– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Bruske,
sehr geehrter Herr Wohlleben,
sehr geehrter Herr Schröder,
sehr geehrte Teilnehmende hier im Saal und an den Bildschirmen,
herzlichen Dank für die Einladung zum WaldKlimaGipfel. Es freut mich sehr, dass ich Sie heute zu dieser zweitägigen Veranstaltung begrüßen darf.
Ich bin ziemlich sicher, dass es Vielen unter Ihnen in den letzten Wochen ähnlich ging wie mir: Sie waren erleichtert darüber, dass es endlich mal wieder geregnet hat. Denn hinter uns liegt ein extremer Dürresommer. Ausgetrocknete Flüsse, Rationierung von Trinkwasser und Waldbrände im Harz, in der Sächsischen Schweiz, in Brandenburg und anderen Teilen Europas: Das waren Meldungen, die diesen Sommer geprägt haben. In Berlin konnte man beobachten, dass einzelne Bäume grüne Blätter abgeworfen haben. Die große Hitze in diesem Jahr und die nun schon seit mehreren Jahren andauernde Dürresituation setzt die Bäume unter Stress und setzt unseren Wäldern insgesamt sichtbar zu. Die Folgen der sich zuspitzenden Klimakrise sind für den Wald besorgniserregend.
Es gibt aber noch weitere Faktoren, die den Zustand des Waldes beeinflussen.
Die letzte Bundeswaldinventur hatte beispielsweise ergeben, dass nur etwas mehr als ein Drittel der deutschen Waldfläche wirklich naturnah ist. Fichten- und Kiefernwälder gehören zu den dominanten Arten in Deutschland, obwohl diese an vielen Standorten natürlicherweise gar nicht vorkommen würden. Die Fichte zum Beispiel mag es kühl und feucht, wir kennen sie aus dem Norden oder den Alpenregionen. Einem oder gar mehreren Dürresommern wie zuletzt hält sie kaum Stand. Sie wurde plantagenartig angepflanzt, weil sie sich besonders gut für die schnelle Holzproduktion eignet. Aber dieser einseitige Fokus hat in eine Sackgasse geführt. Dort, wo Wald eigentlich eine Plantage ist, gibt es viel mehr Probleme als dort, wo Wald naturnah ist. Denn die Fichtenplantagen sind in Folge von Stürmen, Trockenheit und dem Befall des Borkenkäfers in vielen Regionen schlicht abgestorben oder aber sehr beschädigt.
Ich habe damals als junge Abgeordnete meine erste Rede zum damaligen Waldschadensbericht gehalten. Diesen gibt es gar nicht mehr, weil zwischendurch die Illusion aufgebaut wurde, der Wald sei gesund und wir hätten keine Probleme damit in Deutschland. Gesund ist der Wald jedoch seitdem nie gewesen, denn die Probleme von Monokulturen im Wald – zum Beispiel Biodiversitätsverlust und Bodenverdichtung – sind ja nie weg gewesen. Besser geworden ist es in Bezug auf den Schadstoffeintrag – der damalige Saure Regen – der durch Vorschriften zum Einbau von Filteranlagen eingedämmt wurde. Aber die einseitige Ausrichtung auf schnelle Holzproduktion hat andere Probleme verschärft und einen Beitrag dazu geleistet, dass wir uns heute hier treffen um über den Wald zu diskutieren.
Die Situation ist eine Bedrohung für den Wald und auch für viele Waldbesitzende ist diese Situation existenzbedrohend. Die Bundesregierung hat die Unterstützungsleistungen in den letzten Jahren daher massiv ausgebaut. Für die Zukunft braucht es aber einen Paradigmenwechsel für den Wald und für die Unterstützung, denn klar ist: Ein großer Teil der Waldfläche in Deutschland muss sich anders entwickeln, wenn er der Klimakrise auch künftig standhalten will. Darauf deuten auch aktuelle Studien hin und das gilt nicht nur für die schon jetzt geschädigten Flächen. Wälder müssen umgebaut und entwickelt werden zu naturnahen Waldökosystemen, die klimastabiler sind. Ansonsten besteht die Gefahr, dass auch die heute noch mehr oder weniger gesunden Waldflächen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten extrem geschädigt sind. Das kann niemand wollen. Deshalb freue ich mich, dass gemeinsam nach Antworten auf die Probleme gesucht wird.
Die Frage ist also: Wie kann der Wald der Zukunft aussehen? Welche Rolle soll er in der Gesellschaft haben und was ist dafür zu tun?
Eines hat sich in den letzten Jahren schon ziemlich deutlich gezeigt: Ein Weitermachen wie bisher kann nicht die Lösung sein.
Ich vermute, dass einige von Ihnen bereits davon gehört haben: Ich habe vor Kurzem das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vorgestellt.
Das zentrale Anliegen des Aktionsprogramms ist es, natürliche Ökosysteme zu schützen, zu stärken und wiederherzustellen. Die natürlichen Ökosysteme, die wir dabei in den Blick nehmen, sind Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, aber auch Grünflächen in der Stadt und auf dem Land.
Es setzt an der Schnittstelle zwischen Klimaschutz, Erhalt der biologischen Vielfalt und Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise an. Das Ziel ist es, nachhaltige Lösungen zu finden mit der Natur – nicht gegen sie.
Denn gesunde Ökosysteme sind natürliche Klimaschützer. Sie binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern es langfristig. Sie wirken zudem als Puffer gegen Extreme, weil sie Wasser in der Landschaft halten und weil sie besser Wasser aufnehmen können, das hilft bei Dürren und bei Starkregen. So tragen sie dazu bei, zum Beispiel vor Hochwasser zu schützen und bei Hitze für Abkühlung zu sorgen. Und schließlich erhalten sie unsere Lebensgrundlagen, bieten wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen und sind Rückzugsorte für Menschen – das gilt ja besonders für den Wald.
Gesunde Waldökosysteme können viel besser als Monokulturen mit Starkregen aber auch Dürresituationen umgehen. Für den Wald der Zukunft ist das zentral. Das hat auch Peter Wohlleben schon mehrfach eindrücklich geschildert.
Insgesamt enthält der Entwurf des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz 64 Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern. In den Entwurf sind schon viele Anregungen von außen, von Expertinnen und Bürgern eingeflossen. Und bis zum 28. Oktober haben Interessierte, haben Sie über einen Online-Dialog noch die Möglichkeit, sich zu dem Programm zu äußern. Ich lade Sie herzlich dazu ein. Die eingegangenen Kommentare werden wir prüfen und für die finale Fassung berücksichtigen.
Welche Vorschläge enthält das Aktionsprogramm konkret für den Wald? Ich möchte auf vier Maßnahmen hier etwas detaillierter eingehen.
- Instabile und gefährdete, oftmals naturferne Wälder müssen Vergangenheit werden – diesen Punkt hatte ich schon angesprochen. Das Ziel muss es sein, klimaresiliente, naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten langfristig zu etablieren. Denn nach Einschätzung vieler Experten sind Laubmischwälder grundsätzlich weniger anfällig gegen klimakrisenbedingte Wetterextreme. Zusätzlich haben Laubmischwälder einen positiven Einfluss auf die Grundwasserneubildung und unterstützen damit einen naturnahen Landschaftswasserhaushalt. Dadurch lässt sich übrigens auch die Gefahr von Waldbränden deutlich reduzieren. Der Fokus liegt bei dem Umbau und Entwicklung auf standortheimischen Baumarten, weil wir in meinem Ministerium der Überzeugung sind, dass die Bandbreite der heimischen Bäume ein ausreichendes Anpassungsvermögen an die Klimakrise bietet.
- Alte, naturnahe Buchenwälder müssen aus der Nutzung genommen werden. Das gilt zuerst für die Buchenwälder im Bundesbesitz, wie auch im Koalitionsvertrag angekündigt. Die Bundesregierung wird aber auch mit den Ländern gemeinsam erörtern, wie sie sich an dieser Maßnahme beteiligen. Deutschland zählt zum natürlichen Verbreitungsgebiet der Rotbuche. Um ihren Fortbestand dauerhaft zu sichern, müssen wir nutzungsfreie Wälder schaffen.
- Wir werden ein finanzielles Anreizsystem erarbeiten, um die Klimaschutz- und Biodiversitätsfunktionen von Wäldern zu stärken. Damit meine ich Maßnahmen, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Ich hatte das angesprochen: Die derzeit dominierenden Waldökosysteme sind auch Ergebnis einer starken Orientierung der Forstwirtschaft an der Holzproduktion. Das möchte ich ändern. Waldbesitzer, die ihren Wald künftig so bewirtschaften, dass er Klima und Biodiversität schützt, sollen davon profitieren. In der Transformation können Einnahmeverluste durch weniger Holzproduktion ausgeglichen werden, wenn diese Klimaschutz – und Biodiversitätsfunktionen über die staatlichen Vorgaben hinausgehen. Diese Vorgaben werden wir noch im Detail ausarbeiten, aber klar ist schon jetzt: Eine Förderung mit öffentlichen Geldern ist mit der Erbringung einer zusätzlichen öffentlichen Leistung verknüpft.
- Ich bin überzeugt, dass Deutschland seine Waldfläche vergrößern muss. Internationale Zielsetzungen wie etwa der Strategische Plan für Wälder der Vereinten Nationen 2017-2030 sehen vor, dass die globale Waldfläche um drei Prozent zunimmt. Das ist eine riesige Herausforderung. Denn auch wenn drei Prozent nach nicht viel klingen mag: Derzeit gehen Jahr für Jahr beachtliche Waldflächen durch legale und illegale Abholzung verloren. Der Beitrag Deutschlands zu diesem internationalen Ziel sollte deshalb nicht nur darin bestehen, andere Länder dabei zu unterstützen ihre Waldflächen dauerhaft zu erhalten. Wir müssen selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Ich bin sicher, Sie können sich mit vielen der skizzierten Waldmaßnahmen identifizieren. Ich weiß aber, dass die Umsetzung trotzdem eine große Herausforderung bleibt, weil einige der Überlegungen einen echten Paradigmenwechsel im Wald bedeuten. Waldbesitzende und die nachgelagerte Holzindustrie davon zu überzeugen, dass eine Fokussierung auf Fichtenholz keine erfolgreiche Strategie für die Zukunft darstellt, bedarf sicherlich noch etwas Überzeugungsarbeit.
Klimaschutz und der Schutz der Biodiversität soll auf vielen Waldflächen einen deutlich größeren Stellenwert bekommen. Dieses Ziel muss vor allen in den Bundesländern mit den Forstexperten und Forstexpertinnen vor Ort gemeinsam vorangebracht werden.
Auf nationaler und EU-Ebene stehen einige wichtige Änderungen an, die gute Rahmenbedingungen für die notwendige Waldentwicklung schaffen können, wenn wir sie entsprechend nutzen.
- Das Bundeswaldgesetz soll novelliert werden. Die Anforderungen an eine nachhaltige Forstwirtschaft müssen darin klarer und verbindlicher gefasst sein, als dies bislang der Fall ist. Das Ziel ist die Schaffung naturnaher Waldökosysteme mit einer daran angepassten Bewirtschaftung.
- Die nationale Biodiversitätsstrategie wird mein Ministerium im kommenden Jahr neu auflegen. Die Arbeiten daran haben schon begonnen. Die Strategie wird konkrete, messbare und ambitionierte Ziele zum Schutz der Biodiversität enthalten, entsprechend der internationalen und europäischen Vorgaben. Das wird auch dem Wald zugutekommen.
- Die EU Kommission hat kürzlich ihren Vorschlag für eine Verordnung über die Wiederherstellung der Natur vorgelegt. Denn der Zustand der Natur hat sich weder in den Flora-Fauna-Habitat-Gebieten noch in der restlichen Fläche verbessert. Die Natura 2000 Naturschutzinitiative hat also nicht die gewünschten Verbesserungen gebracht. Jetzt ist die EU Kommission dabei, sich mit den Mitgliedsstaaten auf die endgültigen Ziele der Verordnung zu verständigen. Der Prozess hat gerade erst begonnen, es ist also noch nicht absehbar was am Ende konkret vereinbart wird. Fest steht aber, dass der von der EU Kommission vorgelegte Vorschlag sehr ambitionierte Zielsetzungen zur Wiederherstellung der Natur enthält.
Die Herausforderungen, mit denen wir uns im Wald konfrontiert sehen, könnten kaum größer sein.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in den Diskussionsrunden auf viele interessante Lösungsansätze dafür zu sprechen kommen. Vermutlich werden Sie auf einige Maßnahmen stoßen, die auch in dem von mir vorgestellten Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vorgeschlagen werden. Es ist ja klar, dass es nicht eine einzige Lösung für alle Waldstandorte geben kann.
Der unschätzbare Wert dieses WaldKlimaGipfels liegt ja auch darin, dass Akteure verschiedener Denkrichtungen die Möglichkeit haben, ihre Sichtweisen miteinander auszutauschen und sich gegenseitig aufmerksam zuzuhören.
Ich bin überzeugt: Am Ende verbindet uns sehr viel mehr als uns trennt. Wir müssen und wollen den Wald an die Herausforderungen der Klimakrise anpassen, ihn weiterhin an unserer Seite haben für den Kampf gegen die Klimakrise und als Vorsorge gegen ihre Auswirkungen, Stichwort Wasserspeicherung begreifen. Vielen Dank.