Rede von Steffi Lemke beim Vernetzungstreffen zum KoMoNa-Förderprogramm

18.04.2024
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Die Rede von Steffi Lemke beim Vernetzungstreffen zum KoMoNa-Förderprogramm betont die Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement für den Strukturwandel in Kohleausstiegsregionen.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Uwe Schneidewind,
Matthias Winker,
Projektleiterinnen und Projektleiter aus den KoMoNa-Projekten,
Vertreterinnen und Vertreter der Länder und Kommunen,
Kolleginnen und Kollegen,

herzlich willkommen auch von mir zum ersten großen KoMoNa-Vernetzungstreffen.

Ich komme direkt aus Athen zu Ihnen, von der Our Oceans Conference. Das ist auch der Grund, weshalb ich Sie nicht wie geplant heute Morgen begrüßen konnte. Ich freue mich aber besonders, dass ich jetzt die Gelegenheit habe, Sie alle persönlich zu treffen. Denn ich möchte Ihnen einen großen Dank aussprechen. Sie leisten eine ganz wichtige Arbeit, die eine große gesellschaftliche Bedeutung hat. Wir leben in schwierigen, extrem unruhigen Zeiten. Kriege und Krisen bestimmen unseren Nachrichtenalltag und das beeinflusst natürlich auch die politische Arbeit.

Wir müssen in diesen Tagen beobachten, dass es in unserer Gesellschaft reaktionäre Kräfte gibt, die versuchen, das Rad der Geschichte zurück zu drehen. Die versuchen, Fortschritt, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu verhindern und sogar unsere Verfassung in Frage stellen. Das geschieht mit Mitteln von Desinformation, mit gezielten fake news, die verbreitet werden. Und es geht sogar so weit, dass ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker in den Kommunen angegriffen werden. Das hätte ich mir niemals träumen lassen.

Gerade in solchen Zeiten machen Ihre Projekte, die KoMoNa-Projekte, Mut. Denn sie zeigen, wie Demokratie, wie Mitbestimmung und Beteiligung funktionieren kann und welchen Wert das für unser Zusammenleben hat. Indem Sie Bürgerinnen und Bürger an gesellschaftlichen Prozessen partizipieren lassen, schaffen Sie Transparenz und ermöglichen Mitbestimmung. Nur so können die Perspektiven, Wünsche, Sorgen und Ideen der Menschen aufgegriffen werden. Sie stärken damit das Vertrauen in politische Entscheidungen. Das ist für einen nachhaltigen Strukturwandel in Ihren Projekt-Regionen, in der Lausitz, dem Mitteldeutschen und dem Rheinischen Revier enorm wichtig.

Ich sage das aus eigener Erfahrung, denn ich habe das persönlich als Jugendliche ganz anders erlebt.

Ich bin 1987, 1988 politisiert worden. Wir waren damals in Dessau eine Gruppe von jungen Leuten und nannten uns "Interessensgesellschaft Stadtgestaltung." Wir hatten keine Revolution geplant, aber wir wollten uns in die Gestaltung unserer Stadt einbringen. Wir wollten zum Beispiel mitreden bei der Verkehrsplanung. Wir wollten verhindern, dass ein Stadtviertel mit Gründerzeitbauten abgerissen wurde. Wir wollten den jüdischen Friedhof sanieren, eine alte, denkmalgeschützte Mauer retten. Also all das, was Menschen vor Ort machen wollen, wenn sie sich mit ihrer Heimat, ihrer Kommune verbunden fühlen.

Wir haben diese Gestaltungsmöglichkeiten damals gegen einen Staatsapparat durchsetzen und erkämpfen müssen. Die Gruppe war auch Gesprächsthema beim ZK, also dem Zentralkomitee. Das hat mich politisch zutiefst geprägt. Für mich, für uns, war es völlig selbstverständlich und normal, sich für die Umgebung zu engagieren. Kommunales Engagement aber wurde massiv bekämpft, weil es als Affront gegen den Staat wahrgenommen wurde. Auch dieser Irrsinn hat mit der Friedlichen Revolution von 1989 dann sein verdientes Ende gefunden.

Demokratie lebt von Engagement – und Engagement fällt leichter, wenn es gezielt ermöglicht und unterstützt wird.

Ich bin deshalb unglaublich froh, dass es jetzt Unterstützung gibt für genau diese Art von Engagement. Dass es die Möglichkeit gibt, die praktische Arbeit für den Zusammenhalt vor Ort für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Dafür steht das KoMoNa-Programm.

Deswegen weiß ich es besonders zu schätzen, dass Sie mithelfen, das Leben vor Ort zu organisieren und den Strukturwandel zu gestalten und zu bewältigen. Der ist in den einzelnen Regionen ja schwierig genug. Mir sind die Probleme des Strukturwandels vertraut. Ich kenne die Probleme von Wegzug. Auch die Einwohnerzahl meiner Heimatgemeinde hat sich seit 1990 um rund 30 Prozent reduziert.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Politik im Strukturwandel Vieles falsch machen kann. In den 90er Jahren sind in Ostdeutschland bittere Erfahrungen gemacht worden, die teilweise bis heute nachwirken. Es sind damals viele vermeidbare Fehler gemacht worden. Man hätte den Strukturwandel auch anders gestalten können. Auch damals hat es finanzielle Unterstützung gegeben. Aber es gab zu wenig Beteiligung der Menschen vor Ort. Es ist zu wenig auf das Knowhow der Bürgerinnen und Bürger gehört worden, auf ihre Meinungen und Bedürfnisse.

Ich bin überzeugt: Es ist das A und O, dass die Menschen vor Ort sich mit ihren Ideen, mit ihrem Heimatbewusstsein in Entscheidungen einbringen können. Damit meine ich die ganze Zivilgesellschaft, die freiwillige Feuerwehr und den Heimatverein, die Menschen, die in der Region möglicherweise als Verkäuferin, als Frisör arbeiten. Aber eben auch Naturschutzverbände, die Wirtschafts- und Tourismusverbände, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung und selbstverständlich die Bürgerinnen und Bürger aus den Kommunen.

All das leistet KoMoNa. Wir haben als Bundesumweltministerium insgesamt für KoMoNa 200 Millionen Euro zur Verfügung. Das wird angesichts der vielen Kommunen, die etwas machen wollen, selbstverständlich nicht alle Probleme lösen können. Aber es zeigt große Wirkung. Dank Ihnen. Wir fördern als BMUV im Moment 85 Modellvorhaben in den drei Braunkohlerevieren. Und KoMoNa ist ja nicht das einzige Programm. Es gibt auch aus anderen Bereichen Strukturfördermittel oder Mittel für kommunales Engagement, zum Beispiel im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz.

Bei KoMoNa freue ich mich besonders über die Vielfalt der Projekte in den einzelnen Revieren. KoMoNa fördert die Umsetzung verschiedenster Maßnahmen in den Bereichen biologische Vielfalt, Renaturierung, Blau-Grüne Infrastruktur, Umweltgerechtigkeit, Bildung und Beteiligung. Auch befristete Personalstellen für kommunale Nachhaltigkeitsmanagerinnen und –manager und Projektpersonal können über KoMoNa unterstützt werden. Rund 20 dieser Managerinnen und Manager habe ich im vergangenen November bereits in Berlin kennengelernt, viele sind ja heute auch dabei.

Sie alle versuchen erfolgreich, auch übergreifende Konzepte aus ihren Projekten abzuleiten, die andere Kommunen aufgreifen können, Stichwort Modellprojekte. Das heißt, Sie bauen einen Erfahrungsschatz auf und geben ihn weiter. Das freut mich außerordentlich.

Denn wenn Nachhaltigkeitsideen mit Bürgerinnen und Bürgern zusammen umgesetzt werden, kann man die Vorteile ganz konkret erleben: Die Luft wird besser. Es gibt mehr Parks, die auch bei Hitze angenehm schattig und kühl sind. Regen überflutet nicht mehr Straßen und Keller, sondern wird von Grünflächen gespeichert, wie von einem Schwamm. Es entstehen attraktive Orte, an denen man gerne verweilt und sich mit anderen trifft. Der Umbau unserer Städte und Regionen ist damit ein großangelegtes Programm für mehr Lebensqualität.

Eine höhere Lebensqualität macht eine Stadt, eine Region attraktiver zum Wohnen und Arbeiten. Dies sind inzwischen zunehmend wichtige Standortfaktoren zur Ansiedlung neuer Firmen, zur besseren Fachkräftegewinnung, angesichts des Mangels gerade hochqualifizierter Beschäftigter. Und diese Faktoren begünstigen beispielsweise auch den Zuzug von jungen Familien in die Regionen.

Einige KoMoNa-Projekte sind jetzt schon Vorbilder für andere Kommunen und Regionen.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Wir werden sehr bald, noch Ende April 2024, das 3. KoMoNa-Förderfenster öffnen. Ab dann können sich kommunale Akteure und Akteurinnen wieder drei Monate lang mit ihren Projektskizzen bewerben. Geben Sie diese Information gerne an Ihre Netzwerke und in ihren Regionen weiter. Oder reichen Sie auch gerne selbst wieder eine Ideenskizze ein. Ich bin mir sicher, dass Sie dafür heute die eine oder andere Idee mitnehmen können.

Ganz herzlichen Dank für Ihren Einsatz und weiterhin viel Erfolg mit Ihrer Arbeit!

18.04.2024 | Rede Nachhaltigkeit | Berlin

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https://www.bmuv.de/RE10960
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