Was ist Bioökonomie?
Rahmenbedingungen
Fossile Rohstoffe wie Öl, Gas und Kohle stecken in vielen Produkten, die wir täglich gebrauchen - vom Shampoo über Turnschuhe bis hin zur Wandfarbe. Um den Klimawandel und andere ökologische Krisen wie den Verlust der Artenvielfalt zu begrenzen, müssen wir die fossilen Energieträger im Boden lassen und unser Wirtschaftssystem Schritt für Schritt auf biobasierte Rohstoffe und Produkte umstellen. Biobasiert bedeutet, dass neben Pflanzen und Holz auch andere nachwachsende organische Reststoffe, Algen, Insekten oder Mikroorganismen als Rohstoff genutzt werden. Doch dieser Ansatz ist nicht konfliktfrei: Auf dem Acker werden vorrangig Lebens- und Futtermittel produziert, der Wald wird als Lebensraum für viele Tiere, aber auch als Rohstofflieferant zum Bauen und Heizen gebraucht. Landwirtschaftliche Flächen und biologische Rohstoffe sind schon jetzt ein knappes Gut.
Gesellschaft im Wandel
Wir haben die Welt, in der wir leben, überstrapaziert. Der Klimawandel oder der Verlust an Biodiversität zeigen uns die Konsequenzen auf. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Gesellschaft darüber Gedanken machen, wie wir in Zukunft produzieren und konsumieren können, ohne die planetaren Belastungsgrenzen zu überschreiten. Eine Maßnahme ist die Umstellung der Wirtschaft auf biologische und erneuerbare Ressourcen. Doch damit geht ein Wandel des gewohnten Lebens für jede Einzelne und jeden Einzelnen einher, ein Wandel, der in einer Demokratie von uns allen mitgestaltet werden kann. Die Bundesregierung gibt mit der Nationalen Bioökonomiestrategie eine Richtung für die weitere Entwicklung vor.
Zielsetzung
Die Bioökonomie nutzt land- und forstwirtschaftlich erzeugte Rohstoffe ebenso wie organische Reststoffe, Tiere, Mikroorganismen, Insekten oder Algen. Eine nachhaltige und naturverträgliche Bioökonomie soll dazu beitragen, den Einsatz fossiler Rohstoffe, den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen und den Verlust an Biodiversität zu begrenzen. Nachwachsende Ressourcen werden zunehmend als Rohstoff eingesetzt. Mit dem besseren Verständnis von biologischen Systemen und technologischen Lösungen können neue Produkte hervorgebracht werden. Innovative Technologien wie zur Rückgewinnung von Phosphat aus Klärschlamm oder Gärresten ermöglichen die effiziente Nutzung biobasierter Rohstoffe in Kaskaden oder Kreisläufen.
Anwendungsbereiche
Mit neuen Verarbeitungstechnologien können diverse Rohstoffe in hochwertige Nahrungs- und Futtermittel, Chemikalien, Baustoffe, Konsumgüter oder Kraftstoffe umgewandelt werden. Die Bioökonomie umfasst dabei eine Vielzahl an verschiedenen Anwendungsbereichen, die in den folgenden Unterkapiteln näher vorgestellt werden:
In allen Anwendungsbereichen spielt die Forschung eine wichtige Rolle. Es gibt jedoch einen wichtigen Faktor, der sich stark limitierend auf die angestrebte Ausweitung der Bioökonomie auswirkt – der Flächenbedarf:
Deutschland verfügt insgesamt über eine landwirtschaftliche Fläche von circa 17 Millionen Hektar. Zusätzlich wurden von Deutschland zwölf Millionen Hektar, das ist ein gutes Drittel der Fläche Deutschlands, im Ausland für Futter- und Nahrungsmittelimporte in Anspruch genommen. Diese Flächen liegen größtenteils in Südamerika, vor allem in Brasilien und Argentinien, und werden vorrangig für den Anbau von Soja genutzt.
Chancen und Risiken von Bioökonomie
Das Konzept der Bioökonomie birgt vor dem Hintergrund des Naturschutzes und dem Erhalt der biologischen Vielfalt eine Reihe von Chancen. Doch auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel: Die planetaren Belastungsgrenzen geben uns einen strengen Rahmen für die zukünftige Gestaltung der Bioökonomie vor.
Chancen
Wissen und Innovation sind zentrale Bestandteile der Bioökonomie. Die Entwicklung umweltfreundlicher und ressourcensparender Produktions- und Verarbeitungsmethoden kann auf vielfältige Weise zu einer umweltverträglichen und nachhaltigen Bioökonomie in neuen regionalen Wertschöpfungsketten aufgebaut werden. Auch die Anwendung innovativer land- und forstwirtschaftlicher Bewirtschaftungsmethoden bietet Chancen für einen verbesserten Umwelt- und Klimaschutz.
Die Digitalisierung und insbesondere Anwendungen des Precision Farmings können gezielt Dünge- und Pflanzenschutzmittel standortspezifisch auftragen und somit helfen, diese langfristig einzusparen. Neue Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft wie Agroforstsysteme (eine Kombination aus Gehölzen mit Ackerbau und/oder Tierhaltung) sorgen für eine Verbesserung der lokalen Biodiversität, des Nährstoffhaushaltes sowie der Boden- und Grundwasserqualität. Durch Kaskaden- und Kreislaufwirtschaft werden Rohstoffpotentiale stofflich und energetisch möglichst effizient ausgenutzt. Auch lassen sich verschiedene Bioökonomie-Konzepte an charakteristische Standortgegebenheiten anpassen. Durch die Nutzung lokalspezifischer Rohstoffe werden neue Wertschöpfungspotentiale erschlossen. Somit werden anspruchsvolle Arbeitsplätze geschaffen und die Attraktivität ländlicher Regionen gesteigert.
Risiken
Die Grundidee der Bioökonomie basiert auf dem Austausch der fossilen durch eine nachwachsende, biobasierte Rohstoffbasis. Begriffe wie erneuerbar oder nachwachsend suggerieren eine grenzenlose Verfügbarkeit der Rohstoffe. Allerdings werden schon heute die ökologischen Belastungsgrenzen der Biomasseproduktion überschritten. Deutschland importiert einen Großteil seiner Flächen aus dem Ausland, um den Biomassebedarf decken zu können. Die Ausweitung der Bioökonomie wird mit einem zunehmend wachsenden Bedarf an biobasierten Rohstoffen einhergehen. Damit zukünftig neben gesunden Lebens- und Futtermitteln auch ausreichend Bioenergie und Biomasse für die Industrie bereitsteht, erhöht sich der Druck auf verfügbare (Natur-)Flächen.
Der Ausbau der industriellen Biomasseproduktion führt somit zu einem verstärkten Nutzungsdruck auf Naturlandschaften und einem weiteren Verlust an Arten- und Lebensraumvielfalt. Der hohe Verbrauch an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln schädigt Wasser und Böden. Eine 1:1-Substitution erdölbasierter Rohstoffe kann und darf nicht das Ziel der Bioökonomie sein. Dieser Konflikt lässt sich langfristig nicht allein durch die Anwendung intelligenter Technologien vermeiden, sondern erfordert gleichzeitig ein bewussteres (suffizientes) Konsumverhalten – Weniger, Besser, Regionaler.