Im Gespräch mit Dr. Bettina Hoffmann: "Die Wasserwende schaffen wir nur gemeinsam!"

06.05.2024
In der Mai-Ausgabe des Praxismagazins für Trink- und Abwassermanagement anlässlich der internationalen Umweltmesse IFAT sprach Dr. Bettina Hoffmann unter anderem über die Nationale Wasserstrategie und das Klimaanpassungsgesetz.

wwt: Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Hoffmann, seit Jahren sind Sie und das Bundesumweltministerium international engagiert, wenn es darum geht, den CO2-Ausstoß deutlich zu senken, die Folgen des Klimawandels zu begrenzen und erforderliche Anpassungsmaßnahmen zu initiieren. Anfang März hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke an der 6. Umweltversammlung der Vereinten Nationen in Nairobi teilgenommen. Welche Auswirkungen sind durch den Klimawandel global auf die aquatischen Ökosysteme und unsere Wasserressourcen festzustellen?

Bettina Hoffmann: Wir müssen die Meere als Teil des Klimasystems verstehen. Sie sind ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und regulieren das Klima. Intakte marine Ökosysteme wie Seegraswiesen, Salzmarschen und Algenwälder binden auf natürliche Weise Kohlenstoff, ebenso das Sediment am Meeresboden. Umso wichtiger ist es, sie zu schützen. Gleichzeitig sind die Auswirkungen der Klimakrise in den Meeren deutlich zu spüren. Steigende Wassertemperaturen können für Meereslebewesen dramatische Folgen haben. Einige Fischarten bekommen weniger Nachwuchs, andere wandern in kühlere Gewässer ab. Tropische Korallenriffe können absterben. Ein bekanntes Beispiel ist das Great Barrier Reef in Australien, das seit einiger Zeit unter der Korallenbleiche leidet. Eine weitere Folge ist der Anstieg des Meeresspiegels. Doch nicht nur die ansteigenden Temperaturen, sondern auch der steigende CO2-Gehalt der Meere führt zu Beeinträchtigungen der Ökosysteme. Die Meere werden saurer. Auch dies hat Folgen für die marine Flora und Fauna und die Lebensbedingungen im Wasser. Bei der 6. Umweltversammlung der Vereinten Nationen Anfang März ist es uns gelungen mit einer Wasserresolution die zentrale Rolle des Sektors zur Bewältigung der dreifachen planetaren Krise zu unterstreichen. Hieran werden wir auch bei der nächsten Wasserkonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 2026 anknüpfen und verstärkt die zwischenstaatlichen Prozesse zu Wasser, Klima und Biodiversität miteinander verbinden. Wichtig ist für mich, dass wir Wasser konsequent im Rahmen der Weltklimakonferenz mitdenken. Wir müssen den globalen Wasserhaushalt stabilisieren, andernfalls wird es extrem schwer, unsere Klimaziele zu erreichen. Steigende Temperaturen treiben den Wasserkreislauf an und können signifikante Auswirkungen nicht nur global, sondern auch auf die regionale Verfügbarkeit von Wasser haben. Wir werden es zukünftig noch stärker mit häufigeren und intensiveren Dürren, extremen Niederschlagsmengen und extremen Wetterereignissen wie Stürmen oder Überschwemmungen zu tun haben. Diese Entwicklung hat massive negative Auswirkungen, nicht nur auf unsere Wasserressourcen und Frischwasserökosysteme, sondern auch auf andere Bereiche wie die Landwirtschaft, den Energiesektor und die Biodiversität. Auch in Deutschland haben wir diese Auswirkungen in den letzten Jahren vermehrt zu spüren bekommen.

Die Erderwärmung schreitet weiter voran. Die CO2-Emissionen haben 2023 einen neuen Höchstwert erreicht. Wie beurteilen Sie die Anstrengungen und Fortschritte auf globaler Ebene in den letzten Jahren? Wie kann die internationale Politik handlungsfähiger und die Zusammenarbeit intensiviert werden, sodass man letztlich substanzielle Fortschritte erreicht?

Seit der historischen Weltklimakonferenz in Paris 2015 ist einiges passiert und wir machen Fortschritte auf globaler Ebene, um der fortschreitenden Erderwärmung zu begegnen. Jedoch: Es reicht noch nicht aus. Wir brauchen nicht nur ein "Weiter-so", sondern ein "Mehr-davon". Hoffnung machen mir die jüngsten wegweisenden Erfolge: Auf der letzten Weltklimakonferenz hat sich die Weltgemeinschaft erstmals auf eine Abkehr von Öl, Gas und Kohle geeinigt. Bei der 15. Weltnaturkonferenz ist es gelungen, einen Schutzschirm für unsere Natur zu spannen. Das war ein wichtiger Schritt, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Mit der Einigung auf ein UN-Hochseeschutzabkommen hat die Weltgemeinschaft zudem ein klares Zeichen zum Schutz der Meere gesetzt. Diese Erfolge zeigen: Multilateralismus kann funktionieren. Internationale Zusammenarbeit ist für die Lösung der globalen Umweltkrisen essenziell, und sie gelingt – auch in geopolitisch herausfordernden Zeiten. Bewährt haben sich dabei starke Partnerschaften, bilateral und multilateral. Deutschland engagiert sich in Klima- und Umweltpartnerschaften mit Ländern aus der ganzen Welt und sollte dies verlässlich weiter tun.

In wenigen Tagen beginnt die international wichtigste Umwelttechnologiemesse IFAT in München, die Bundesumweltministerin Steffi Lemke gemeinsam mit Bayerns Umweltminister Torsten Glauber eröffnet. Welche Erwartungen verbinden Sie damit?

Angesichts der Klimakrise, knapper Rohstoffe und unsicherer Lieferketten muss die Wirtschaft der Zukunft Ressourcen sehr viel effizienter nutzen, als wir das heute tun. Kreislaufwirtschaft ist ein entscheidender Hebel zur Klimaneutralität. Zirkuläres Wirtschaften macht Unternehmen unabhängiger von Rohstoffimporten und damit wettbewerbsfähiger und krisenfester. Kreislaufwirtschaft schafft zudem neue Märkte und Geschäftsmodelle. Die IFAT ist eine wertvolle Plattform für Vernetzung und Austausch mit Experten aus der ganzen Welt. Auch ich werde selbst vor Ort sein und mit Verbänden und Unternehmen Lösungsansätze diskutieren.

Das Leitthema der IFAT fokussiert auf Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels. Hat die Wasserthematik einen ausreichenden Stellenwert in der Politik und welchen Stand haben wir bislang erreicht?

 Wasser ist für uns Menschen lebenswichtig. Wir müssen alles dafür tun, um unser Wasser zu schützen – für uns und für nachfolgende Generationen. Die Folgen der Klimakrise für Mensch und Natur zwingen uns zum Handeln. Die vergangenen Dürrejahre haben deutliche Spuren in unseren Wäldern, Flüssen und Seen sowie in der Landwirtschaft hinterlassen. Extremwetterereignisse treten immer häufiger auf und stellen Kommunen und Länder vor große Probleme. Auch das Thema Wasserverschmutzung ist trotz vieler Erfolge noch lange nicht vom Tisch. Hier setzt unsere Nationale Wasserstrategie an. Sie schafft einen Rahmen dafür, dass sauberes Wasser immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar ist. Mit dem „Aktionsprogramm Wasser“ haben wir uns dafür ein umfassendes Maßnahmenbündel vorgenommen, das wir nun gemeinsam mit den Ländern und Stakeholdern umsetzen.

Eine Wasserexpertin äußerte kürzlich, dass die Wasserknappheit weniger oder nicht primär auf den Klimawandel zurückzuführen sei, sondern das Ergebnis jahrhundertelangen Wassermissmanagements und -raubbaus ist. Dennoch wirkt die Klimakrise auch immer stärker auf den natürlichen Wasserkreislauf. Wie beurteilen Sie die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserressourcen in städtischen Gebieten und die dafür erforderlichen Maßnahmen? Wo sehen Sie die Metropolen und Kommunen in der Zukunft?

Die verfügbare Wassermenge nimmt ab. Das ist auch eine Folge steigender Temperaturen und zunehmender Dürren durch die Klimakrise. Klar ist: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Wasserpolitik. Ein nachhaltiges Wassermanagement muss darauf abzielen, Wasser in der Landschaft zu halten. Das schafft Vorsorge vor den Folgen der Klimakrise und stärkt den natürlichen Wasserhaushalt. Für ein nachhaltiges Wassermanagement haben Kommunen eine wichtige Rolle. Viele Städte verfolgen das Konzept der Schwammstadt, das mehrere Aspekte zusammendenkt: Verkehrsräume, begrünte Fassaden- und Dachflächen, technische und soziale Infrastrukturen, aber auch private Gärten und öffentliche Parks. Vernetzte Grünflächen und Gewässer schaffen Entlastung bei städtischen Hitzewellen und puffern Starkregenereignisse ab. Gleichzeitig verbessern diese Flächen als Habitate und Erholungsräume die Gesundheit sowie die Umwelt- und Lebensqualität.

In welche Richtung müssen sich die Anstrengungen der Politik, der Kommunen und der Wirtschaft jetzt vorrangig orientieren? Welche Initiativen werden ergriffen, um die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels zu verbessern und die Widerstandsfähigkeit von Kommunen und Ökosystemen gegenüber Extremwetterereignissen zu stärken?

Diese Bundesregierung hat sich der Klimaanpassung verschrieben wie keine zuvor. Mit dem ersten Klimaanpassungsgesetz haben wir einen gemeinsamen Handlungsrahmen für Bund, Länder und Kommunen geschaffen. Darüber hinaus tragen alle Ressorts zur Klimaanpassungsstrategie bei. Naturbasierte Maßnahmen stehen dabei im Vordergrund. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz sollen Wälder, Moore oder auch Flussauen wieder in die Lage versetzt werden, den natürlichen Wasserhaushalt langfristig zu sichern. Hierfür stellen wir bis 2027 insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Im letzten Jahr wurde die Nationale Wasserstrategie verabschiedet. DVGW und DWA haben Ende 2023 ihre Roadmap 2030, eine Handlungsagenda für die Wasserwirtschaft, vorgestellt. Den erzielten Fortschritten stehen zum Beispiel Lücken im Baurecht, fehlende Ressourceninformationssysteme, lange Fristen bei Genehmigungsverfahren oder eine unzureichende länderübergreifende Zusammenarbeit wichtiger Akteure entgegen. Am Ende werden die Fortschritte an praxiswirksamen Ergebnissen gemessen. Sehen Sie uns auf dem Weg zur Wasserwende und wo muss nachjustiert werden?

Mit der Nationalen Wasserstrategie und dem Aktionsprogramm Wasser stellen wir heute die Weichen für ein nachhaltiges Wassermanagement. Der Wandel kann aber nicht von heute auf morgen passieren. Viele Maßnahmen brauchen Zeit, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Jetzt geht es auch darum, zu priorisieren. Besonders wichtig ist es für uns, Lösungen für den Umgang mit Nutzungskonkurrenzen bei Wasserknappheit zu finden. Dafür entwickeln wir gemeinsam mit den Ländern eine Leitlinie, die einen verlässlichen einheitlichen Handlungsrahmen vorgeben soll. Ebenso wichtig ist das geplante Förderprogramm "Klimabezogene Maßnahmen in der Wasserwirtschaft und Gewässerentwicklung", das wir im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz auf den Weg bringen. Das Förderprogramm wird mit 290 Millionen Euro ausgestattet sein. Dazu kommen rund 70 Millionen Euro für Entsiegelungsprojekte. Davon profitiert auch die Wasserwirtschaft. Klar ist: Die Wasserwende schaffen wir nur gemeinsam. Die Nationale Wasserstrategie liefert dafür den entscheidenden Rahmen.

Inwieweit sind aktuelle Wasserinfrastrukturprojekte darauf ausgerichtet, den Herausforderungen des Klimawandels und den demografischen Entwicklungen zu begegnen und gleichzeitig eine nachhaltige sowie resiliente Trinkwasserversorgung sicherzustellen?

Um es klar zu sagen: Wir haben in Deutschland eine hervorragende und effiziente Trinkwasserversorgung. Auch in den Dürresommern gab es flächendeckend keine Probleme bei der Aufrechterhaltung der Versorgung. Das soll und muss auch so bleiben. Die Wasserversorger haben uns hierfür entsprechende Hinweise und Handlungsbedarfe gegeben. Diese haben wir in der Nationalen Wasserstrategie aufgegriffen. Viele Infrastrukturprojekte adressieren die Auswirkungen der Klimakrise auf die Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität. Dies umfasst die Verbesserung der Bedarfsprognostik, die Errichtung von Hochwasserschutzanlagen, die Anpassung von Wassereinzugsgebieten zur effektiveren Bewältigung von Dürren und Überschwemmungen sowie die Implementierung von Technologien zur Bewältigung und zum Management von Extremwetterereignissen. Ein weiterer Fokus liegt auf einer effizienteren Wassernutzung. Hier geht es beispielsweise um Technologien zur Wasserrückgewinnung und -aufbereitung. Die Nutzung von Regenwasser und die Einrichtung von Wasserspeichern auf lokaler Ebene können zusätzliche dezentrale Lösungsansätze bieten. Natürlich, das möchte ich an dieser Stelle nicht vergessen, ist es auch notwendig, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu sensibilisieren und einen bewussten Umgang mit Wasser zu fördern.

Wie unterstützt der Bund die Forschung und Innovation in Bezug auf eine wasserbewusste Stadtplanung und -entwicklung, um eine effiziente Nutzung von Wasserressourcen in urbanen Gebieten zu fördern?

Hitze- und Dürreperioden nehmen zu. Darauf müssen wir uns gerade im urbanen Raum noch besser einstellen, damit unsere Städte lebenswert bleiben. Zahlreiche Kommunen haben sich bereits mit innovativen Konzepten auf den Weg gemacht. Grün-blaue Infrastrukturen sorgen für lebenswerte urbane Räume, nicht nur an Hitzetagen. Sie machen unsere Städte krisenfest für Zeiten mit zu viel Wasser genauso wie für Zeiten mit zu wenig Wasser. Damit wir den Erfahrungsaustausch und das Wissen in das ganze Land tragen und intensivieren können, fördert mein Haus beispielsweise das Zentrum Klimaanpassung und Klimamanager.

In die Ertüchtigung der kommunalen Kläranlagen investieren die Betreiber viele Millionen Euro, um die Energieeffizienz zu steigern, mehr Eigenstrom zu erzeugen, Spurenstoffe zu entfernen oder Phosphor aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Wie kann der Transformationsprozess beschleunigt und von der Politik finanziell gestützt werden?

Wir haben weit über 9.000 Kläranlagen in Deutschland. Pro Jahr werden rund fünf Milliarden Euro in den Abwassersektor investiert. Viele Betreiber haben sich bereits auf den Weg gemacht, um die Energieeffizienz von Kläranlagen zu verbessern. Das ist schon allein sinnvoll, um Betriebskosten zu senken und die Abwasserentgelte stabil zu halten. Der Bund unterstützt diese Bemühungen. Durch die Umsetzung der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie wird der Transformationsprozess weiter an Fahrt gewinnen. Die Richtlinie soll noch in diesem Jahr im September oder Oktober veröffentlicht werden. Mit ihrem Inkrafttreten wird die Einführung der vierten Behandlungsstufe verpflichtend, die Spurenstoffe aus dem Abwasser entfernen soll. Neu ist auch die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung, die einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung dieser vierten Reinigungsstufe leisten wird. Die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm sieht die EU-Kommunalabwasserrichtlinie ab spätestens 2029 vor. In der deutschen Klärschlammverordnung ist das bereits seit 2017 gesetzlich festgeschrieben.

Die Umweltbranche findet in der IFAT ihr Schaufenster, um ihre Leistungsfähigkeit zu demonstrieren. Wie sehen Sie die Branche für die besprochenen Herausforderungen aufgestellt?

In meinen Gesprächen mit Branchenvertretern merke ich immer wieder, dass sich die Branche sehr gut auf die aktuellen Herausforderungen eingestellt hat und dabei auch zukünftige Herausforderungen vorausschauend mit in den Blick nimmt. Mit hohem Engagement wird an konkreten Lösungen gearbeitet und bei Bedarf auch wertvolle Grundlagenarbeit geleistet, beispielsweise im Bereich der Forschung. Gerade in den Sektoren der Daseinsvorsorge ist dies zentral, damit wir auch in Krisenzeiten resilient und versorgungssicher bleiben. Ich freue mich, dass wir hier in Deutschland so stark aufgestellt sind.

Vielen Dank für das informative Gespräch!

Das Gespräch führte Nico Andritschke.

© wwt

Informationen

Nationale Wasserstrategie

Eine krisenfeste Strategie für unser Wasser

06.05.2024 | Medienbeitrag Wasser und Binnengewässer

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