Rede von Dr. Christiane Rohleder auf der 20. Verbraucherschutzministerkonferenz

14.06.2024
In ihrer Rede diskutierte Dr. Christiane Rohleder die Auswirkungen der Europawahl auf den Verbraucherschutz, und berichtete über Erfolge und neue Initiativen in der EU- und nationalen Verbraucherpolitik.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Minister Glauber, sehr geehrter Herr Detsch,
sehr geehrte Verbraucherschutzministerinnen und -minister,
sehr geehrte Senatorinnen,

zunächst geht mein herzlicher Dank an das Gastgeberland, an den Freistaat Bayern, für die gute Organisation und die wunderbare Gastfreundschaft.

Und Sie hatten ja durchaus erschwerte Rahmenbedingungen, da auch Regensburg vom Hochwasser stark betroffen war. Was die Einsatz- und Rettungskräfte hier in Bayern und auch in Baden-Württemberg gemeinsam mit der Bevölkerung geleistet haben, beeindruckt mich sehr. Vielen Dank, dass wir hier gestern auch die Gelegenheit hatten, einen persönlichen Eindruck durch die Blaulichtfamilie zu gewinnen.

Das Hochwasser hat gezeigt wie wichtig es ist, die Vorsorge zu verbessern, aber auch die Absicherung. Insofern werden wir die Frage einer solidarisch und sozial ausgestalteten Elementarschadenpflichtversicherung auch in der Bundesregierung diskutieren.

Unsere Arbeit als Bundesregierung im Verbraucherschutz ist wesentlich von der EU-Ebene mit geprägt. Insofern besorgt uns das Ergebnis der Europawahl doppelt:

  • Natürlich ist es für unsere Demokratie erschreckend, dass die europakritischen rechten Parteien so zugewonnen haben.
  • Im Verbraucherschutz ist die EU schon lange treibende Kraft. Insofern hoffe ich, dass auch künftig auf EU-Ebene an einem hohen Verbraucherschutzniveau gearbeitet wird. Das ist auch wichtig, damit die neu eingeführten Rechte zum Beispiel im Digitale Dienste Gesetz auch gegenüber außereuropäischen Unternehmen wie zum Beispiel Temu und Shein konsequent durchgesetzt werden.

Ich freue mich, dass wir hierzu auch Rückenwind aus der VSMK bekommen.

Aber nach dieser allgemeinen Einschätzung nun ein kleiner Zwischenbericht über die Aktivitäten des letzten Jahres:

  • Mit der neuen europäischen KI-Verordnung haben wir den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor ungerechtfertigter Diskriminierung durch KI wesentlich verbessert. Wir haben uns in den Verhandlungen erfolgreich dafür stark gemacht, dass verbraucherrelevante KI-Systeme transparent, nachvollziehbar und überprüfbar gestaltet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten ein Beschwerderecht gegenüber Aufsichtsbehörden und Verbraucherverbände können mit Verbandsklagen gegen Verstöße vorgehen. Und besonders gefährliche Praktiken wie Social Scoring werden komplett untersagt.
  • Der EuGH hat im Dezember 2023 entschieden, dass die Scorewerte der Schufa unter das Verbot automatisierter Einzelentscheidungen gemäß DSGVO fallen, wenn diese Scorewerte von Unternehmen maßgeblich bei einer Vertragsablehnung wie einem Darlehen zugrunde gelegt werden. Um Rechtssicherheit zu schaffen, hat die Bundesregierung sofort mit einer Änderung im Bundesdatenschutzgesetz reagiert, die nun im Parlament diskutiert wird. Die Neuregelung stärkt Transparenz und Verbraucherschutz wesentlich.
  • Das Europäische Parlament hat am 23. April 2024 und der Rat am 30. Mai 2024 einer neuen Right to Repair – Richtlinie zugestimmt. Deutschland hat der Richtlinie zugestimmt. Für einen nachhaltigen Konsum ist es zentral, dass mehr Dinge repariert werden und nicht gleich weggeworfen werden, wenn sie kaputt gehen. Insbesondere konnten wir erreichen, dass die Gewährleistungsfrist um ein Jahr verlängert wird, wenn man sich bei einem Mangel für eine Reparatur statt Neulieferung entscheidet. Gleichzeitig konnten wir das Wahlrecht zwischen Neuer Sache und Reparatur erhalten.
  • Ein Recht auf Reparatur ist darauf angewiesen, dass Produkte bereits bei der Entwicklung und beim Design entsprechend gestaltet werden. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die neue Ökodesign-Verordnung, die am 27. Mai im Rat mit unserer Zustimmung beschlossen wurde. In Kraft tritt sie voraussichtlich im Juli. Die Kommission rechnet mit einem ersten Arbeitsplan für März 2025.
  • Daneben bereitet unser Haus aktuell die Förderung von Reparatur-Initiativen vor, mit der nicht-gewerbliche Initiativen unterstützt werden. Vorgesehen ist ein Zuschuss von bis zu 3.000 Euro pro Initiative, insbesondere für Investitionen.
  • Für einen besseren Schutz bei Krediten und auch von ver- und überschuldeten Menschen soll die neue Verbraucherkreditrichtlinie bis Sommer 2025 umgesetzt werden.
  • Trotz der schwierigen Haushaltslage ist es uns gelungen, ab diesem Jahr die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung dauerhaft mit fast einer halben Million (490.000 Euro) jährlich zu unterstützen. Dies ist ein weiterer Schritt zur Stärkung der Schuldnerberatung, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist.
  • Bei der letzten VSMK haben wir entschieden, die schulische und die außerschulische Verbraucherbildung gemeinsam zu pushen. Dafür haben wir die Bund-Länder-AG Verbraucherbildung ins Leben gerufen. Die AG ist bereits sehr aktiv. Im November sollen erste Impulse in Richtung KMK gesendet werden, um die Überarbeitung der Empfehlung zur Verbraucherbildung initiativ zu unterstützen. An der Stelle ganz herzlicher Dank an Baden-Württemberg für die Co-Leitung und die vielen Länder, die mitarbeiten.

Und nun noch ein kleiner Ausblick:

  • Besonders wichtig ist mir, den Verbraucherschutz bei der Fernwärme deutlich zu verbessern. Zwar sind die Energiepreise auf dem Großmarkt wieder deutlich zurückgegangen. Aber viele Fernwärme-Kunden haben Rechnungen mit sehr hohen Nachzahlungen für 2022 erhalten, teils über 1.000 Euro. Trotz gesunkener Großmarktpreise steigen teilweise die monatlichen Abschläge. Die bestehenden Regeln schützen Verbraucherinnen und Verbraucher nur ungenügend. Wichtig ist daher eine Stärkung des Verbraucherschutzes in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV).
  • Wir brauchen klare Regelungen, welche Kosten im Rahmen von Preisänderungen weitergegeben werden können und welche nicht.
  • Wir müssen die staatlichen Aufsichtsbefugnisse ausbauen.
  • Wir brauchen einen starken Schutz vor Wärmesperren, damit niemandem im Winter die Heizung abgedreht wird.

Zu weiteren verbraucherpolitischen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind wir in intensiven Verhandlungen mit dem federführenden BMJ. Das sind unter anderem:

  • die allgemeine Bestätigungslösung für telefonisch geschlossene Verträge
  • und die Mindestlaufzeit von Abo-Verträgen.
  • Die EU-Kommission hat am 29. November 2023 ein Mobility Package vorgelegt. Es enthält Vorschläge für Verordnungen über Fahr- und Fluggastrechte bei multimodalen Reisen und zur Durchsetzung von Passagierrechten sowie zur Überarbeitung der Pauschalreise-Richtlinie. Diese Vorschläge gehen in die richtige Richtung, aber insgesamt nicht weit genug. Die FTI-Insolvenz zeigt, wie wichtig ein effektiver Verbraucherschutz bei Reisen ist. Positiv sind insbesondere die Regelungen zur Vorkasse, indem die zulässige Höhe und Fälligkeit von An- und Restzahlungen des Pauschalreisepreises geregelt werden soll. Damit kann den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Insolvenzfall mancher Ärger um vorausgezahltes Geld erspart werden.
  • Ein wichtiges Thema dieser VSMK ist der Umgang mit Online-Plattformen wie Shein und Temu. Shein fällt vor allem mit Ultra-Fast Fashion negativ auf und Temu mit manipulativen Designs. Auch über Probleme mit Qualtiät und Sicherheit der Produkte wird berichtet.  Dass alle auf dem europäischen Markt agierenden Unternehmen das EU-Recht einhalten, ist für Verbraucherschutz, Umweltschutz, Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit essentiell. Und es ist auch für den fairen Wettbewerb entscheidend, da korrekt agierende europäische Unternehmen im Nachteil sind, wenn außereuropäische Player mit aggressiven und teilweise nicht rechtskonformen Praktiken den Markt fluten.

Ich hatte mich bei der KOM dafür eingesetzt, dass Temu als "Very Large Online Platform" eingeordnet wird. Nun müssen auch alle rechtlichen Möglichkeiten nach dem Digital Services Act (DSA) genutzt werden, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen und für einen fairen Wettbewerb im Binnenmarkt zu sorgen. Hierzu sind wir auch mit der EU-Kommission im Gespräch, der dies ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein scheint. Wo die Vorschriften nicht ausreichen, sollte die EU in der nächsten EU-Legislaturperiode nachbessern.

  • Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem eine stärkere Verpflichtung von Online-Marktplätzen. Dies fordern wir zum Schutz der Kinder als besonders vulnerable Verbrauchergruppe insbesondere als Ergänzung in der neuen Spielzeugverordnung, die in Brüssel noch beraten wird. Am besten wäre aber, die Verantwortlichkeit der Plattformen für die Rechtskonformität der angebotenen Produkte insgesamt dem stationären Handel gleichzustellen. Große Online-Plattformen haben mittlerweile – mindestens – die gleichen Möglichkeiten zur Kontrolle wie der Laden an der Ecke.
  • Beschäftigen wird uns auch die weitere grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung. Die Kommission hat angekündigt, die Consumer Protection Cooperation Verordnung (CPC) an einigen Stellen anzupassen, voraussichtlich im Jahr 2026. Wir unterstützen eine starke grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung und werden hierzu mit der neuen EU-Kommission sprechen.

Diese Konferenz hat wirklich einen breiten Themenkatalog. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen und auf unsere weitere Zusammenarbeit.

14.06.2024 | Rede Verbraucherschutz
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