– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Minister Wissing,
Herr Schwardmann,
Frau Riewenherm,
Frau Klocke,
Herr Buchta,
Herr Stoffels,
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich sehr, heute gemeinsam mit meinem Kollegen Volker Wissing die vierte Statuskonferenz des Blauen Bandes zu eröffnen.
Das Blaue Band ist ein noch junges Bundesprogramm, das schon eine Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Seit es die Bundesregierung 2017 auf den Weg gebracht hat, ist aus einer guten Idee ein wirksames, anerkanntes, ein beliebtes und in vielen Teilen der Bevölkerung bekanntes Programm geworden. Die Zahl der Projekte und Anträge von Verbänden und Kommunen ist seit dem Start des Förderprogramms Auen – der Beitrag des Bundesumweltministeriums zum Blauen Band – im Jahr 2019 stetig gestiegen.
Im Mittelpunkt steht weiter die Renaturierung der Bundeswasserstraßen, der Flüsse, das Zusammendenken von Ökologie und Ökonomie. Dabei hat sich der Schwerpunkt noch etwas verschoben. Mit den auch in Deutschland und Europa zunehmend spürbaren Folgen der Klimakrise werden Klimaschutz und der Klimaanpassung immer wichtigere Aufgaben.
Auf der heutigen Konferenz wird es daher unter anderem ganz zentral darum gehen, wie sich das Programm mit Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes und der Anpassung an die Folgen der Klimakrise verknüpfen lässt.
An diesen beiden Herausforderungen arbeiten wir im Bundesumweltministerium besonders intensiv, und darauf will ich gern näher eingehen.
Zunächst möchte ich noch einmal hervorheben, dass das Blaue Band vor allem aus ökologischer Sicht eine wirklich herausragende Bedeutung hat.
Wasser ist Leben – diesen Spruch haben wir wahrscheinlich alle schon einmal im Leben gesagt oder gedacht. Natürliche Flusslandschaften und vor allem ihre Auen zählen in Mitteleuropa zu den artenreichsten Lebensräumen überhaupt. Sie bieten Raum für rund zwei Drittel aller bei uns vorkommenden natürlichen Lebensgemeinschaften. Zum Beispiel sind lebendige Auen die Kinderstube für zahlreiche Fischarten.
Zugleich sind diese Ökosysteme besonders bedroht, weil sie über viele Jahre und Jahrzehnte intensiv genutzt und verändert worden sind. Das hat in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten unseren Wohlstand mit aufgebaut und geschaffen, aber jetzt stößt es an ökologische Grenzen. Ein Großteil der Auen in Deutschland ist stark verändert, durch Begradigung, durch Verbauung, durch Flächenumwandlung für die Landwirtschaft und für Siedlungen sind sie teilweise nicht mehr mit den Flüssen verbunden, was aber für eine intakte Aue überlebensnotwendig ist. Das zeigt der Auenzustandsbericht 2021 eindrücklich mit Zahlen. Nur noch etwa neun Prozent der überflutbaren Auen gelten als weitgehend ökologisch intakt.
Dabei ist die naturnahe Gestaltung von Wasserstraßen, Flüssen und Auen grundlegend, um diese wichtigen Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu erhalten. Das Blaue Band leistet daher einen wichtigen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland.
Das steht nicht zuletzt auch im Einklang mit unseren internationalen Zusagen, die wir als Deutschland getroffen haben. Dazu zähle ich insbesondere das Abkommen für die Natur, das wir im Dezember letzten Jahres auf der Weltnaturkonferenz in Montreal verabschiedet haben. Unter anderem sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresfläche unter Schutz gestellt. Ich sage sicherheitshalber immer dazu: Das heißt keine komplette Herausnahme aus der Nutzung. Es bedeutet aber wirklich ökologisch nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweisen in diesen Gebieten.
Neben ihrer Bedeutung für die Artenvielfalt spielen naturnahe Auen eine wichtige Rolle als natürliche Klimaschützer. Ich glaube dieses Wissen ist noch nicht weit genug verbreitet. Ebenso wie gesunde Wälder, Böden, renaturierte Moore und Meere binden sie Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern es langfristig.
Die Vorhaben zum Fluss- und Auenschutz des Blauen Bandes haben eine Vorbildwirkung für den natürlichen Klimaschutz.
Im März hat das Bundeskabinett auf meine Initiative hin das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz beschlossen. Als Bundesumweltministerium haben wir das Programm erarbeitet, um der doppelten Umweltkrise aus Erderhitzung und Artenaussterben entgegenzuwirken. Bis 2027 werden wir dafür mehr als vier Milliarden Euro bereitstellen. Das ist ein Quantensprung für den Naturschutz.
Auf internationaler Ebene diskutieren wir das als "Nature-based Solutions" und es ist mittlerweile wirklich in allen Ländern der Welt ein wichtiges Thema, wie wir die Natur nutzen, damit sie uns besser vor den Folgen der Klimakrise schützen kann.
Gesunde Ökosysteme können für uns als Puffer gegen die Folgen der Klimakrise wirken, zum Beispiel, indem sie bei Hitze für Abkühlung sorgen – oder indem sie Wasser aufnehmen. Natürliche Flusslandschaften und Auen bieten Überschwemmungsflächen, die Hochwasser in der Fläche zurückhalten können. Und meine Gedanken sind in diesen Tagen auch in Griechenland, Bulgarien und der Türkei. Ich glaube, wer die Geschehnisse dieser Tage in diesen Ländern verfolgt, der kann nicht unberührt bleiben. Der muss über Wasser nachdenken. Über zu viel Wasser und über zu wenig Wasser. Wenn uns die europäischen Meteorologen sagen, dass solche Mengen an Niederschlag noch nie gemessen worden sind. Wenn es sich um ein Mehrfaches an Wasser handelt dessen, was bei der Ahrtalkatastrophe pro Quadratmeter an Regen runtergekommen ist, dann haben wir möglicherweise eine gewisse Ahnung davon, was sich für die Menschen in diesen Ländern abspielt. Und gegen solche Katastrophen wenigstens eine gewisse Abmilderung zu erreichen – wir werden sie vermutlich nicht ganz verhindern können – das geht mit dem Instrument der Klimaanpassung, des natürlichen Klimaschutzes. Sie alle wissen wahrscheinlich, dass wir ein hervorragendes Beispiel dafür haben, dass das funktioniert. Mit einer Deichverlegung bei der Stadt Lenzen wurde beim Elbehochwasser 2013 der Hochwasserscheitel nachweislich um 49 Zentimeter abgemildert. Wer jemals ein Hochwasser erlebt hat – am Rhein, an der Elbe oder anderswo – weiß, was das bedeutet. Das haben wir nicht mit einem technischen Bauwerk hinbekommen. Das geht nur mit den Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes. Wir werden das nötiger denn je brauchen, das zeigen uns die Ereignisse in Griechenland, der Türkei und Bulgarien. Aber eben auch Hitzewellen und Vorsorge gegen Dürre zu treffen. Für uns Menschen als Hitzeschutz, aber auch für die Landwirtschaft, die auf das Wasser am allerdringendsten angewiesen ist.
Das zu begreifen und das in die Realität in konkretes Handeln zu übersetzen, also dass wir parallel mit zu viel Wasser und zu wenig Wasser klarkommen müssen in der Zukunft, das zeigt vielleicht die Größe der Aufgabe. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass das nur im Sinne der Kooperation zu lösen sein wird.
Wir haben deshalb auch im Juli 2023 im Bundeskabinett ein erstes bundesweites Klimaanpassungsgesetz verabschiedet. Und derzeit arbeiten wir als Bundesumweltministerium an einer vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen. In Kürze werden wir dazu einen breiten Beteiligungsprozess starten. Wir wollen allen diesen Aufgaben mehr Gewicht und auch mehr Verbindlichkeit geben und werden diesem Thema auch noch mehr Finanzmittel zuornden müssen.
Meine Damen und Herren, das Blaue Band leistet noch mehr als das. Wir schaffen damit auch attraktive Erholungsräume für uns Menschen. Für die Bürgerinnen und Bürger, die sich am Wochenende und im Urlaub in der Natur erholen wollen. Ich sage manchmal etwas ketzerisch: Mir ist noch niemand begegnet, der seinen zweiwöchigen Sommerurlaub in Berlin Mitte verbringen will. Aber ich treffe sehr, sehr viele Leute, die das am Wasser machen wollen, am Meer, in den Bergen, im Wald, in der Natur. Auch das wollen wir schützen und sichern und weiterentwickeln. Dazu leistet das Blaue Band und natürlich auch die Gelbe Welle einen unglaublich wichtigen Beitrag.
Die enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Institutionen, Ländern, Umwelt- und Nutzerverbänden, ebenso wie die Partnerschaft zwischen Bundesumwelt- und Bundesverkehrsministerium sind dabei ein Schlüssel für den Erfolg des Blauen Bandes. Die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass wir damit gemeinsam positive Dinge nach vorne bringen.
Ich danke Ihnen allen für Ihr Engagement und wünsche Ihnen eine produktive Konferenz. Wir beide sind auf die Ergebnisse sehr gespannt und werden unsere vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit fortsetzen – beim Blauen Band und natürlich auch bei anderen Themen und Projekten.