Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke beim Forum Wirtschaft und Verbraucher 2022

18.10.2022
Bundesministerin Steffi Lemke
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke hat beim Forum Wirtschaft und Verbraucher 2022 eine Rede gehalten.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr über die Einladung und die Gelegenheit, heute über die Verbraucherschutzpolitik in dieser Zeit paralleler Krisen sprechen zu können. Gerade jetzt ist der Verbraucherschutz ganz besonders und neu herausgefordert.

Ich bin dem BDI deshalb dankbar, dass er das Thema nicht zurückgestellt hat. Wir müssen natürlich über die Folgen des Krieges gegen die Ukraine, über Inflation und Energiepreise reden. Ihre Unternehmen sind davon betroffen und nicht wenige sogar existenziell. Aber wir sind auch auf die Verbraucherinnen und Verbraucher angewiesen, damit diese Krisen gelöst werden können. Deshalb ist es gut, dass dieses Forum heute stattfindet.

Viele Menschen wissen gerade angesichts der Inflation nicht, ob sie mit ihrem Geld bis ans Monatsende kommen. Gerade in Krisenzeiten ist Verbraucherpolitik deshalb auch Sozialpolitik. Das 200-Milliarden-Paket der Bundesregierung und die geplanten Entlastungsmaßnahmen sind damit eine wichtige Stütze. Insbesondere die Strom- und Gaspreisbremse wird die Menschen spürbar entlasten. Damit schaffen wir ein großes Stück Verlässlichkeit in diesen unsicheren Zeiten. Die Bedeutung stabiler Verhältnisse für Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland und Europa darf nicht unterschätzt werden. Schließlich tragen Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren Ausgaben rund zur Hälfte zum Bruttosozialprodukt der Europäischen Union bei. Damit das so bleibt, brauchen wir auch faire Rahmenbedingen auf den Märkten. Sie sorgen für Verbrauchervertrauen und nützen den Unternehmen. Deshalb finde ich es absolut richtig, dass dieses Forum auch die Rahmenbedingungen für die Märkte diskutieren wird.

Unsere Gesellschaft muss jetzt zusammenstehen. Wir wehren uns gemeinsam gegen die Erpressungsversuche Wladimir Putins und lösen uns Schritt für Schritt aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Das ist alles andere als einfach und dennoch ist schon eine Menge erreicht. Die Gasspeicher sind gefüllt, LNG-Terminals sind geplant, viele Haushalte und Unternehmen sparen Energie ein.

Und ich füge als Umweltministerin hinzu: Wir müssen dabei immer den Umwelt- und Klimaschutz gleichzeitig mit im Blick haben. Wir nehmen zwar kurzfristig höhere Emissionen durch die Kohleverstromung in Kauf. Gleichzeitig wird aber der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt. Hier ist in den letzten 15 Jahren leider viel liegengeblieben.

In der Verbraucherpolitik sind mir vier Aufgabenbereiche besonders wichtig:

1. Schutz vor Energiearmut und Überschuldung

Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung enthält weitere finanzielle Hilfen. Als Verbraucherschutzministerium setzen wir uns insbesondere für eine verbraucherfreundliche Umsetzung der Strom- und Gaspreisbremse ein. Ohne zeitnahe Unterstützungsmaßnahmen besteht die Gefahr einer Überschuldungssituation für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Gas- und Strompreisbremsen müssen daher schnell umgesetzt werden und direkt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen. Der Staat kann nicht alle zusätzlichen Kosten tragen – aber er muss soziale Härten abmildern. Für mich als Verbraucherministerin ist es daher wichtig, dass wir Strom- und Gassperren aufgrund der Energiekrise verhindern.

In Krisenzeiten ist es besonders wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Zugang zu Informationen und Hilfe haben. Das unterstützen wir mit Projekten der Verbraucherzentralen. Außerdem fördert mein Ministerium Projekte zum Schutz vor Ver- und Überschuldung, beispielsweise ein Projekt der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, das Menschen über den Umgang mit Schulden aufklärt und ihnen einen besseren Zugang zur Beratung ermöglicht.

Und noch wichtiger als vor der Krise schon sind Programme und Beratungen zur Energieeinsparung. Hier leisten die Verbraucherzentralen und Wohlfahrtsverbände eine wertvolle Unterstützungsarbeit, für die ich sehr dankbar bin.

2. Grüne Transformation und Nachhaltigkeit by design

Der Krieg gegen die Ukraine und die Corona-Pandemie haben die Abhängigkeit von globalen Produktions- und Lieferketten gezeigt. Die Getreideversorgung Afrikas aus der Ukraine ist genauso betroffen wie die Versorgung mit Computerchips aus Taiwan, weil dort Menschen an Covid erkrankt waren.

Darüber hinaus belastet der Konsum unseren Planeten sehr. Insbesondere in Bereichen mit kurzen Innovationszyklen ist das Abfallaufkommen enorm. Gerade einmal zweieinhalb Jahre wird ein Smartphone im Schnitt genutzt, bevor es in der Schublade oder im Müll landet.

Diese Wegwerfmentalität muss überwunden werden. Deshalb steht im Koalitionsvertrag, dass Produkte langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein müssen. Das ist heute oft nicht der Fall.

Ein wichtiges Vorhaben hierzu auf der europäischen Ebene ist eine neue Ökodesign-Verordnung. Deutschland setzt sich dabei für ein ambitioniertes Ökodesign ein. Die Anforderungen zum Ressourcenschutz aus der Ökodesign-Richtlinie sollen künftig für noch mehr Produkte gelten: Textilien, Möbel oder Zwischenprodukte wie Zement. Der Entwurf sieht zudem einen digitalen Produktpass und ein Ökodesign-Label vor, was ich ausdrücklich begrüße. Ich setze mich auch dafür ein, dass wir in Deutschland und in Europa mit einem „Recht auf Reparatur“ viele Maßnahmen zur besseren Reparierbarkeit von Produkten einführen.

Ein wichtiges Thema der Podiumsdiskussion nachher wird die Initiative der Kommission sein, Verbraucherrechte im ökologischen Wandel zu stärken.

Für Unternehmen ist wichtig, dass diese Nachhaltigkeit by design bei der Transformation hin zu einer krisenresistenten Wirtschaft hilft. Unternehmen können durch eine effizientere Produktion und einen geringeren Rohstoffverbrauch Kosten sparen und sich mit dem Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen unabhängiger von globalen Schwankungen machen. Mit der Bekämpfung von Greenwashing werden die Unternehmensanstrengungen für nachhaltige Produkte honoriert.

3. Stärkung digitaler Verbraucherrechte: KI-Verordnung, Data Act

Verbraucherrechte müssen auch in der digitalen Welt gesichert und gestärkt werden. Gerade hier müssen sich die Menschen auf einen starken gesetzlichen Schutz verlassen können, weil sie selbst kaum beurteilen können, was im Internet oder bei vernetzten Geräten im Hintergrund geschieht. Deshalb begleiten wir im Verbraucherschutzministerium entsprechende EU-Vorhaben wie den Data Act und die Verordnung für Künstliche Intelligenz.

Der Data Act hat großes Potenzial, zu einer nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Datennutzung beizutragen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, auf die Daten ihrer smarten Alltagsgeräte zuzugreifen und diese weiterzugeben. So könnten Reparatur und Wartung erleichtert und Elektroschrott vermindert werden. So darf zum Beispiel die Wahl einer Werkstatt für eine Autoreparatur nicht daran scheitern, dass eine freie Werkstatt nicht auf die Daten zugreifen kann. Gleichzeitig werden mehr Wettbewerb und Innovation bei Diensten im Zusammenhang mit vernetzten Geräten ermöglicht.

Auch künstliche Intelligenz wird einen immer größeren Einfluss auf unser Leben haben. Das bringt auch Risiken für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit sich. Ich setze mich daher auf europäischer Ebene für eine umfassende Definition von KI sowie die Einstufung von zusätzlichen verbraucherrelevanten Systemen als Hochrisiko-KI-Systeme ein, zum Beispiel:

  • Systeme der Emotionserkennung,
  • der individuellen Preisbildung
  • sowie der Eintreibung von Schulden.

Insbesondere Systeme, die im Versicherungs- und Finanzbereich eingesetzt werden, bergen ein hohes Risikopotenzial.

Beim Digital Services Act ist es uns gelungen, einige wichtige Verbesserungen aus Verbrauchersicht zu erreichen: zum Beispiel ein Verbot von irreführendem und manipulativem Web-Design sowie ein Verbot von personalisierter Werbung gegenüber Minderjährigen.

Künftig sollen sensible Daten wie politische Orientierung oder Gesundheitsdaten nicht mehr für personalisierte Werbung genutzt werden dürfen. Einen Vorschlag für einen elektronischen Widerrufsbutton – so wie im Koalitionsvertrag vereinbart – hat die Bundesregierung bereits auf EU-Ebene eingebracht.

4. Verbraucherfreundliche Umsetzung der Verbandsklagen-RL

Ein weiteres Anliegen ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verbandsklage. Verbraucherrechte sind nur halb so viel wert, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Hierzu hat das Bundesministerium der Justiz kürzlich einen Entwurf vorgelegt, der jetzt in der Bundesregierung abgestimmt wird.

Meine Damen und Herren, mit diesen Einblicken in die aktuelle Verbraucherschutzpolitik wünsche ich Ihnen eine spannende Diskussion.

Vielen Dank!

18.10.2022 | Rede Verbraucherschutz | Berlin
https://www.bmuv.de/RE10297
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