag, um die Menschen in den Kommunen besser vor den Folgen der Klimakrise zu schützen. Es ist mir ein Anliegen, Sie dabei mit meinem Ministerium zu unterstützen. Ich freue mich, Sie heute zu dieser ersten Vernetzungskonferenz begrüßen zu können - gemeinsam mit dem neuen Zentrum KlimaAnpassung. Das Zentrum hat in den letzten Monaten bereits viel Zuspruch erfahren für seine Beratungsangebote für Kommunen.
Jede Kommune ist anders von der Klimakrise betroffen, aber alle sind betroffen. Die Extremwetterereignisse, genauso wie die heißen und trockenen Sommer der letzten Jahre, waren nur die Vorboten einer neuen Realität. Darauf ist Deutschland nicht ausreichend vorbereitet. Das muss sich ändern. Und wir wissen, was zu tun ist. Klimaanpassung und Risikovorsorge werden in dieser Legislaturperiode Schwerpunkte der Arbeit meines Ministeriums sein.
Beides hat bisher nur punktuell stattgefunden. Das wird der Dimension der Aufgaben nicht gerecht. Mein Ziel ist es, jetzt dafür zu sorgen, dass wir in Zukunft gut mit veränderten Klimabedingungen leben können. Statt einzelne Modellprojekte zu fördern, sorgt mein Ministerium jetzt für eine Anpassungspolitik, die alle erreicht und alle Akteure einbezieht und vernetzt.
Die ersten Maßnahmen hat mein Ministerium in einem Sofortprogramm Klimaanpassung gebündelt. Damit wollen wir die Kommunen als Schlüsselakteure der Anpassung noch besser und systematischer unterstützen. Mit dem Sofortprogramm starten wir jetzt eine große Beratungs- und Kompetenzoffensive für die Kommunen, um die Umsetzung von Maßnahmen zur Vorsorge und Anpassung an die Klimakrise voranzubringen. Dafür stellen wir bis 2026 zusätzlich 60 Millionen Euro bereit.
Das Sofortprogramm Klimaanpassung besteht aus drei Säulen:
- Förderung und Kompetenzaufbau
- Information und Beratung
- Vernetzung
Konkret steckt in diesen Säulen eine Fülle von Unterstützungsangeboten. Zum Beispiel:
- Über das novellierte Förderprogramm "Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in Kommunen" können in diesem Jahr mehr als 100 lokale Klimaanpassungsmanagerinnen und -manager eingestellt werden. Sie helfen den Kommunen vor Ort, maßgeschneiderte Anpassungskonzepte zu erstellen und umzusetzen.
- Das Programm "Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen" hat gezeigt, dass es einen enormen Bedarf an besserem Schutz für vulnerable Gruppen gibt - für Senioren, Kranke oder Kinder. Dieses Förderprogramm ist nun dauerhaft gesichert und wird weiter aufgestockt.
- Das Zentrum Klimaanpassung startet zusätzlich zu seinem bereits breiten Portfolio ein Beratungsprogramm zu Hitzeaktionsplänen. Damit folgen wir einem Wunsch der Länder und der kommunalen Spitzenverbände – denn die nächste Hitzewelle wird kommen und die Kommunen müssen Menschen und Infrastruktur schützen.
- Mit einer "Woche der Klimaanpassung" wird das Zentrum KlimaAnpassung im Herbst vielfältige Informationsangebote bereitstellen. So können unter anderem Bürgerinnen und Bürger lernen, wie sie sich zum Beispiel gegen Hitze schützen oder ihr Haus besser gegen Hochwasser absichern können.
Dieses Sofortprogramm ist der Auftakt zu einer systematischen, umfassenden und vorsorgenden Anpassungspolitik in Deutschland. Viele weitere Maßnahmen werden folgen. Drei besonders wichtige möchte ich herausheben:
- Bis zur Mitte der Legislaturperiode will ich ein Klimaanpassungsgesetz vorlegen, das einen klaren Rahmen für die Klimaanpassung in Deutschland setzt.
- Mein Haus wird gemeinsam mit den Ländern in einem breiten Beteiligungsprozess die bestehende Deutsche Anpassungsstrategie der Bundesregierung weiterentwickeln – hin zu einer vorsorgenden nationalen Klimaanpassungsstrategie mit konkreten messbaren Zielen. Eckpunkte für die fachlichen Inhalte und für die Gestaltung des Beteiligungsprozesses werde ich noch in diesem Jahr vorlegen.
- Die Finanzierung von Klimaanpassung und Vorsorge muss dauerhaft und flächendeckend garantiert sein. Wie das verfassungskonform geschehen kann und wie der Finanzbedarf genau aussieht, dazu soll eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern bis zum Herbst Ergebnisse vorlegen.
Klimaanpassung ist zudem eng verknüpft mit einem weiteren Schwerpunktthema des Bundesumweltministeriums: dem natürlichen Klimaschutz. Eckpunkte für ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz werde ich in der nächsten Woche vorstellen. Im Kern geht es darum, naturnahe Ökosysteme widerherzustellen oder zu erhalten, die gegen die Erderhitzung wirken und gleichzeitig ihre Folgen abfedern. Ich möchte viel stärker auf naturbasierte Lösungen setzen. Sie sind oft besonders effektiv und effizient, denn sie wirken gegen Klimakrise und Artenkrise gleichermaßen.
Im ländlichen Raum geht es zum Beispiel um eine Waldentwicklung hin zu naturnahen Wäldern mit heimischen Baumarten. Solche Wälder kommen mit Hitze und Trockenheit besser zurecht, regulieren das Klima und sind wertvolle Lebensräume.
In der Stadt geht es um Parks und Grünflächen, Seen und Kleingewässer. Solche kleinen Oasen schaffen Entlastung bei Hitzewellen. Als Erholungsräume verbessern sie die Umwelt- und Lebensqualität. Neue und wiederhergestellte Stadtnatur bietet Tieren und Pflanzen Lebensraum und bindet CO2.
Auch die Nationale Wasserstrategie, die mein Haus derzeit innerhalb der Bundesregierung abstimmt, wird zur Anpassung und Vorsorge beitragen. Die Wasserstrategie bündelt Maßnahmen für einen sorgsamen Umgang mit der knappen Ressource Wasser. Das reicht vom Wissensaufbau bis zu einer wassersensiblen Stadtentwicklung. Das zeigt: Es gibt eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten, die es zu nutzen gilt. Wenn Klimaanpassung naturnah und nachhaltig gestaltet wird, dient sie nicht nur der dringend notwendigen Vorsorge. Sie sichert auch unsere ökonomischen Grundlagen, erhält die Wasserverfügbarkeit, schützt die biologische Vielfalt und sorgt für mehr Lebensqualität. Darin liegt eine große Chance, gerade für die Kommunen. Wir sollten sie gemeinsam nutzen. Deshalb ist es gut, dass wir mit der heutigen Konferenz einen weiteren Schritt für die Bewältigung der Klimakrise in Deutschlands Kommunen tun. Ich wünsche uns allen zusammen viel Erfolg und Ihnen einen interessanten und regen Austausch.