– Es gilt das gesprochene Wort –
Christiana Geiger,
Dr. Christof Schenck,
Stefanie Lang,
Exzellenzen,
Damen und Herren,
"Amazonien unendlich" – das klingt nach unendlich groß, unendlich schön, unendlich vielfältig. Jeder und jede von uns hat vermutlich sofort Bilder vor Augen: von sattem, dichtem Grün und bunten Vögeln, von sich türmenden Wolken und Sonnenstrahlen, die durch den Nebel brechen.
Als Umweltministerin füge ich dem hinzu: Der Amazonas-Regenwald ist unendlich wichtig, unendlich wertvoll für die Welt. Ihn zu bewahren ist eine Menschheitsaufgabe.
Ich freue mich sehr, dass wir heute Abend im Zoogesellschaftshaus über all das sprechen, und über die internationale Politik zum Erhalt der biologischen Vielfalt.
Vor anderthalb Jahren ist es gelungen, nach Jahren intensiver Arbeit auf der Weltnaturkonferenz in Montreal eine globale Vereinbarung zum Schutz der Natur zu beschließen. Das war ein Durchbruch für den Naturschutz weltweit. Die Weltgemeinschaft hat sich verpflichtet, das Artenaussterben zu stoppen und die Natur in ihrer ganzen Vielfalt zu bewahren. Ein zentrales Ziel ist, weltweit 30 Prozent der Fläche an Land und auf dem Meer unter wirksamen Schutz zu stellen.
Im vergangenen Jahr gab es einen weiteren Durchbruch, mit dem man so nicht unbedingt rechnen konnte: Die Staatengemeinschaft hat das globale Hochseeschutzabkommen BBNJ verabschiedet. Damit gibt es ein Instrument, mit dem die sensible Meeresumwelt viel besser geschützt werden kann.
Auf diese Vereinbarungen können wir wirklich stolz sein. Sie zeigen, dass die internationale Zusammenarbeit trotz aller Schwierigkeiten funktioniert und Früchte trägt – auch in geopolitisch sehr angespannten Zeiten. Aber einen echten Mehrwert erzeugen sie nur, wenn auf Worte oder Unterschriften auch Taten folgen. Es ist also jetzt an der Zeit, mit voller Kraft in die Umsetzung zu gehen.
Gleichzeitig erleben wir aktuell, dass Umwelt- und Naturschutz weltweit unter Druck sind. Kriege, globale Krisen, Sicherheitsfragen dominieren die Politik. Einige suggerieren, den Natur- und Klimaschutz müsse man jetzt erstmal hintenanstellen.
Aber das wird nicht funktionieren. Das dramatische Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg, schwerste Überschwemmungen in Brasilien und Nordarmenien haben uns das gerade wieder auf tragische Weise gezeigt. Die Natur braucht Raum, sie braucht Schutz. Wir müssen Klimaschutz, Vorsorge und Naturschutz weiter entschlossen vorantreiben, national und international.
Und das gelingt auch immer wieder, trotz aller Herausforderungen.
Zum Beispiel ist es vor rund zwei Wochen auf der Antarktis-Konferenz gelungen, sieben Inseln an der nordöstlichen Spitze der Antarktischen Halbinsel unter Schutz zu stellen, die sogenannten "Danger Islands". Dort leben seltene Meeresvögel, dort gibt es eine der weltweit größten Brutkolonien von Adeliepinguinen. Mit dem Schutzgebiet helfen wir, die Ursprünglichkeit der Antarktis zu bewahren.
Heute sind wir hier, weil mit Manu-Purus in Peru und Chiribiquete in Kolumbien zwei weitere Nationalparks in die Legacy Landscapes-Förderung aufgenommen werden. Es werden zwei Regenwaldgebiete dauerhaft geschützt, die nicht nur einzigartig schön sind, sondern auch echte Hotspots der biologischen Vielfalt. Diese Zusammenarbeit zwischen Kolumbien, Peru und Deutschland bringt uns einen großen Schritt näher zum 30 Prozent-Ziel. Wichtige Rand- und Pufferzonen der Nationalparks können erhalten werden. Projekte wie diese machen Mut. Genau das brauchen wir vor der 16. Vertragsstaatenkonferenz der CBD, des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die im Oktober in Kolumbien stattfinden wird.
Der Schutz dieser letzten fast unberührten Naturgebiete der Erde ist aber auch deswegen so wichtig, weil die Natur letztlich unsere kritische Infrastruktur ist. Sie schafft die Grundlage für unser Leben und Überleben – und für unsere Wirtschaft. Sauberes Wasser, gute Luft, fruchtbare Böden, Rohstoffe, Medizin, natürlichen Klimaschutz, Schutz gegen Dürre und Hochwasser: Das alles bietet uns die Natur. Die tropischen Regenwälder haben eine ganz besondere Rolle als grüne Lunge und Klimaanlage der Welt. Sie sind zentral für einen funktionierenden globalen Wasserkreislauf. Deswegen ist jedes Stück Regenwald, jedes Stück vielfältige Natur, das auf Dauer erhalten wird, eine gute Nachricht für die ganze Welt.
Das haben längst auch Akteure erkannt, die nicht unbedingt in die Umwelt-Ecke gehören. Laut Global Risks Report des World Economic Forum sind fünf der zehn größten Risiken der nächsten zehn Jahre umweltbezogen. Auch die NATO nennt in ihrem jüngsten Foresight Report die Klimakrise und den Verlust der Biodiversität als langfristig existenziellstes Risiko. Ohne Anpassung an die Folgen der Klimakrise, ohne stabile Ökosysteme, ohne einen funktionierenden Wasserhaushalt werden wir nicht sicher leben – nicht in Europa und schon gar nicht global.
Wenn wir also gesunde, vielfältige Natur schützen oder auch wiederherstellen, ist das ein unverzichtbarer Beitrag zur Zukunftssicherung. Mit diesem Verständnis gehe ich, geht die Bundesregierung in die CBD-Vertragsstaatenkonferenz, die COP 16.
Einige Schwerpunkte für die Konferenz möchte ich kurz skizzieren.
- Das Bundesumweltministerium erarbeitet gerade eine Neuauflage der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Sie wird unsere Ziele und Maßnahmen für eine gesunde und vielfältige Natur bündeln. Damit ist sie das zentrale Element für unsere Umsetzung der Vereinbarung von Montreal.
- Die Umsetzung aller Ziele von Montreal, auch des 30 Prozent-Schutzgebietsziels, wird uns nur gemeinsam mit unseren internationalen Partnern gelingen. Nur gemeinsam können wir die verbleibenden Gebiete mit ursprünglicher Natur und mit einer besonders großen Artenvielfalt erhalten. Dafür setzt sich das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Entwicklungsministerium aktiv ein, zum Beispiel durch den vom Entwicklungsministerium ins Leben gerufenen und finanzierten Legacy Landscapes Fund.
Im letzten Jahr hat Deutschland zum Beispiel auch gemeinsam mit Kolumbien die NBSAP Accelerator Partnership ins Leben gerufen. Sie soll Länder bei der Erarbeitung und Umsetzung ihrer Nationalen Biodiversitätsstrategien unterstützen. Auch hier leisten BMUV und BMZ gemeinsam substanzielle finanzielle Unterstützung.
Das BMUV unterstützt zudem im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative, kurz IKI, über verschiedene Initiativen und Partnerschaften die Umsetzung der Ziele von Montreal in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Dabei ist die Amazonasregion von zentraler Bedeutung für den Klima- und Biodiversitätsschutz. Speziell in den Landschaften Manu-Purus und Chiribiquete finanziert die IKI Maßnahmen, die zum Artenschutz und zur Schaffung von Lebensgrundlagen der dortigen Bevölkerung beitragen. Sie ergänzen sich hervorragend mit der Förderung durch den LLF.
- Ganz wichtig ist mir dabei: Naturschutz kann nur gemeinsam mit den indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften gelingen. Diese Menschen leben oft seit vielen Generationen mit der Natur. Sie sind auf die Natur angewiesen und sind gleichzeitig Hüter des Waldes und der Biodiversität. Die Bundesregierung steht selbstverständlich in der Pflicht, die Rechte dieser Völker und Gemeinschaften zu wahren und zu schützen. Menschenrechtsverletzungen im Namen des Naturschutzes darf es nicht geben. Wir fordern die Beteiligung von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften in unseren Naturschutzprojekten ein und halten sie auch nach.
Ich begrüße es sehr, dass die kolumbianische Präsidentschaft die Stärkung von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften auf die Agenda der COP gesetzt hat. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Zum Beispiel unterstützt die IKI mit der Global ICCA Support Initiative indigene Völker und lokale Gemeinschaften in 45 Ländern bei der Bewahrung ihres traditionellen Lebensraums und der Biodiversität. Zu den Ländern zählen auch Kolumbien und Peru.
- Und nicht zuletzt: Wir stehen als Bundesregierung zu unserer finanziellen Verantwortung. In Montreal wurde vereinbart, die globalen Mittel für den Schutz der biologischen Vielfalt auf mindestens 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu erhöhen. Wichtig wird hierzu die Einbindung privater Mittel sein. Je früher das Ziel erreicht wird, desto besser für die Natur – aber es wird nicht leicht.
Deutschland leistet dazu einen nicht unerheblichen Beitrag:
- Bundeskanzler Scholz hat bereits vor der Konferenz in Montreal angekündigt, dass die Bundesregierung die Finanzierung für den internationalen Schutz der biologischen Vielfalt bis 2025 auf 1,5 Milliarden Euro erhöhen will.
- Deutschland war eines der ersten Länder, die mit 40 Millionen Euro in den globalen Naturschutzfonds GBFF eingezahlt haben. Damit ist der Fonds arbeitsfähig.
- Durch die BIOFIN-Initiative unterstützen wir Länder des globalen Südens dabei, Biodiversitätsfinanzierungspläne zu entwickeln und umzusetzen, um im Ergebnis mehr private Mittel für die Biodiversität zu mobilisieren.
Es gibt viele Gründe, die Natur zu schützen und wo nötig auch wiederherzustellen. Das gilt für die Natur vor unserer Haustür und für die letzten ursprünglichen Naturgebiete, wie in der Amazonas-Region.
Kolumbien, ein langjähriger und wichtiger Partner der Bundesregierung und des Umweltministeriums, hat die nächste CBD-Vertragsstaatenkonferenz unter die Überschrift gestellt: Frieden mit der Natur.
Ein Leben in Frieden, Sicherheit und Wohlstand wird es nur mit einer starken, gesunden Natur geben. Bei der Umsetzung der Beschlüsse von Montreal und auf der nächsten COP haben wir die Gelegenheit, diesem Ziel wieder einen Schritt näher zu kommen. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, gemeinsam mit unseren Partnern in Europa und in der Welt.
Ich freue mich auf einen inspirierenden Abend und den Austausch mit Ihnen.
Herzlichen Dank.