Rede von Steffi Lemke beim NABU-Salon anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Naturschutzbundes (NABU)

25.06.2024
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Bundesumweltministerin Steffi Lemke betont in ihrer Rede zum 125-jährigen Jubiläum des NABU die Bedeutung des Naturschutzes als verbindendes Element. Sie lobt das kürzlich verabschiedete Nature Restoration Law.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Lieber Jörg-Andreas Krüger,
lieber Leif Miller,
liebe Susanne Baumann,
lieber Cem Özdemir,
sehr geehrte Damen und Herren des Deutschen Bundestages,
sehr geehrte Exzellenzen,
vor allem aber: liebe Freunde und Beschützer kritischer Infrastruktur,

dieser Salon, es wurde bereits gesagt, hat eine wirklich lange Tradition: 30mal hat er stattgefunden! Das kann sich langsam aber sicher mit 125 Jahren NABU messen. Ich möchte ihm herzlich zum Geburtstag gratulieren, dem NABU. Wir haben auch ein Geschenk mitgebracht. Wir haben es letzten Montag in Luxemburg ein bisschen vorfristig übergeben: das Nature Restoration Law. Aber es ist mir wirklich eine Freude, dass wir dieses Gesetz heute gemeinsam miteinander betrachten und diskutieren können.

Denn ich glaube, es ist eine gute Botschaft, die sich damit verbindet. Auch für diejenigen, die dieses Gesetz nicht wollten, die es möglicherweise bekämpft haben. Es ist gut, dass es aus den Mühlen des Wahlkampfes herausgeholt werden konnte. Denn es gab ja vor dem Wahlkampf schon mal eine Mehrheit dafür. Es wurde ja schon mal darüber abgestimmt. Auch konservative Regierungen hatten dafür gestimmt. Und dann kam es, wie gesagt, ein bisschen unter die Räder des Wahlkampfes. Und da ist es jetzt wieder hervorgeholt werden. Denn es ist ein gutes Gesetz. Es ist ein Kompromiss. Und ich glaube, dass das in diesen Zeiten ein Gesetz auch auszeichnen muss: dass es versucht, die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte zusammenzuführen, dass nicht eine Gruppierung, die völlig davon überzeugt ist, den richtigen Weg gefunden zu haben, den jetzt auch zwingend und im Zweifelsfall mit zumindest rhetorischer Gewalt durchsetzen will oder muss. Denn wir brauchen in diesen Zeiten Kompromisse mehr denn je. Wir brauchen den Zusammenhalt der Gesellschaft mehr denn je.

Ich bin der wirklich felsenfesten Überzeugung, dass der Schutz von Natur immer etwas Verbindendes gewesen ist, etwas, das es geschafft hat, Grenzen zu überwinden, Menschen zusammenzuführen und etwas nach vorne zu bewegen für die jeweils verschiedenen Heimatgegenden der Menschen, in denen sie groß geworden sind, mit denen sie alle ihre Kindheitserlebnisse verbinden und in denen sich die meisten in irgendeiner Art und Weise engagiert haben, zum Schutz der kritischen Infrastruktur.

"An alle und jeden" – das war der Titel eines Flugblattes des Bundes für Vogelschutz, und das war eben auch ein Motto von Lina Hänle: Naturschutz sollte für alle da sein, das war ihre Idee, die hat sie vertreten als mutige Frau, und ich würde sagen: Das hat sich auch nach 125 Jahren nicht geändert. Naturschutz soll für alle da sein, für alle Menschen in unserem Land, für die Natur und die Umwelt, selbstverständlich. Ich finde Ihr Motto deshalb hervorragend gewählt für diesen NABU Salon „Grenzen überwinden“ – gerade in diesen Zeiten.

Ich merke es auf jeder internationalen Konferenz, auf der ich unterwegs bin, dass Naturschutz verbindet, das Naturschutz Grenzen überwindet. Wir haben das großartige Abkommen von Montreal, das Weltnaturschutz-Abkommen, das dem Pariser Klimaschutzabkommen gleichgestellt sein sollte. Das haben wir vor zweieinhalb Jahren verabschiedet. Wir haben das BBNJ-Abkommen verabschiedet. Das heißt, wir haben das erste Mal auf der Hohen See – 40 Prozent der Weltoberfläche – die Möglichkeit, Schutz für Natur, aber letzten Endes auch für die Nutzung, für Fischerei, zu ermöglichen.

Wir haben letzten Endes so viele Dinge auf internationaler, nationaler und europäischer Ebene in den letzten Jahren angeschoben. Das macht ja nicht eine einzelne Person, eine einzelne Institution. Das waren alle hier, die sich heute versammelt haben, um den NABU zu feiern, und dafür möchte ich mich von Herzen bei allen bedanken.

Grenzen überwinden – ich glaube, das ist etwas, was Leif Miller und mich seit vielen, vielen Jahrzehnten verbindet. Naturschützer haben in der DDR etwas sehr, sehr Wichtiges geleistet. Sie haben sich unter den Bedingungen einer Diktatur, unter Verfolgung, Berufsverboten, Bedrohung von Leib und Leben eingesetzt für den Schutz von Umwelt und Natur. Dass die Umweltbewegung der ehemaligen DDR ein so relevanter Bestandteil der Friedlichen Revolution gewesen ist, ist in unserer Gesellschaft, ich würde mal sagen, komplett unbekannt. Ausnahmen wie mich oder auch Leif mögen diese Regel bestätigen, aber ich glaube, dass hier für die nächsten Jahre eine Aufgabe liegt, für den deutschen Umwelt und Naturschutz: deutlich zu machen und herauszuarbeiten, dass Umwelt und Naturschutz etwas mit Freiheit zu tun hat und etwas mit Demokratie zu tun hat.

Ich glaube, das ist zu wenig bekannt. Die Debatte um den allseits beliebten Wolf oder in dieser Woche im Deutschen Bundestag den Kormoran, das haben alle irgendwie auf dem Schirm. Wenn man googelt, findet dazu wahrscheinlich die meisten Treffer beim Thema Naturschutz. Aber die Verbindung von Freiheit, von Demokratie und dem Schutz von Umwelt und Natur, das möchte ich dem NABU zum 125jährigen Jubiläum als Aufgabe für die nächsten 125 Jahre gerne mit auf den Weg geben. Weil das, glaube ich, auch so viel Potenzial hat für unsere Menschen und für diese Themen. Und ich glaube, dass man damit wirklich sehr gut an einen meiner Vorgänger, der vor einigen Tagen verstorben ist, anknüpfen kann: Klaus Töpfer, dem es immer wichtig gewesen ist, Grenzen zu überwinden, zu verbinden, Ökonomie und Ökologie auszusöhnen. Das war sein großer Verdienst, dies in unsere Gesellschaft hineingetragen zu haben, und auch das ist ein Stück Vermächtnis für die Jahre, die vor uns liegen.

Leif, Du bist ja einer dieser ostdeutschen Verbandsvertreter, die, glaube ich, in der Verbändelandschaft mit politischem Einfluss in Deutschland relativ selten sind. Du stehst für die Grüne Liga, für das Umweltfestival am Brandenburger Tor, du stehst für den NABU, aber du hast damals, als passionierter Vogelschützer, in der DDR gewirkt und den Naturschutz unter diesen Bedingungen in einer Diktatur mit aufgebaut und vorangebracht. Ich glaube, die Großschutzgebiete, auf die heute alle verweisen, die gäbe es ohne die Umwelt- und Naturschützer der ehemaligen DDR gar nicht.

Ich vermute, die meisten hier kennen die Geschichte – wenn nicht, kann man das nachlesen. Ich will jetzt nicht den ganzen Abend damit belasten, aber dass das eine Idee aus den ostdeutschen Bundesländern, aus der Friedlichen Revolution, aus den Zeiten der Ersten DDR Volkskammer gewesen ist, der wir heute in dieser großen Menge die Großschutzgebiete, die uns die Biodiversität retten, zu verdanken haben, auch das sollte heute Abend erwähnt und gewürdigt werden.

Ich habe die Erfolge angesprochen. Ich bleibe heute Abend auch dabei, auf die Erfolge zu schauen, auf die positiven Nachrichten zu schauen. Ich glaube, auch da stehen wir ein Stück weit stärker in der Verantwortung und in der Pflicht, den jungen Menschen in unserem Land auch ein Stück weit Orientierung zu geben, die Zukunftsgewissheit ein Stück weit zurückzugeben in einer Welt, wo man morgens nach der ersten halben Stunde eigentlich die Nachrichtensender meistens gerne gleich wieder ausschalten möchte. Aber auch das ist unsere Verantwortung als Verantwortungsträger: deutlich zu machen, dass sich bei allen Widerständen, bei allen Problemen so viel getan hat, so viel bewegt hat und dass daran Umwelt- und Naturschutz einen riesengroßen Anteil haben.

Vielleicht als den letzten Gedanken in diesen Zeiten: Ich will ja nicht ausblenden, dass Umwelt und Naturschutz bekämpft wird, unter Druck steht. Aber vielleicht ist es auch ein Stück weit Zeit und Aufgabe für uns alle hier, für alle demokratischen Kräfte und Institutionen, seien es Parteien, seien es Verbände, darüber nachzudenken, wie wir Naturschutz in diesen Zeiten ein Stück weit neu erfinden. Wie wir dazu kommen, ihn als wirkliches Freiheitssymbol, als Demokratienotwendigkeit und als etwas, was für die Menschen da ist und unheimlichen Wert für die Menschen in unserem Land bringt, ein Stück weit neu zu erfinden – und das mit großem Selbstbewusstsein und großer Freude in die politischen Diskurse der nächsten Jahre einzubringen.

Denn dass der NABU politisch ist und politisch bleiben will und wird, das haben wir ja heute schon gehört. In diesem Sinne herzlichen Glückwunsch und auf zu neuen Ufern!

25.06.2024 | Rede Naturschutz

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