Altlasten in Deutschland
Zivile Altlasten
Die Mehrzahl der in Deutschland erfassten, mit Schadstoffen belasteten Standorte sind sogenannte "zivile Altlasten" - durch menschliche Aktivitäten verursachte Kontaminationen (Verunreinigungen) von Böden und Grundwasserkörpern. Sie sind das Ergebnis einer 150-jährigen zivilisatorischen Entwicklung, die auf den Schutz des Bodens und der Gewässer nicht allzu viel Rücksicht nahm. Als Umweltproblem sind sie in Deutschland seit dem Ende der siebziger Jahre bekannt. Neben den tausenden Altdeponien und ungeregelten Abfallablagerungen kamen eine Vielzahl von mit Schwermetallen, Chemikalien und anderen Schadstoffen verunreinigten Flächen hinzu, die durch unsachgemäßen Umgang mit gefährlichen Stoffen auf Industriestandorten oder Verkehrswegen entstanden.
Am 1. März 1999 trat das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG) in Kraft sowie die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) im Juli 1999. Seitdem bestehen bundeseinheitliche Regelungen zum nachsorgenden Bodenschutz und der Sanierung vorhandener Verunreinigungen und hinsichtlich des vorsorgenden Bodenschutzes, der die Entstehung schädlicher Bodenverunreinigungen von vorne herein verhindern soll.
Einige Länder, hatten bis dahin auf der Grundlage eigener "Landesbodenschutzgesetzte" agiert, ansonsten war für die Altlastenbearbeitung das allgemeine Ordnungsrecht sowie das Abfall-, Wasser-, Immissionsschutz- und Naturschutzrecht einschlägig.
Im Juli 2021 wurde die BBodSchV im Rahmen der sogenannten Mantelverordnung novelliert. Die Änderungen sind am 1. August 2023 in Kraft getreten.
Die grundsätzliche Zuständigkeit für die Erfassung, Bewertung und Sanierung von Altlasten liegt in Deutschland gemäß Artikel 30 Grundgesetz bei den Ländern.
Das Bundes-Bodenschutzgesetz definiert Altlasten als
- stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
- Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist (Altstandorte),
durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.
Als altlastverdächtige Flächen werden Altablagerungen und Altstandorte bezeichnet, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit besteht. Die Untersuchung altlastverdächtiger Flächen ist im BBodSchG und in der BBodSchV geregelt und gliedert sich grob in die Erfassung, orientierende Untersuchung und Detailuntersuchung. Gehen akute Gefahren von einer Fläche aus, sind Sofortmaßnahmen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr einzuleiten.
Wird die Fläche von der zuständigen Bodenschutzbehörde zur Altlast erklärt, ist im nächsten Schritt über die weiteren Maßnahmen zu entscheiden. Sollte sich herausstellen, dass eine Sanierung erforderlich ist, sind die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen und es können sowohl Dekontaminationsverfahren zur Entfernung der Schadstoffe als auch Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung der Schadstoffausbreitung zum Einsatz kommen. Dies wird in der konkreten Sanierungsplanung erarbeitet. Die hierfür jeweils notwendigen Maßnahmen werden ebenfalls durch das BBodSchG und die BBodSchV bestimmt.
Die Erfassung von Altlasten und Altlastenverdachtsflächen sowie deren erfolgte Sanierung wird in den Altlastenkatastern der Länder dokumentiert. Eine Zusammenstellung der Kennzahlen der Altlastenstatistiken der Bundesländer gibt es seit den 1980er Jahren und wird seit 2005 auf der Webseite der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) zusammen mit den Erhebungsgrundsätzen der Bundesländer veröffentlicht und jährlich aktualisiert. Bisher konnte in Deutschland die Sanierung von rund 35.700 Altlasten abgeschlossen werden (Stand 2021).
Tritt eine Altlast auf bundeseigenen Liegenschaften auf, so ist der Bund sanierungspflichtig und trägt die Kosten. Zuständig hierfür sind verschiedene Bundesressorts. Neben dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) beziehungsweise der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sind dies das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) – soweit es sich um Bundeswehr-Liegenschaften handelt – sowie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bei allen Altlasten auf Bundesverkehrswegen.
Die Baufachlichen Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz gelten für die Planung und Ausführung der Untersuchung und Sanierung schädlicher Bodenveränderungen, Altlasten und Grundwasserverunreinigungen und sind seit mehr als 25 Jahren auf Bundesliegenschaften des BMI und des BMVg von den Bundesbauverwaltungen verbindlich anzuwenden.
Militärische Altlasten
Im Ergebnis der politischen Veränderungen in Europa und des damit verbundenen Abrüstungsprozesses ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1991 die militärische Nutzung von circa 50 Prozent der ehemals eine Million Hektar militärisch genutzter Fläche aufgegeben worden. Dieser Prozess umfasste den Abzug der Westgruppe der ehemaligen sowjetischen Truppen, Liegenschaften der Nationalen Volksarmee der DDR, der NATO sowie der Bundeswehr. Auf einer Vielzahl dieser Liegenschaften resultieren die Umweltschäden jedoch nicht nur aus der militärischen Nutzung nach 1945, sondern auch aus dem militärischen Betrieb vor und während des Zweiten Weltkrieges.
Mit Vorlage des Sondergutachtens "Altlasten II" im Januar 1995 schlug der Sachverständigenrat für Umweltfragen in Abgrenzung zum Bereich der zivilen Altlasten den Oberbegriff "Militärische Altlasten" vor, den er wie folgt definierte:
Militärische Altlasten sind Altstandorte der Militärproduktion und des Militärbetriebs, sofern von ihnen Gefährdungen für die Umwelt, insbesondere für die menschliche Gesundheit, ausgehen oder zu erwarten sind.
Militärische Altlasten unterscheiden sich von den sogenannten zivilen Altlasten durch eine Reihe von Besonderheiten. Es handelt sich in der Regel um begrenzte Flächen, die auf vergleichsweise sehr großen Liegenschaften im Altlastenverdacht stehen.
Vom Schadstoffspektrum her handelt es sich überwiegend um Verunreinigungen des Bodens mit Mineralölkohlenwasserstoffen und ähnlichen Substanzen (Treibstoffe) sowie mit halogenierten Kohlenwasserstoffen. Häufig finden sich beträchtliche Mengen, wenn Leckagen nicht erkannt wurden und die Verunreinigung durch den Austritt von Schadstoffen über einen längeren Zeitraum erfolgte. Das gleiche gilt für Kontaminationen in den Wartungsbereichen, wenn dort über lange Zeit hinweg ein allzu sorgloser Umgang mit wassergefährdenden Stoffen stattfand. In den letzten Jahren wurden vermehrt mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen verunreinigte Altlasten insbesondere im Bereich der militärischen Flughäfen und Feuerlöschübungsplätzen entdeckt.
Aufgrund des Ausmaßes militärischer Altlasten hat ihre Erfassung, Bewertung und Sanierung einen hohen Stellenwert. Die Zuständigkeit hierfür liegt bei den Ländern.
Rüstungsaltlasten
Die Rüstungsaltlasten aus dem ersten und zweiten Weltkrieg stellen auch nach mehr als 80 Jahren in Deutschland immer noch ein aktuelles Problem bei der Bearbeitung von Altlasten dar.
Ihr ganz spezifisches Schadstoffspektrum unterscheidet sie hinsichtlich der Gefährdung und der Sanierungsmöglichkeiten deutlich von den sogenannten zivilen Altlasten. Bei den als Rüstungsaltlasten bezeichneten Grundstücken handelt es sich um Altstandorte und Altablagerungen, auf denen insbesondere rüstungsspezifische Stoffe (zum Beispiel Explosivstoffe, chemische Kampfmittel, Brand- und Rauchstoffe, Produktionsrückstände) entwickelt, erprobt, hergestellt, verarbeitet, gelagert oder vernichtet wurden.
Eine Bestandsaufnahme, die Mitte der 1990er Jahre vom Umweltbundesamt im Auftrag des Bundesumweltministeriums veranlasst wurde, erfasste insgesamt 3.240 Rüstungsaltlastverdachtsflächen. Das Umweltbundesamt hat die aktive Bearbeitung dieser Themen mittlerweile eingestellt und führt seit 2003 keine Datenaktualisierung mehr durch. Neue Daten liegen dem BMU daher nicht vor.
Als Verdachtsflächen aus Rüstungsaltlasten werden grundsätzlich eingestuft:
- ehemalige Produktionsstätten
- Munitionslagerstätten
- Spreng- und Schießplätze
- Delaborierungswerke
- Zwischen- und Endablagerungsstätten für chemische Kampfmittel.
Vor Bodeneingriffen auf Verdachtsflächen ist zu prüfen, ob auf dem Gelände eventuell Kampfmittel vorhanden sein können. Konkrete Vorgaben zur praktischen Vorgehensweise geben hierzu die Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung. Diese sind in der Fachinformation Bundesbau verfügbar.
Die Kampfmittelräumung unterfällt nicht dem Bodenschutzrecht. Das Bundesbodenschutzgesetz schließt in seiner Definition des Anwendungsbereichs im Paragraf 3 (2) Satz 2 das Aufsuchen, Bergen, Befördern, Lagern, Behandeln und Vernichten von Kampfmittel ausdrücklich aus.
Zuständigkeiten:
- Die Kampfmittelräumung an Land liegt auf Bundesliegenschaften in der Zuständigkeit des BMI beziehungsweise des BMVg, wenn es sich um Bundeswehr-Liegenschaften handelt.
- Für die Beseitigung von Munition und Kampfstoffen in Nord- und Ostsee liegt die Federführung beim BMU da prioritäres Schutzgut das Meeresökosystem inklusive seiner lebenden Ressourcen ist. Rund 90 Tonnen (t) liegen in deutschen Meeresgewässern vor Helgoland, und rund 5.000 t südlich des Kleinen Belts zwischen Deutschland und Dänemark.
- Die Entsorgung chemischer Kampfstoffe erfolgt in Deutschland über die Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten mbH, einer bundeseigenen Gesellschaft im Geschäftsbereich des BMVg. Sie ist das einzige deutsche Unternehmen mit der Berechtigung zur systematischen Vernichtung von Chemiewaffen.
Zuständig für die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Kampfmittelräumung ist das BMF beziehungsweise die BImA. Der Bund trägt gemäß einer seit Jahrzehnten geübten Staatspraxis auch auf nicht bundeseigenen Liegenschaften die Kosten der Kampfmittelräumung, soweit es sich um reichseigene Kampfmittel handelt.
Radioaktive Altlasten
Bis zum 31. Dezember 2018 galt für die Sanierung radiologischer Altlasten in den neuen Bundesländern noch das DDR-Strahlenschutzrecht, während in den alten Bundesländern mangels spezieller Strahlenschutzvorschriften hilfsweise das Bodenschutzrecht herangezogen wurde, obwohl das BBodSchG und die BBodSchV keine materiellen Vorgaben enthalten, die der spezifischen Situation und den sachlichen Besonderheiten bei radiologischen Altlasten gerecht wurden, da das BBodSchG gemäß Paragraf 3 (2) hierfür keine Anwendung findet.
Dies änderte sich durch das neue Strahlenschutzgesetz (StrlSchG), welches zeitgleich mit konkretisierenden Regelungen der neuen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) am 31. Dezember 2018 in Kraft getreten ist. Es enthält erstmals auch Regelungen zur Bewältigung radioaktiver Altlasten. Nach diesem sind Altlasten Kontaminationen aus abgeschlossenen menschlichen Betätigungen, wenn der Referenzwert der effektiven Dosis von einem Millisievert pro Jahr überschritten wird. Die Strategien zum Umgang mit Altlasten orientieren sich an den Erfahrungen mit den Vorgaben des BBodSchG und der BBodSchV und den Erfahrungen aus der Stilllegung und Sanierung des Uranerzbergbaus sowie dessen radioaktiven Altlasten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Das Regelungskonzept sieht vor, dass das Vorliegen von Anhaltspunkten für eine radioaktive Altlast der zuständigen Strahlenschutzbehörde mitzuteilen ist, die dann über das weitere Vorgehen entscheidet.