Rede von Steffi Lemke zur Auftaktveranstaltung der ToMOORow Initiative - Allianz der Pioniere

30.04.2024
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Die Rede von Steffi Lemke bei der Auftaktveranstaltung setzt sich mit den Chancen und Herausforderungen bei der Nutzung von Paludi-Biomasse in der Wirtschaft auseinander und möchte konkrete Praxisschritte aufzeigen.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Lieber Kollege, Herr Minister Özdemir,
Herr Professor Otto,
Herr Professor Succow,
Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
Damen und Herren,

vor ungefähr zwei Jahren durfte ich Michael Succow einen Preis für sein Lebenswerk überreichen. Spätestens heute ist aber klar, was ich damals schon vermutet hatte: Ich hätte damit auch noch eine Weile warten können. Denn Du setzt dieses Werk unermüdlich fort, lieber Michael! Du hast – wie so oft – ehrgeizige Mitstreiter an Deiner Seite und gemeinsam habt Ihr eine neue Initiative für den Moorschutz gestartet.

Sie beide, Herr Professor Otto und Du Michael, haben mit Ihren Stiftungen schon sehr viel für den Moorschutz erreicht. Mit dieser Initiative fügen Sie Ihrer eindrucksvollen Bilanz nun ein neues Kapitel hinzu. Ich wünsche Ihnen dafür viel Erfolg und möchte Ihnen beiden und allen anderen daran Beteiligten ganz herzlich für das unermüdliche Engagement danken.

Sie wissen, dass sich dieser Einsatz lohnt, denn Moore sind Multitalente: Sie sind einzigartige Lebensräume für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Sie sind Langzeitspeicher für Kohlenstoff und zählen damit zu den großen natürlichen Klimaschützern.

Aber Sie kennen auch die augenblickliche Situation: Mehr als 95 Prozent der Moore in Deutschland sind trockengelegt. Diese Entwässerung trägt mit 7 Prozent zu den jährlichen Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bei.

Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir die Treibhausgas-Emissionen insgesamt reduzieren und zwar schnell! Deshalb müssen wir auch die Entwässerung der Moore stoppen und die Wasserstände in den Mooren wieder anheben. Für Moorflächen, die vor allem dem Naturschutz dienen, bedeutet diese Wiedervernässung auch eine Verbesserung für die Artenvielfalt. Das ist also eine Win-Win-Situation.

Bei den landwirtschaftlich genutzten Moorflächen, die auch Erträge liefern sollen, ist das im aber Augenblick vielerorts noch anders. Die Wiedervernässung stellt die Betriebe, die auf diesen Moorböden wirtschaften, vor große Herausforderungen. Bisher war die Entwässerung der Moore für die Betriebe die Voraussetzung, um überhaupt auf den Flächen zu wirtschaften. Trockengelegte Moore sind also bisherige Existenzgrundlage für viele Landwirtinnen und Landwirte.

Diese Nutzung ist aber endlich. Denn der Moorboden der stark entwässerten Flächen sackt immer weiter ab. Eine landwirtschaftliche Nutzung ist dann nicht mehr möglich. Und diese Form der Bewirtschaftung verursacht eine enorme Menge an Treibhausgas-Emissionen.

Deshalb kann es ein "Weiter so" bei den ertragsorientiert genutzten Flächen nicht geben. Weltweit müssen wir beobachten, in welchem Tempo die Klimakrise voranschreitet: Immer längere Dürreperioden, Überflutungen und Starkregenereignisse oder sich verschiebende Jahreszeiten stellen besonders die Landwirtschaft vor enorme Schwierigkeiten.

Genau deshalb brauchen wir Ihre Pionierarbeit. Sie wollen mit der ToMOORow-Initiative den Moorbodenschutz zusammen mit der Landwirtschaft verwirklichen. Dafür braucht es neue Bewirtschaftungsformen und einen Markt für die daraus entstehenden Produkte. Einen Schlüssel dafür bildet die Paludikultur, also die Bewirtschaftung auf nassen Flächen. Mit der aus Palduikultur gewonnenen Ernte kann es gelingen, marktfähige Produkte zu produzieren, die Landwirtinnen und Landwirte ein nachhaltiges und auskömmliches Einkommen generieren.

So kann aus der Win-Win-Situation eine Win-Win-Win-Situation werden, von der Natur, Klima und Landwirtschaft profitieren.

Solche Situationen zu schaffen ist kein Selbstläufer. Damit die betroffenen Betriebe die Umstellung ökonomisch sinnvoll planen und umsetzen können, brauchen sie verlässliche politische und finanzielle Unterstützung. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz stellt mein Ministerium dafür umfangreiche Mittel zur Verfügung. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Ausgestaltung der entsprechenden Fördermaßnahmen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Cem Özdemir wollen wir den Übergang auf eine nasse Bewirtschaftung mit passenden Förderinstrumenten zügig ermöglichen.

Wir sind hier im Begriff, eine über Jahrhunderte gewachsene Entwicklung zu stoppen und ganz grundsätzlich zu verändern. Solche Prozesse benötigen Zeit. Ich weiß, dass manche meinen, das könne noch schneller gehen. Ihnen versichere ich, dass wir diese Prozesse voller Energie und so schnell wie möglich vorantreiben.

Das Umweltministerium hat 2021 vier Pilotvorhaben zu Paludikulturen auf den Weg gebracht. Zusammen mit Michael Succow hatte ich im letzten Jahr die Gelegenheit, eines zu besuchen. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Erste Flächen sind bereits wiedervernässt und auch die erste Ernte wurde eingebracht. Schon jetzt fragen Unternehmen das Material aus dieser nassen Bewirtschaftung an und entwickeln Ideen für dessen Nutzung. Das beweist ja auch dieses Redepult!

Das ist wichtig. Denn bestehende Wertschöpfungsketten müssen für die neue Bewirtschaftung angepasst oder völlig neu etabliert werden. Nur wenn es einen Absatzmarkt für die nachhaltigen Produkte gibt, sind Landwirtinnen und Landwirte bereit, sich freiwillig auf eine Wiedervernässung ihrer Flächen einzulassen.

Mit der ToMOOrow-Initiative gewinnen Sie neue Erkenntnisse darüber, wie sich das Material aus einer nassen Bewirtschaftung in bestehende Produktionsprozesse einfügen lässt. So helfen Sie Landwirtinnen und Landwirte, neue Märkte zu erschließen. Damit schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, die Bewirtschaftung anzupassen. Landwirtinnen und Landwirte können so auf die Zukunft von Produkten aus der Paludikultur vertrauen. Dafür braucht es auch die Unterstützung der Industrie: Ich setze darauf, dass auch Sie, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Industrie, für diesen Prozess als starke Partner zur Verfügung stehen.

Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der mich und viele Menschen im Land bewegt. Wir erleben im Augenblick, wie populistische und rechtsextremistische Kräfte unsere Demokratie in Frage stellen, unsere Verfassung angreifen und Fake News verbreiten. Diese Feinde der Demokratie haben auch die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte für ihre Zwecke missbraucht. Natur- und Umweltschutz stehen unter Druck, das bekommen auch unsere Pilotprojekte immer wieder zu spüren. Dabei sind genau diese Pilotprojekte und die Modellvorhaben des Landwirtschaftsministeriums ein Wegweiser, wie der Umbau gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten gelingen kann. Und dafür steht auch Ihre Initiative. Sie trägt dazu bei, Vertrauen zu schaffen, dass die Herausforderungen gemeinsam gelingen können. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Unterstützung und Ihre Arbeit. Sie ist eine Investition in eine bessere Zukunft. Als Pioniere finden Sie hoffentlich viele Nachahmer!

30.04.2024 | Rede Naturschutz | Berlin

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