Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke bei der Tagesspiegel Future Sustainability Week 2024

05.11.2024
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Bundesumweltministerin Lemke war bei der Future Sustainability Week zu Gast und hat eine Rede zum Thema "Kreislaufwirtschaft umfassend gestalten – Eine Transformation für nachhaltiges Wachstum" gehalten.

"Kreislaufwirtschaft umfassend gestalten – Eine Transformation für nachhaltiges Wachstum"

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Tretbar,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass wir heute gleich zum Auftakt Ihrer Veranstaltung über die Chancen der Kreislaufwirtschaft sprechen.

Ich komme gerade von der Weltnaturkonferenz in Kolumbien zurück. Dort haben wir als Weltgemeinschaft darüber beraten, wie wir die wegweisenden Beschlüsse der Konferenz von Montreal vor zwei Jahren mit Leben füllen. Gemeinsam müssen wir daran arbeiten, die Natur als unsere Lebensgrundlage zu stärken und zu schützen. Damit wir auch in Zukunft sauberes Wasser haben, fruchtbare Böden und artenreiche Meere, damit wir die Natur als starke Klimaschützerin bewahren können. Deutschland hat dafür einen Fahrplan vorgelegt, die Nationale Biodiversitätsstrategie 2030.

Ich erzähle das deshalb, weil auch die Wirtschaft auf eine intakte Natur angewiesen ist. Das Weltwirtschaftsforum in Davos stuft die Naturkrise als eines der größten Risiken für die Wirtschaft ein. Umgekehrt können und müssen alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft ihren Beitrag zu einer gesunden Natur leisten.

Kreislaufwirtschaft ist dafür essentiell, weil sie dafür sorgt, dass nicht immer neue Rohstoffe verbraucht werden. Rohstoffe müssen aufwändig abgebaut, geschürft oder aus der Erde gepumpt werden. Ihr Abbau zerstört Landschaften und Lebensräume. Er erzeugt hohe Treibhausgasemissionen, verbraucht viel Wasser und verdrängt Tiere und Pflanzen. Wenn wir durch kluge Kreislaufführung weniger neue Rohstoffe verbrauchen, können wir dadurch mehr intakte Natur erhalten und unsere Klimaziele schneller und sicherer erreichen.

Am kommenden Montag beginnt in Aserbeidschan die Weltklimakonferenz. Ende November findet in Korea die letzte Verhandlungsrunde für ein globales Plastikabkommen statt, das die Vermüllung von Umwelt und Meeren stoppen soll. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir all diese Prozesse viel stärker miteinander verzahnen. Denn sie hängen zusammen und können sich gegenseitig unterstützen.

In diesem Kontext sprechen wir heute über Kreislaufwirtschaft. Und natürlich geht es auch darum, dass wir durch Kreislaufwirtschaft unsere Wirtschaft zukunftsfest machen und Unternehmen Chancen für neue Geschäftsmodelle eröffnen können.

Ressourcen werden knapp. Lieferketten werden immer wieder gestört oder unterbrochen. Wir haben in den letzten Jahren schmerzhaft gelernt, dass es riskant ist, sich auf einzelne Länder als Lieferanten zu verlassen. Da liegt es auf der Hand, nicht immer neue Rohstoffe zu beschaffen und wieder zu entsorgen, sondern die vorhandenen Rohstoffe so lange es geht im Kreislauf zu halten und den Rohstoffverbrauch insgesamt zu senken.

Das schafft Versorgungsicherheit und ist für Unternehmen eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit und des Risikomanagements geworden.

Auch deswegen brauchen wir eine neue, klimaneutrale und ressourcensparende Art zu wirtschaften. Die Wirtschaft der Zukunft wird zirkulär sein.

Dafür hat das Bundesumweltministerium eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, kurz NKWS, erarbeitet.

Sie setzt vier strategische Leitziele.

  1. Verbrauch neuer Rohstoffe, sogenannter Primärrohstoffe, verringern: Derzeit verbrauchen wir in Deutschland jährlich gut 16 Tonnen Rohstoffe pro Kopf, für Konsum und wirtschaftliche Investitionen. Bis 2045 soll der jährliche Verbrauch pro Kopf auf acht Tonnen halbiert werden.
  2. Stoffkreisläufe schließen: Wir greifen dabei das EU-Ziel auf, den Anteil der Sekundärrohstoffe am Rohstoffverbrauch bis 2030 zu verdoppeln. Derzeit liegt er nur bei 13 Prozent. Bei wichtigen Stoffströmen – Baustoffen, Kunststoffen, Metallen – wollen wir die Nutzung aufbereiteter Rohstoffe erheblich steigern.
  3. Unabhängigkeit von Rohstoffimporten stärken: Auch hier greifen wir Ziele auf, die die EU bereits vereinbart hat, nämlich die Ziele des Critical Raw Materials Act zu strategischen Industrierohstoffen wie Nickel oder Kobalt.
  4. Abfall vermeiden: Pro Kopf sollen bis zum Jahr 2030 zehn Prozent und bis zum Jahr 2045 20 Prozent weniger Abfall produziert werden, jeweils im Vergleich zum Jahr 2020.

Quantifizierte Ziele schaffen Planbarkeit. Sie geben Orientierung und senden ein Signal in den Markt. Dadurch soll die Strategie auch Impulse für neue Geschäftsmodelle setzen und Innovationen anreizen. Den Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie haben wir im Juni veröffentlicht. Er wird derzeit unter den Ministerien abgestimmt.

Diese Abstimmung ist – wie Sie sich denken können – kein Selbstläufer. Insbesondere die Verringerung des Primärrohstoffverbrauchs und die Quote für den Einsatz von Sekundärrohstoffen werden intensiv diskutiert. Hierzu haben Fachgespräche im Kreis der Ministerien stattgefunden, teilweise mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns in der Bundesregierung auf eine Position verständigen, die dann auch Wirtschaft und Zivilgesellschaft mittragen können. Über das Ziel, die Umwelt zu schützen und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, sind sich alle einig. Die NKWS soll noch in diesem Jahr vom Kabinett verabschiedet werden.

Durch Ziele allein geschieht noch keine Veränderung, das wissen wir alle. Deswegen sind die Ziele in der Strategie mit konkreten Maßnahmen und Instrumenten unterlegt. Einige Beispiele möchte ich nennen:

  • Wir werden uns auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass der Digitale Produktpass bis 2030 in allen wichtigen EU-Produktregelungen verankert wird und die Rahmenbedingungen für eine praktikable Nutzung geschaffen werden. Die Digitalen Produktpässe sollen Transparenz über das gesamte Wertschöpfungsnetz herstellen. Sie enthalten alle wichtigen Informationen zum Produkt, zum Beispiel zu Komponenten, Materialien und Reparierbarkeit. Diese Informationen brauchen diejenigen, die Produkten und Materialien ein zweites, drittes oder viertes Leben verschaffen. Und die Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen sie, um sich für ein nachhaltiges, reparierbares Produkt entscheiden zu können. Der Digitale Produktpass schafft somit die Basis für funktionierende Geschäftsmodelle in der Circular Economy.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-Kommission bis 2030 für alle unter die Ökodesignverordnung fallenden Produktgruppen Standards zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet – für Textilien oder Möbel ebenso wie für Kühlschränke und IT.
  • Der Staat muss die öffentliche Beschaffung stärker als Hebel für mehr Kreislaufwirtschaft nutzen. Das Bundeswirtschaftsministerium bereitet derzeit eine große Vergaberechtsnovelle vor, die auch auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft einzahlen soll. Das BMUV arbeitet an einer Novellierung der Beschaffungsleitlinien für den Bund. Sie wird die nachhaltige Beschaffung einfacher und verbindlicher machen.

An einer Kreislaufwirtschaft führt künftig kein Weg vorbei. Wir brauchen sie für eine krisenfeste, zukunftsgewandte und erfolgreiche Wirtschaft, für eine intakte Natur und für ein stabiles Klima. Daran arbeiten wir im Umweltministerium und in der Bundesregierung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen spannende Tage und interessante Gespräche.

05.11.2024 | Rede Kreislaufwirtschaft
https://www.bmuv.de/RE11193
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