IT-Sektor als Vorbild für Nachhaltigkeit

Ressourcenschonung im IT-Sektor durch Recycling und Verlängerung des Lebenszyklus von Hardware
Illustration von drei Personen im Gespräch

Drei Fragen an Prof. Dr. Lorenz Hilty
Leiter der Forschungsgruppe Informatik und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich

Herr Professor Hilty, Sie haben untersucht, warum es so schwer ist, IT-Strukturen nachhaltig aufzubauen. Was sind die größten Probleme?

Unsere Ansprüche an die Leistung wachsen noch schneller als die Energieeffizienz. Diese verdoppelt sich mindestens alle zwei Jahre, das heißt, wir bekommen alle zwei Jahre die doppelte Anzahl Rechenoperationen pro Kilowattstunde von den jeweils aktuellen Mikroprozessoren. Ähnliches gilt für den Speicherplatz. Ein riesiger technischer Fortschritt. Gleichzeitig jedoch wächst die Nachfrage nach IT-Leistungen noch schneller. Im Moment sehr stark durch den mobilen Internetzugang in den Mobilfunknetzen und durch den Trend, alles zum Video zu machen. Aber nicht nur die Energie, auch die Rohstoffe in der IT unterliegen dieser Steigerungslogik. Die Materialeffizienz nimmt zu, alles wird kleiner und leichter, doch die Pipeline vom Rohstoff zum Abfall wird durch noch schneller steigenden Konsum immer voller. Recycling ist zwar sinnvoll, aber von über 50 Metallen, die in den elektronischen Bestandteilen digitaler Elektronikprodukte verarbeitet werden, gewinnen wir höchstens 17 zurück. Weltweit landen außerdem erhebliche Teile des Elektronikabfalls von jährlich rund 50 Millionen Tonnen auf Müllhalden der ärmeren Weltregionen. Oft werden dort zum Beispiel Gold und Kupfer in einem informellen Recyclingsektor zurückgewonnen, unter erheblicher Belastung von Gesundheit und Umwelt.

Was müsste getan werden, um diese Ressourcen so schonend wie möglich einzusetzen?

Wir müssten wieder verstehen, dass Hardware sehr lange funktionieren kann. Aber neue Softwareversionen stellen systematisch und regelmäßig höhere Ansprüche an die Hardware, sodass wir uns daran gewöhnt haben, funktionierende Geräte auszutauschen. Außerdem müsste man den gesamten Lebenszyklus der Hardware anschauen und Wege finden, um Reparaturen und die Weiterverwendung funktionierender Komponenten zu erleichtern.

Welche Rolle spielen dabei öffentliche Akteure wie das BMUV?

Die Politik setzt die Rahmenbedingungen. Und die sollten die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der digitalen Welt stärken, damit sie nicht zu beschleunigtem Konsum gezwungen werden. Ein Konsum, wie ihn etwa die frühzeitige Entwertung von Geräten durch Software-Updates in Gang setzt. Wenn es faire Spielregeln gibt, dann werden auch kreativere Geschäftsmodelle entstehen, die nicht auf der ständigen Steigerung des Ressourcenflusses beruhen. Die digitale Wirtschaft kann es anders. Und der IT-Sektor könnte zum Vorbild für andere Sektoren werden, die dank IT ebenfalls stärker auf Langlebigkeit und Dienstleistungen statt auf Wegwerfmentalität setzen könnten. Aber das wird nur gehen, wenn auch die Verbraucherinnen und Verbraucher selbstbewusster werden. Das kann die Politik ebenfalls unterstützen, etwa über Siegel wie den Blauen Engel für Software oder über unabhängige Empfehlungen zum nachhaltigen IT-Konsum.

Wege zum Dialog

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