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Jahreskonferenz 2023 des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung

Regulierung, Selbstregulierung und Co-Regulierung – Steuerungsmodelle der Verbraucherpolitik

Am 2. November 2023 fand die Jahreskonferenz des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung unter dem Titel "Regulierung, Selbstregulierung und Co-Regulierung – Steuerungsmodelle der Verbraucherpolitik" im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) in Berlin statt. Rund 80 Interessierte aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft fanden sich zu diesem Anlass im BMUV zusammen. Auch der Netzwerkcharakter der Veranstaltung stand in diesem Jahr endlich wieder im Fokus, da die Konferenz zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie wieder gänzlich in Präsenz stattfand.

Professor Jörn Lamla (Universität Kassel), Sprecher des Koordinierungsgremiums des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung, eröffnete die Jahreskonferenz mit einem Grußwort. Er hob die Interdisziplinarität des Netzwerks hervor und führte aus soziologischer Perspektive in das Thema der Konferenz ein. Staatssekretärin Dr. Christiane Rohleder betonte in ihrem Grußwort die Bedeutung der Wissenschaft für die Politikgestaltung. Forschungsergebnisse würden Diskussionen anregen und dazu beitragen, etablierte Ansätze zu überdenken und innovative Lösungswege einzuschlagen. Sie wies auch darauf hin, dass es je nach verbraucherpolitischem Sachverhalt einer klugen Abwägung über geeignete Steuerungsinstrumente oder auch eines Instrumentenmixes bedarf.

Professorin Anne van Aaken (Universität Hamburg) eröffnete mit ihrem Keynote-Vortrag zu verhaltensökonomisch informierter Regulierung das Fachprogramm der Konferenz. Vor dem Hintergrund einer gewissen Beliebtheit des Nudging-Ansatzes diskutierte sie verschiedene Ansätze der Verhaltensbeeinflussung, ihre wissenschaftlichen, aber auch normativen, kulturellen und verfassungsrechtlichen Grundlagen. Sie stellte dabei darauf ab, dass es regulierenden Einrichtungen vor allem gelingen sollte, Menschen zu bewusstem Denken zu bewegen (also zur Aktivierung des sogenannten System II im Gehirn hinzuwirken).

Im anschließenden ersten Panel beschäftigten sich die Vortragenden mit Fragen der Regulierung. Professor Christopher Krönke (Universität Bayreuth) trug zum Thema "Regulatory Sandboxes", oder auch "Reallabore" genannt, als Konzept experimenteller Regulierung zur Unterstützung einer digitalen und nachhaltigen Transformation vor. Professorin Annette Elisabeth Töller (FernUniversität in Hagen) stellte im Rahmen ihres Vortrags das aktuelle Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen vor, in dem es um das Individuum als Adressat umweltpolitischer Regulierung ging. Sie unterstrich, dass verhaltensseitige Maßnahmen keinen Ersatz für produktionsseitige Umweltschutzvorgaben darstellen, sondern lediglich als eine Ergänzung für diese zu verstehen sind.

Während der Mittagspause präsentierten ausgewählte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des vom BMUV geförderten Early Career Research Workshops, der am Vortag zur Jahreskonferenz stattfand, ihre Forschungsarbeiten im Rahmen von Posterbeiträgen. Die Postersession umfasste eine Fülle von Verbraucherforschungsthemen von Umweltaktivismus und Konsum (Verena Bauernschmidt), über Resilienz in der Social Media Nutzung (Kim Büttner), Boosting (Simon Jersak), Privacy Dark Patterns (Minou Seitz), bis hin zu nachhaltigen Konsumentscheidungen (Catalina Wache).

Der Fokus des zweiten Panels lag auf Aspekten der Selbstregulierung, also der Frage, wie Verbraucherinnen und Verbraucher selbst dazu beitragen können, gute Entscheidungen zu treffen. Professorin Johanna Wolff (Universität Osnabrück) befasste sich in ihrem Vortrag mit den Erwartungshaltungen des Gesetzgebers gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Sie stellte anhand zahlreicher Beispiele dar, dass das Instrument der Information in vielen Zusammenhängen große Ansprüche an die Verbraucherinnen und Verbraucher stellt. Unternehmen werden häufig zur Informationsvermittlung und -bereitstellung aufgrund von Gesetzen verpflichtet, die Verarbeitung und Schlussfolgerungen lägen aber bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dr. Felix Rebitschek (Universität Potsdam) thematisierte die Entscheidungsfindung von Verbraucherinnen und Verbrauchern in unsicheren Informationswelten und stellte Boosting als Instrument zur Förderung von Verbraucherkompetenzen vor. Am Beispiel der Methode "Fast-and-Frugal Trees" erklärte er, wie Boosting durch die Kondensierung und Formalisierung von Erfahrung und Intuition langjähriger Expertinnen und Experten bei Entscheidungsfindungen unterstützen kann.

Professor Axel von Werder (Universitätsprofessor a. D., Technische Universität Berlin) eröffnete das dritte Panel zur Co-Regulierung mit seinem Vortrag zu Verbraucherschutz durch Corporate Governance. Er diskutierte, wie durch die Berücksichtigung von Kundeninteressen im Ordnungsrahmen der Unternehmensführung, Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden können. Professor Matthias Kettemann (Universität Innsbruck) schloss das Panel mit einem Vortrag zur Co-Regulierung in hybriden Kommunikationsräumen ab. Er thematisierte die Unterschiede zur klassischen Regulierung und stellte heraus, wie Online-Plattformen zu Kommunikationsräumen geworden sind, auf denen die Plattformen nicht nur die Regelsetzung, sondern auch die Rechtsdurchsetzung übernehmen.

In der abschließenden Diskussionsrunde diskutierten Michaela Schröder (Verbraucherzentrale Bundesverband) und Dr. Claas Oehlmann (Bundesverband der Deutschen Industrie) unter Moderation von Dr. Ulf Buermeyer die Rolle verbraucherpolitischer Steuerungsmodelle bei der Etablierung eines nachhaltigen Konsums und auf dem Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Dabei wurde auch kritisch hinterfragt, wie viel Verantwortung bei diesen Themen tatsächlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern zukommt und wo es klarerer Regulierung durch den Gesetzgeber gegenüber Unternehmen bedarf.

Professorin Kathrin Loer (Hochschule Osnabrück) schloss als stellvertretende Sprecherin des Koordinierungsgremiums des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung die Veranstaltung mit einem Resümee der Konferenzbeiträge ab, die wieder einmal einen großen Raum für zukünftige Forschung und weiterführendes Denken geöffnet hat. Die Beiträge der Konferenz werden im kommenden Jahr in bewährter Weise im Nomos-Verlag in der Publikationsreihe Verbraucherforschung erscheinen.

Galerie: Christiane Rohleder bei der Jahreskonferenz des Bundesnetzwerks Verbraucherforschung

Professor Jörn Lamla
Christiane Rohleder am Rednerpult
Zuhörende lauschen der Podiumsdiskussion
Christiane Rohleder am Rednerpult
Postbeiträge
Diskussionsrunde

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