Die Bundesregierung und alle anderen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten hatten bis 26. Januar 2022 die Gelegenheit die Stellungnahme der Platform on Sustainable Finance zum Delegierten Rechtsakt der EU-Kommission zu kommentieren, mit der diese vorschlägt, Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Energieformen einzustufen. Die Bundesregierung hat bei dieser Gelegenheit erneut unterstrichen, dass sowohl die Atomkraft als auch die längerfristige Nutzung von Erdgas im Sinne der Taxonomie-Kriterien nicht nachhaltig sind.
Bundesumwelt- und -verbraucherschutzministerin Steffi Lemke kommentiert aus diesem Anlass die Stellungnahme der Platform on Sustainable Finance wie folgt:
"Wenn das wichtigste Beratergremium der EU-Kommission für die Taxonomie, die Plattform für nachhaltige Finanzen, den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission rundum ablehnt, ist das ein Weckruf. Die Frage, ob Atomkraft und Erdgas als nachhaltig gelten können, muss daher noch einmal grundlegend diskutiert werden. Schließlich geht es hier um den Erfolg oder Misserfolg der Taxonomie und damit auch des Green Deals. Es steht also viel auf dem Spiel.
Die Stellungnahme der Plattform für nachhaltige Finanzen bestätigt meine Position: Die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die Taxonomie wäre ein klarer Fehler. Würde Atomkraft als nachhaltige Energieform in die Taxonomie aufgenommen werden, wäre das Greenwashing. Das würde der Taxonomie als vertrauenswürdigen, belastbaren Bewertungsmaßstab für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, der auch zum weltweiten Vorbild werden könnte, irreparablen Schaden zufügen. Angesichts der großen Bedeutung der hier behandelten Fragen muss es jetzt eine öffentliche Konsultation geben und schließlich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren. Nur so lässt sich die Beteiligung der Öffentlichkeit, der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments ausreichend gewährleisten."
Zur "Platform on Sustainable Finance"
- Die Plattform ist das wichtigste Expertinnen- und Expertengremium der EU-Kommission zur Taxonomie und zur Sustainable Finance-Agenda insgesamt und wurde auf Grundlage der EU-Taxonomie-Verordnung selbst (Artikel 20) eingerichtet (Mitglieder unter anderem die EU-Umweltagentur, Europäische Investitionsbank, Vertreter aus Wirtschaft, Finanzen, Umwelt und Zivilgesellschaft).
- Diese unabhängige breit aufgestellte Expertinnen- und Experten-Gruppe macht der Kommission regelmäßig Vorschläge, welche wirtschaftlichen Aktivitäten aus welchem Grund, als nachhaltig klassifiziert und damit Teil der Taxonomie werden: für möglichst viele Wirtschaftsbereiche. Sie ist beispielsweise aktuell damit beauftragt, Vorschläge für die Kriterien zu den Umweltzielen 3 bis 6 der Taxonomie auszuarbeiten (3. Wasser- und Meeresschutz, 4. Kreislaufwirtschaft, 5. Vermeidung Umweltverschmutzung, 6. Biodiversität und Ökosysteme)
- Die Gruppe wurde aufgestellt, damit die Taxonomie eine unabhängige, rein-wissenschaftliche Grundlage erhält.
- Die Gruppe soll dafür sorgen, dass es in der EU einheitliche Sustainable-Finance-Standards gibt, um die EU zum Leitmarkt für nachhaltige Finanzanlagen zu machen.