Situation in der Ukraine
FAQs
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Das Bundesumweltministerium analysiert die Folgen der völkerrechtswidrigen Angriffe Russlands auf die Ukraine aktuell insbesondere mit Blick auf die nukleare Sicherheit und den Strahlenschutz. Das BMUV macht sich kontinuierlich ein Bild der Lage. Dabei wird es unterstützt vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und der Sachverständigenorganisation GRS (Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit). Die ukrainische Regierung, die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) und unsere internationalen Partner teilen ihre Informationen mit uns.
Soweit es Hinweise auf erhöhte Radioaktivität gibt, geht das BfS diesen nach. Für aktuelle Informationen verweisen wir auf die Pressemitteilungen und den Twitter-Kanal des BMUV sowie die Webseite und den Twitter-Kanal des BfS.
Stand:
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In der Ukraine befinden sich 15 Reaktoren in Betrieb. Alle sind Druckwasserreaktoren vom sowjetischen Typ WWER an vier Standorten: Saporishshja (6 Blöcke), Riwne (4 Blöcke), Chmelnyzkyj (2 Blöcke), Südukraine (3 Blöcke). Hinzu kommen die drei stillgelegten Blöcke des Typs RBMK am Standort Tschernobyl sowie der havarierte Block 4. An diesem Standort befinden sich noch 21.000 abgebrannte Brennelemente der Blöcke 1 bis 3 sowie die brennstoffhaltigen Massen in Block 4.
Keines der in Betrieb befindlichen ukrainischen Atomkraftwerke befindet sich in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze oder der von Separatisten besetzten bzw. beanspruchten Gebiete (Oblast Donezk und Luhansk). Das Kraftwerk Saporishshja befindet sich circa 150 Kilometer von der Oblast Donezk sowie der russisch besetzten Krim entfernt. Unweit der belarussischen Grenze liegen jedoch die Standorte Rivne (60 Kilometer) und Tschernobyl (10 Kilometer).
Stand:
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Die Folgen eines unmittelbaren, direkten militärischen Angriffs auf eine kerntechnische Anlage wären beispiellos und sind im Vorhinein nicht vorhersehbar. Dies gilt auch für unbeabsichtigte Beschädigungen oder auch etwaige Sabotage.
Ein gezielter Angriff auf kerntechnische Anlagen der Ukraine, mit unkalkulierbaren radiologischen Folgen auch für Russland und Belarus, wäre ein unkalkulierbares Verbrechen und in niemandes Interesse, auch nicht im Interesse Russlands.
Stand:
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Dem BMUV liegen keine Informationen dazu vor, welche Maßnahmen die Ukraine gegen gezielte Angriffe auf die dortigen kerntechnische Anlagen getroffen hat. Derartige Maßnahmen liegen in der Verantwortung des Staates, in dem sich das betreffende Atomkraftwerk befindet, und sie unterliegen der Geheimhaltung.
Grundsätzlich lässt sich sagen: Aus gewaltsamen Auseinandersetzungen können sich zusätzliche Risiken im Hinblick auf die Sicherheit der Reaktoren ergeben. Unmittelbare Gefährdungen können beispielsweise ein versehentlicher Beschuss oder ein Flugzeug-Absturz sein. Darüber hinaus können Versorgungsengpässe und Störungen des Stromnetzes ein Sicherheitsrisiko für Atomkraftwerke auslösen.
Denn auch ein heruntergefahrenes AKW produziert weiterhin Wärme (die sog. Nachzerfallswärme), so dass es weiter aktiv gekühlt werden muss, wenn auch in geringerem Umfang als im vollen Leistungsbetrieb. Fällt das externe Stromnetz aus, wird diese Kühlung des abgeschalteten AKW über Dieselgeneratoren sichergestellt. Für den Betrieb dieser Generatoren sind an den Standorten Kraftstoffvorräte für einige Tage vorhanden. Langfristig müssen dann entweder die externe Stromversorgung wiederhergestellt oder die Dieseltanks aufgefüllt werden.
Stand:
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Das BMUV befindet sich aktuell über die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und über das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Austausch mit Mitarbeitenden der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde SNRIU. Der Austausch ist aktuell (Ende Februar 2022) erschwert aufgrund der Situation vor Ort. Informationen erhält das BMUV darüber hinaus von der Internationale Atomenergie-Organisation IAEO.
Stand:
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Das BMUV arbeitet schon seit Beginn der neunziger Jahre mit der ukrainischen kerntechnischen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde zusammen. Die Hauptziele dieser Zusammenarbeit sind die Stärkung der ukrainischen atomrechtlichen Behörde, die Erhöhung der Sicherheit der ukrainischen Kernkraftwerke und die Überwindung der Folgen des Tschernobyl-Unfalls. Die Projekte werden durch die die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) durchgeführt. Sollte die Ukraine fachliche Unterstützung erbitten, würde das BMUV diese über die GRS anbieten. Es bestehen auch auf der Fachebene des Strahlenschutzes Kontakte insbesondere des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) zu ukrainischen Kolleginnen und Kollegen. Sollten die ukrainischen Kolleg*innen um fachliche Unterstützung bitten, würde das BMUV selbstverständlich sofort schauen, wie sie in dieser schwierigen Situation unterstützt werden können.
Stand:
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Einerseits sind Prognosen, inwieweit deutsches Staatsgebiet bei Angriffen auf ein Atomkraftwerk (AKW) in der Ukraine betroffen sein könnte, mit sehr hohen Unsicherheiten behaftet, da AKWs in der Geschichte bisher noch nie angegriffen wurden.
Andererseits verfügt Deutschland seit vielen Jahren über Instrumente zur Bewertung einer radiologischen Lage, beispielsweise das Integrierte Mess- und Informationssystem IMIS, das beim Bundesamt für Strahlenschutz betrieben wird. Im Alltag liefern die circa 1700 Messsonden zur Ortsdosisleistungsmessung und weitere Messnetze laufend Daten über die Radioaktivität in der Umwelt.
In einer radiologischen Lage kann dieses System in den Intensivbetrieb versetzt werden und somit quasi in Echtzeit eine Erhöhung der Radioaktivität in der Atmosphäre signalisieren. Hierauf können dann weitere Messungen und ggf. Schutzmaßnahmen aufbauen.
Darüber hinaus stehen wir im Austausch mit Partnerstaaten wie zum Beispiel Finnland, die über ähnliche Messnetze verfügen und uns ihre Messdaten zur Verfügung stellen. Hinzu kommt ein internationales Informationssystem der IAEO.
Sollte das BMUV Hinweise haben, dass sich ein radiologischer Notfall mit erheblichen Auswirkungen in der Ukraine ereignet, würde das radiologische Lagezentrum des Bundes im BMUV die Lage bewerten, die Öffentlichkeit informieren und, soweit erforderlich, Verhaltensempfehlungen geben.
Stand:
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Aufgrund der Entfernung zur Ukraine ist nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte. Von einer selbstständigen Einnahme der Tabletten wird abgeraten. Eine Selbstmedikation mit hochdosierten Jodtabletten birgt gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen. Die Jodtabletten können nur wirken, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt eingenommen werden.
Die Einnahme von hochdosierten Jodtabletten schützt ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor Strahlung, die von außerhalb den Körper trifft, oder vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe außer Jod, die in den Körper aufgenommen worden sind.
Ausführliche Informationen zum medizinischen Hintergrund finden Sie in der Empfehlung der Strahlenschutzkommission „Verwendung von Jodtabletten zur Jodblockade der Schilddrüse bei einem Notfall mit Freisetzung von radioaktivem Jod“.
Stand:
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In Deutschland liefern die circa 1.700 Messsonden des Integrierten Mess- und Informationssystems IMIS zur Ortsdosisleistungsmessung und weitere Messnetze laufend Daten über die Radioaktivität in der Umwelt. In einer radiologischen Lage kann dieses System in den Intensivbetrieb versetzt werden und somit quasi in Echtzeit eine Erhöhung der Radioaktivität in der Atmosphäre signalisieren. Hierauf können dann weitere Messungen und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen aufbauen.
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Die Verfügbarkeit des Personals ist für die Sicherheit des Atomkraftwerks essenziell. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen beispielsweise am Standort Saporischschja geschützte Räume zur Verfügung. Mannschaften, die beispielsweise wie in Tschernobyl seit Tagen ununterbrochen belagert werden, sind nicht nur psychischem Stress – hervorgerufen durch die militärischen Aktivitäten – ausgesetzt, sondern es kommt auch zu den normalen Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen, wenn es keine ausreichenden Ruhepausen gibt. Dies könnte zu menschlichem Versagen und damit zu Gefährdungen beim Betrieb der Atomkraftwerke führen. Laut der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde wurde am Standort Saporischschja die Rotation des Betriebspersonals aber schon wieder aufgenommen.
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In den vergangenen Jahren wurde, auch durch Nachrüstprogramme, viel für die Erhöhung der Sicherheit in den ukrainischen Anlagen getan. Die Ukraine hat nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima freiwillig an einem Stresstest für die Atomkraftwerke in der EU teilgenommen. Auf der Basis der Ergebnisse wurden Aktionspläne erarbeitet, in denen sicherheitserhöhende Maßnahmen verpflichtend festgeschrieben wurden. Diese umfassen zum Beispiel die Bereitstellung mobiler Notstromgeneratoren sowie mobiler Pumpen zur Gewährleistung der Bespeisung und Kühlung des Abklingbeckens und zur Bespeisung der Dampferzeuger unter den Bedingungen eines langfristigen vollständigen Stromausfalls.
Diese Maßnahmen schließen auch Vorkehrungen zur Wiederbefüllung der zur Nachkühlung erforderlichen Sprühteiche ein. Ein Sprühteich ist ein Teich, in den das benutzte erwärmte Kühlwasser eingesprüht wird, damit es sich abkühlen kann. An anderer Stelle wird dem Teich kühleres Wasser entnommen und für die Nachkühlung genutzt. Nachkühlung bezeichnet die Reaktorkühlung, nachdem der Reaktor bereits abgeschaltet worden ist. Für die Sicherheit des Sicherheitsbehälters beziehungsweise der Sicherheitseinrichtung (Containment) gegen unzulässigen Druckaufbau wurden und werden die Möglichkeiten einer Druckentlastung des Containments geschaffen.
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Atomkraftwerke haben eine Schutzwirkung gegen Einflüsse von außen. Wenn sie jedoch nicht systematisch, gezielt und regulär gekühlt und runtergefahren werden können, kann es zu Gefährdungslagen kommen. Wie hoch eine Gefährdung ist, lässt sich nur im jeweils konkreten Einzelfall abschätzen.
Grundsätzlich ist es so, dass Atomkraftwerke nicht so ausgelegt sind, jeglichen militärischen Angriffen standzuhalten. Die sechs Reaktoren in Saporischschja gehören zu den ukrainischen Reaktoren, die eine größere Schutzwirkung gegen Einflüsse von außen haben. Die Sicherheitseinrichtungen (Containments), die für den Schutz vor radioaktiven Austritten wesentlich sind, sollen entsprechend der Auslegung des Kraftwerks einem zehn Tonnen schweren Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 750 Kilometer pro Stunde (km/h) standhalten. Kleinere Blöcke in der Ukraine haben geringere Auslegungen.
Druckwellen durch Bombeneinschläge können den Sicherheitseinrichtungen zugetraut werden. Bei einem direkten Bombentreffer auf die Schutzeinrichtung ist unklar, inwiefern der Aufprall dem eines Flugzeugs ähnelt. Der Durchbruch der Sicherheitseinrichtung (Containment) allein führt aber nicht automatisch zum Austritt radioaktiver Stoffe. Dazu würde es erst kommen, wenn es zusätzlich zum Ausfall der Kühlung der Brennelemente im Reaktor oder im Brennelementlagerbecken und dadurch zu Brennelementschäden (insbesondere einem partiellen oder vollständigen Schmelzen der Brennelemente) käme, in dessen Folge die radioaktiven Teilchen durch den beschädigten Sicherheitsbehälter ins Freie gelangen könnten. Voraussetzung für einen solchen Ausfall der Kühlung wäre entweder die massive mechanische Schädigung der Anlagen zur Not- und Nachkühlung, die im Inneren des Sicherheitsbehälters (Containment) untergebracht sind, oder ein vollständiger Ausfall der Strom- und Kühlwasserversorgung.
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Allgemeine Fragen rund um das Thema Strahlenschutz und nukleare Sicherheit werden in diesen FAQs beantwortet.
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