Rede von Steffi Lemke zur Auftaktveranstaltung der KlimaWildnisZentrale

15.05.2024
Steffi Lemke am Rednerpult
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat die Auftaktveranstaltung der KlimaWildnisZentrale mit einer Rede eröffnet. Dabei betonte Lemke, dass das KWZ eine weitere wichtige Maßnahme aus dem ANK ist.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Dr. Annette Doerpinghaus,
Dr. Christof Schenck,
Michael Brombacher,
Christian Unselt,
Adrian Johst,
Jana Planek,
Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute Abend zur Eröffnung der KlimaWildnisZentrale hier im BMUV begrüßen zu dürfen. Mit der KlimaWildnisZentrale setzen wir eine weitere wichtige Maßnahme aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz um. Damit gehen wir einen großen Schritt voran hin zu mehr gesunder Natur, mehr Wildnis in Deutschland.    

Wildnis, das sind nicht nur undurchdringliche Urwälder oder rauhe Gebirgslandschaften. Sie kann auch unscheinbarer daherkommen: ein ehemaliger Tagebau, eine wilde Flussaue, ein nasses Moor. Wildnis ist da, wo Natur Natur sein kann. In einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland ist das für manche ein Versprechen, für andere eine Provokation. Wir werden oft gefragt, warum wir Flächen aus der Nutzung nehmen wollen. Warum wir zum Beispiel in Wäldern kein Holz mehr schlagen oder auf Moorböden keine oder andere Landwirtschaft mehr betreiben wollen.

Wir machen das, weil es dafür gute Gründe gibt!

Erstens: Jedes Stück heile Natur hilft gegen die Klimakrise. Nasse Moore, naturnahe Wälder und Flussauen können Kohlenstoff binden und dauerhaft speichern. Damit reduzieren sie unsere CO2-Emissionen und sind ein wichtiger Pfeiler für den Klimaschutz in Deutschland.

Zweitens: Die Natur hilft uns bei der Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise.  Dürreperioden zum Beispiel werden immer häufiger. Das macht unserer Land- und Forstwirtschaft schwer zu schaffen und verursacht hohe Kosten. In Wildnisgebieten darf die Natur ihrer eigenen Dynamik folgen. Sie entscheidet, welche Tier- und Pflanzenarten unsere natürlichen Ökosysteme in Zukunft prägen werden. So entwickeln sich Wildnisgebiete mit der Zeit zu besonders widerstandsfähigen Lebensräumen. Sie geben uns Hinweise darauf, welche Arten am besten an zukünftige Klimaverhältnisse angepasst sind. Und sie schützen gegen Dürre, weil sie viel Wasser aufnehmen und lange speichern können.

Drittens: Wildnisgebiete sind Orte der Artenvielfalt. Und Vielfalt ist die Überlebensstrategie der Natur. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass vor allem die naturfernen Fichtenforste Hitze und Dürre nichts entgegenzusetzen hatten. Sie alle kennen die Bilder der abgestorbenen oder leer geräumten Waldflächen. Naturnahe, vielfältige Wälder haben sich deutlich besser gehalten. Vielfalt macht widerstandsfähig. In wilden Wäldern haben auch alte Bäume und Totholz ihren Platz. Sie sind besonders wichtig für andere Arten.

Viertens: Es ist für uns eine Frage der internationalen Glaubwürdigkeit. Weltweit sind die letzten naturnahen Ökosysteme immer stärker bedroht. Schon seit vielen Jahren fordern wir Europäer mit Nachdruck den Schutz der letzten intakten Tropenwälder. Wir können aber nichts von anderen Ländern einfordern, wenn wir nicht erstmal die Hausaufgaben bei uns machen.

Wildnisgebiete gehören zu einer gesunden Natur. Sie helfen uns, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Und die brauchen wir auch als Basis für unser wirtschaftliche Handeln.

Natürlich wird und soll es auch weiterhin Nutzung geben. Denn wir brauchen den wertvollen Rohstoff Holz auch in Zukunft, genauso wie die Produkte einer nachhaltigen Landwirtschaft. Aber wir brauchen eben auch Flächen, auf denen sich die Natur ungestört entwickeln kann: Wildnisgebiete, als Hort der biologischen Vielfalt und als langfristige Kohlenstoffspeicher, als Wasserspeicher- und -filter, als Räume für Naturerfahrung und Erholung. Ich bin überzeugt, dass beides möglich ist.

Dafür steht das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK). Damit wollen wir die Natur stärken, schützen und wo nötig auch wiederherstellen – gemeinsam mit den Nutzerinnen und Nutzern. Mit dem Programm fördern wir konkrete Maßnahmen für gesunde Natur: von den Mooren über die Meere bis zu den Wäldern, von der Wildnis bis zur Stadtnatur. 

Wir sind derzeit mit großem Schwung dabei, das ANK in die Fläche zu bringen. Dazu investieren wir in klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen und in konkrete Maßnahmen zur Wiederherstellung unserer Natur. Das Programm KlimaWildnis ist eine dieser Maßnahmen.

Große Wildnisgebiete sollen auf zwei Prozent unserer Landesfläche entstehen. Dieses Ziel wurde schon 2007 in der Nationalen Biodiversitätsstrategie verankert. Derzeit liegen wir noch bei weniger als einem Prozent.

Deshalb schaffen wir jetzt Anreize und Strukturen für mehr Wildnis in Deutschland – für große Wildnisgebiete und kleinere KlimaWildnis-Flächen. Wir unterstützen die vielen Akteure, die sich für mehr Wildnis einsetzen: in den Bundesländern, in den Landkreisen und Kommunen, in den Partnerorganisationen der Initiative Wildnis in Deutschland – von denen drei ja heute als Konsortium für die KlimaWildnisZentrale die Hauptrolle spielen!

Ich danke all den engagierten Menschen, die die Wildnis-Idee unterstützen und vor Ort für konkrete Projekte kämpfen. Und die mit ihrem Engagement zum Teil hartem Widerstand gegenüberstehen. Umwelt- und Klimaschutz stehen derzeit in einem Maße unter Druck, das ich so noch nicht erlebt habe. Deswegen gilt mein Respekt und Dank allen, die dagegenhalten und sich für eine gesunde Natur einsetzen.

Den umweltpolitischen Backlash verdeutlicht zum Beispiel die aktuelle Situation bei der EU-Wiederherstellungsverordnung. Im Trilog wurde eine Einigung erzielt, die aus meiner Sicht für alle Seiten tragbar ist. Und dennoch ist die Verordnung bis jetzt nicht verabschiedet. Es ist derzeit offen, wie es weitergeht. Ich werde mich weiter mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die EU den Schutz der biologischen Vielfalt und die Wiederherstellung der Natur vorantreibt.

Auch vor diesem Hintergrund ist jede Wildnisfläche ein Erfolg. Sie ist eine Möglichkeit für die Natur, sich zu regenerieren und ihre Leistungen für Klimaschutz, Wasserhaushalt und Artenvielfalt wieder voll zu entfalten.

Mit dem Wildnisfonds hat das Bundesumweltministerium 2019 ein Förderprogramm für die Schaffung großflächiger Wildnisgebiete aufgelegt. Mit dem Programm KlimaWildnis wollen wir künftig über das ANK auch den Ankauf und die Sicherung kleinerer Wildnisflächen unterstützen. Wir gehen davon aus, dass das Förderprogramm spätestens im Sommer starten kann.

Die KlimaWildnisZentrale wird im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz ebenfalls aus Mitteln des ANK gefördert.

  • Sie wird deutschlandweit Engagierte für die Wildnis vernetzen, hauptamtliche und ehrenamtliche.
  • Sie unterstützt zukünftig gemeinsam mit der ZUG bei Anträgen für die Förderrichtlinie KlimaWildnis und bei allen Fragen rund um die Wildnisförderung.
  • Sie wird Forschungsergebnisse aufbereiten und Information dazu bereitstellen, wie wichtig die Wildnis für den Klima- und Artenschutz ist.

Dadurch schafft sie Akzeptanz und leistet einen wichtigen Beitrag, um das Thema "Wildnis" in unserer Gesellschaft zu verankern.

Die KlimaWildnisZentrale wird auch die sogenannten KlimaWildnis-Botschafterinnen und Botschafter koordinieren. Sie sollen direkt vor Ort die Menschen beim Thema Wildnis ins Boot holen und das Schaffen von Wildnisflächen gemeinsam mit den Eigentümerinnen und Eigentümern und anderen Beteiligten begleiten.

Man kann es nicht oft genug sagen: Viele engagierte Menschen auf allen Ebenen setzen sich seit vielen Jahren für mehr Wildnis in Deutschland ein. Ihnen stellen wir nun mit der KlimaWildnisZentrale eine kompetente Unterstützerin mit einem engagierten Team zur Seite.

Für mehr Wildnis in Deutschland brauchen wir neben effektiven Förderprogrammen auch fundiertes Fachwissen, diplomatisches Geschick sowie Offenheit für die Sorgen und Bedenken der Menschen vor Ort. Die KlimaWildnisZentrale sehe ich für diese Herausforderung hervorragend aufgestellt!        

Ich freue mich sehr, den Schlüssel für die KlimaWildnisZentrale heute gemeinsam mit Annette Doerpinghaus aus dem Bundesamt für Naturschutz offiziell überreichen zu dürfen.

Ihnen allen und der KlimaWildnisZentrale viel Erfolg und alles Gute für die Zukunft!

15.05.2024 | Rede Klimaanpassung

Weitere Informationen

https://www.bmuv.de/RE10996
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