Rede von Bundesministerin Lemke beim 3. Circular Vally Forum "Kreislaufwirtschaft – Jetzt ins Handeln kommen"

15.11.2024
Steffi Lemke trägt beim Circular Vally Forum vor
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat beim Circular Valley Forum eine Rede zum Thema "Kreislaufwirtschaft – Jetzt ins Handeln kommen" gehalten.

– Es gilt das gesprochene Wort. –

Liebe Teilnehmende,
liebe Fans der Kreislaufwirtschaft,

ich freue mich, dieses Jahr beim Circular Valley Forum dabei sein zu können.

Mit der Idee des Circular Valley sind Sie Pioniere. Sie wollen zeigen, wie eine historisch gewachsene Industrieregion, die Rhein-Ruhr-Region zu einem Zentrum der Kreislaufwirtschaft werden kann. Dieses Projekt hat Bedeutung weit über die Region hinaus.

Die Circular Valley Stiftung macht sichtbar, welche Chancen in der Kreislaufwirtschaft stecken. Sie probieren zirkuläre Geschäftsmodelle und Produktinnovationen aus. Sie fördern Startups, um innovative Ideen in die Praxis umzusetzen.

Dieses Engagement begrüße ich sehr, denn auch mir geht es darum, Kreislaufwirtschaft in die Praxis zu bringen. Denn sie kann uns helfen, viele Herausforderungen der Gegenwart zu lösen. "Jetzt ins Handeln kommen" – so hatten wir deshalb meinen Beitrag überschrieben, als ich vor einiger Zeit meine Teilnahme hier zugesagt habe.

Nun hat diese Überschrift angesichts des politischen Entwicklungen der vergangenen Woche noch eine andere Dimension bekommen. Es ist mir zu Beginn wichtig zu betonen, dass die Regierung weiterhin handlungsfähig bleibt. Wir werden die verbleibende Zeit nutzen, um mit aller Kraft drängende Vorhaben voranzutreiben und unser Land für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen. Das schließt das Thema Kreislaufwirtschaft und die Kreislaufwirtschaftsstrategie ausdrücklich mit ein.

Die Kreislaufwirtschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Stärkung unserer Wirtschaft und beim Schutz von Umwelt, Natur und Klima.  

Wir brauchen die Kreislaufwirtschaft, um die Grundlagen unseres Lebens, aber auch unseres Wirtschaftens zu bewahren. Die großen Umweltaufgaben – Schutz und Wiederherstellung der Natur, Klimaschutz, Stopp der Vermüllung und Verschmutzung unserer Umwelt – können wir ohne sie nicht bewältigen.

Diese Zusammenhänge müssen wir immer wieder deutlich machen. Nächste Woche werde ich zur Weltklimakonferenz nach Baku reisen. Beim Klimaschutz müssen wir den Beitrag der Kreislaufwirtschaft viel systematischer nutzen. Deshalb wird Deutschland sich in Baku dafür einsetzen, dass in der Abschlusserklärung der Klimakonferenz der Appell verankert wird, Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft verstärkt in die nationalen Klimaschutzbeiträge, die sogenannten NDCs aufzunehmen.

Ab Ende November findet in Korea die finale Verhandlungsrunde für ein globales Plastikabkommen statt. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die Vermüllung von Meeren und Umwelt mit Plastik bis 2040 weltweit zu beenden. Dafür ist es entscheidend, dass das neue Abkommen auch die Produktion von Plastik adressiert und reduziert. Auch hier spielt die Kreislaufwirtschaft also eine zentrale Rolle.

Wenn wir den Rohstoffverbrauch reduzieren und Stoffkreisläufe schließen,

  • dann reduzieren wir die Vermüllung der Umwelt
  • dann werden erheblich weniger Treibhausgase freigesetzt, weil weniger Rohstoffe abgebaut und verbraucht werden.
  • und dann schützen wir die Vielfalt der Tiere, Pflanzen und Lebensräume und unsere Wasserressourcen.

All das brauchen wir zum Leben.

Wir brauchen es aber auch für eine starke Wirtschaft. Das Weltwirtschaftsforum in Davos zählt die Naturzerstörung inzwischen zu den größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung.

Eine Kreislaufwirtschaft hingegen bietet große ökonomische Chancen:

  • Der Bundesverband der Deutschen Industrie und das Beratungsunternehmen Deloitte gehen zum Beispiel davon aus, dass die Kreislaufwirtschaft bis 2030 die jährliche Bruttowertschöpfung der deutschen Wirtschaft um zwölf Milliarden Euro steigern und rund 117.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann.
  • Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt das globale Marktpotenzial bei Konsumgütern der Kreislaufwirtschaft mittelfristig auf 650 Milliarden Euro pro Jahr.

Klima- und Umweltschutz ist ein wichtiger Standortfaktor für die deutsche Wirtschaft. Deswegen ist die Kreislaufwirtschaft zentral für die Wettbewerbsfähigkeit.

Noch wichtiger ist vielleicht, dass die Kreislaufwirtschaft langfristig Wettbewerbsvorteile schafft. Die Ressourcen unseres Planeten sind begrenzt. Viele Rohstoffe sind knapp. Darunter zum Beispiel Lithium und Kobalt, die für wichtige Zukunftsprojekte wie die Energiewende oder die Elektromobilität gebraucht werden. Lieferketten werden immer wieder gestört oder unterbrochen. Wir haben in den letzten Jahren schmerzhaft gelernt, dass es riskant ist, sich auf einzelne Länder als Lieferanten zu verlassen. Das Wahlergebnis in den USA wird geopolitische Auswirkungen haben, das internationale Machtgefüge wird sich möglicherweise neu justieren. Auch deswegen ist es wichtig, die eigene Unabhängigkeit zu stärken.

Die Lösung ist, die vorhandenen Rohstoffe so lange es geht im Kreislauf zu halten und den Rohstoffverbrauch insgesamt zu senken. Das ist ein Beitrag zur Versorgungssicherheit und Risikovorsorge.

Das Bundesumweltministerium hat deshalb im Juni dieses Jahres den Entwurf einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, kurz NKWS veröffentlicht.

Mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie verfolgen wir vier strategische Ziele:

  1. Den Verbrauch neuer Rohstoffe, sogenannter Primärrohstoffe, verringern: Derzeit verbrauchen wir in Deutschland jährlich etwa 16 Tonnen Rohstoffe pro Kopf, für Konsum und wirtschaftliche Investitionen. Bis 2045 soll der jährliche Verbrauch pro Kopf deutlich sinken. Dabei dient der Vorschlag des International Resource Panel als Orientierung, den Rohstoffverbrauch weltweit auf sechs bis acht Tonnen pro Kopf und Jahr zu bringen.
  2. Stoffkreisläufe schließen: Wir greifen dabei das EU-Ziel auf, den Anteil der Sekundärrohstoffe am Rohstoffverbrauch bis 2030 zu verdoppeln. Derzeit liegt er nur bei 13 Prozent.
  3. Unabhängigkeit von Rohstoffimporten stärken
  4. Abfall vermeiden: Die Abfallmenge pro Kopf soll um zehn Prozent bis 2030 und 20 Prozent bis 2045 sinken.

Mit diesen klaren Zielen schaffen wir Planbarkeit für die Wirtschaft.

Unseren Entwurf der Kreislaufwirtschaftsstrategie haben wir mit breiter Beteiligung aller betroffenen Akteure erarbeitet. Er wird derzeit unter den Ministerien abgestimmt. Auch unter den veränderten Bedingungen in der Regierung arbeiten wir mit Hochdruck daran, dass die NKWS noch in diesem Jahr vom Kabinett verabschiedet werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns auf eine starke Strategie verständigen, die dann auch Wirtschaft und Zivilgesellschaft mittragen. Denn an der Bedeutung des Themas, an der Notwendigkeit dieser Strategie und auch an der Nachfrage danach hat sich nichts geändert.

Dann wird es darum gehen, in die Umsetzung zu kommen. Dazu sind die Ziele der Strategie sind mit konkreten Maßnahmen und Instrumenten unterlegt. Einige Beispiele möchte ich nennen:

  • Der Staat wird die öffentliche Beschaffung nutzen, um die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Derzeit wird das Vergaberecht novelliert, um die nachhaltige Beschaffung einfacher und verbindlicher zu machen.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-Kommission bis 2030 für alle unter die Ökodesignverordnung fallenden Produktgruppen Standards zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet – für Textilien oder Möbel ebenso wie für Kühlschränke und IT.
  • Wir werden uns auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass Digitale Produktpässe bis 2030 in allen zentralen Sektoren eingeführt werden. Sie schaffen Transparenz für alle, die Produkte bearbeiten oder verwerten und ermöglichen es Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich für ein nachhaltiges, reparierbares Produkt zu entscheiden.

Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft erfordert Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Dafür wollen wir gute Bedingungen schaffen. Drei Bereiche sind dabei aus meiner Sicht zentral:

Erstens: die Digitalisierung. Sie ist notwendig, um aus der Wertschöpfungskette ein Wertschöpfungsnetzwerk zu formen. Es wird künftig nicht mehr reichen, mit dem jeweils nächsten Glied in der Kette zu kommunizieren. Entwickler, Hersteller und Verwerter müssen eng zusammenarbeiten. Denn zirkuläres Wirtschaften heißt, schon bei der Produktentwicklung zu bedenken, wie Stoffkreisläufe möglichst gut geschlossen werden können. Die Kreislaufwirtschaft braucht ein Informationssystem, das alle Datenströme, Regelungen zur Datennutzung und Inhalte digitaler Produktpässe umfasst.

Zweitens: Die nachhaltige Finanzierung. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen müssen oft viel investieren, um ihre Ressourceneffizienz zu steigern. Das wissen viele hier im Raum sicher besser als ich. Gerade weil die finanziellen Spielräume derzeit begrenzt sind, müssen neue Finanzierungsinstrumente entwickelt werden. Öffentlich-private Partnerschaften oder staatliche Bürgschaften können dabei helfen, private Investitionen anzureizen, abzusichern und zu flankieren.

Drittens: Wir brauchen Unternehmergeist, wie er sich zum Beispiel hier im Circular Valley zeigt. Grüne Start-Ups treiben Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft mit kreativen Lösungen voran. Für Unternehmensgründungen braucht es Ideen, Mut und die richtigen Umfeldbedingungen. Dazu gehört, die Finanzierung von Start-Ups zu stärken und Gründungen zu erleichtern.

Wir sollten die Transformation zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft vor allem als Chance für die Zukunft begreifen.

Wir brauchen sie für eine krisenfeste, zukunftsgewandte und erfolgreiche Wirtschaft, für eine intakte Natur und für ein stabiles Klima. Daran arbeiten wir im Umweltministerium und in der Bundesregierung auch in Zukunft.

Ich danke der Circular Valley Stiftung und Ihnen allen, die Sie täglich daran arbeiten, die Idee der Kreislaufwirtschaft stärker in die Praxis zu bringen.

Vielen Dank und noch eine erfolgreiche Konferenz.

15.11.2024 | Rede Kreislaufwirtschaft
https://www.bmuv.de/RE11207
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