– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Präsidentin Dr. Paulini,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
vor nunmehr 50 Jahren wurde mit dem Aufbau eines Messnetzes zur Überwachung der Umweltradioaktivität in Deutschland begonnen. Genauer gesagt natürlich in Westdeutschland. Seit 1990 wurde es in ganz Deutschland ausgebaut. Wenn wir uns das aktuelle Geschehen anschauen, insbesondere die hochproblematische nukleare Sicherheitslage in der Ukraine, dann hat dieses Messnetz nichts von seiner Notwendigkeit und Bedeutung verloren. Im Gegenteil.
Die nukleare Sicherheit Deutschlands ist stark auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen. Deshalb bin ich Frau Dr. Paulini und den Kolleginnen und Kollegen des Bundesamtes für Strahlenschutz sehr dankbar für die Arbeit, die hier seit Jahren und Jahrzehnten zum Schutz der Bevölkerung geleistet wird. Und es ist richtig und gut, dass Sie mit diesem Strahlenschutz-Gespräch das 50. Jubiläum des Messnetzes zur Überwachung der Umweltradioaktivität aufgreifen. Denn die Herausforderungen bleiben groß.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Sorge vor einer radiologischen Gefahrenlage bei uns in Deutschland verstärkt. Die meisten Menschen hätten es sich – genauso wie ich – nicht vorstellen können, dass Atomkraftwerke einmal zum Gegenstand von kriegerischen, militärischen Auseinandersetzungen werden könnten. Das beschäftigt uns seit Beginn des Angriffs vor über 2 Jahren und wird uns leider weiter beschäftigen.
Der russische Angriffskrieg hat uns das Gefahrenpotenzial von AKW deutlich vor Augen geführt. Im Fokus steht vor allem das von Russland besetzte und an der Front gelegene ukrainische AKW Saporischschja. Es handelt sich um den größten AKW-Komplex in Europa und kriegsbedingt einen der derzeit gefährlichsten Standorte der Welt. Der Komplex wurde gewaltsam besetzt und wiederholt durch direkte und indirekte Kampfhandlungen beeinträchtigt. Dazu kam die Zerstörung des Kachowka-Staudammes. Zusammen ergibt das eine bislang nicht vorstellbare und vollkommen inakzeptable Situation.
In enger Zusammenarbeit mit dem BfS beobachtet mein Haus die radiologische Lage in der Ukraine nach wie vor sehr engmaschig. Regelmäßig erstellen wir gemeinsam eine Situationsdarstellung der Lage in der Ukraine und verteilen sie an die relevanten Akteure. Dies bildet eine wesentliche Grundlage für das Handeln der Bundesregierung.
Neben der aktuellen Situation in der Ukraine gibt es viele weitere mögliche radiologische Gefahrenlagen, die nicht im Zusammenhang mit AKW stehen. Auch für diese muss der radiologische Notfallschutz gut aufgestellt sein, um im Notfall den Schutz der Bevölkerung zu organisieren. Das Messnetz des Bundesamtes für Strahlenschutz ist dabei ein wichtiger Bestandteil für die Früherkennung und Bewertung von Gefahrenlagen.
Als Bundesumweltministerium betreiben wir einen erheblichen Aufwand bei der Ausgestaltung des radiologischen Notfallschutzes. Die nationale Krisenvorsorge Deutschlands ist nicht zuletzt seit dem Inkrafttreten des Strahlenschutzgesetzes gut aufgestellt. Das gilt sowohl für bekannte Gefahren, wie auch für neue Herausforderungen. Das Spektrum kann dabei von lokalen Unfällen, zum Beispiel beim Transport radioaktiven Materials, über Terroranschläge mit schmutzigen Bomben bis hin zur Atombombe reichen.
Wir müssen heute daran erinnern, dass es die nukleare Bedrohung während des Kalten Krieges gewesen ist, die zur Errichtung des bundesweiten ODL-Messnetzes geführt hat – also zur Messung der Ortsdosisleistung. Heute - 50 Jahre später – sind einige dieser Bedrohungsszenarien leider immer noch oder erneut aktuell.
Dabei hat Deutschland selbst die Risiken erheblich gesenkt, und zwar insbesondere durch den Atomausstieg im vergangenen Jahr. Die Vorgängerregierungen hatten nach dem Ausstiegsbeschluss bereits 11 AKW stillgelegt. In der Verantwortung dieser Bundesregierung konnten dann 2023 die letzten drei deutschen AKW abgeschaltet werden.
Der radiologische Notfallschutz bleibt dennoch eine wichtige Aufgabe für den Bund und die Länder. Das liegt unter anderem an den zahlreichen, teils grenznahen ausländischen AKW, die bereits in Betrieb, im Bau oder geplant sind. Auch die Laufzeitverlängerungen alter AKW – teils geplant, teils bereits beschlossen – müssen aus der Notfallschutz-Perspektive sehr kritisch beobachtet und beurteilt werden.
Generell können wir aber sagen: Das Notfallmanagementsystem für radiologische Notfälle in Deutschland ist jeder Zeit effektiv und einsatzbereit. Die betroffenen Einheiten meines Hauses und des BfS sind vorbereitet, um in einem Notfall zügig reagieren zu können.
Ein zentraler Baustein des Notfallmanagementsystems des Bundes sind Systeme zur routinemäßigen Überwachung der Umwelt. Deutschland betreibt das mit Abstand dichteste Messnetz zur Überwachung der Umweltradioaktivität.
Ein weiterer Baustein ist das Radiologische Lagezentrum des Bundes, das 2017 vom BMUV eingerichtet wurde. Das BfS ist Teil dieses dezentralen Netzwerkes aus unterschiedlichen Organisationen und spielt bei der Bereitstellung des radiologischen Lagebildes eine zentrale Rolle. Die Kompetenzen des BfS sind entscheidend dafür, dass radiologische Notfälle durch das Lagezentrum erfolgreich bewältigt werden können.
Wir sind als BMUV und BfS Teile der Sicherheitsinfrastruktur Deutschlands. Diese Sicherheitsinfrastruktur muss für aktuelle und künftige Herausforderungen gewappnet werden.
Frau Dr. Paulini hat kürzlich zurecht auf die Gefahr hingewiesen, die zum Beispiel von Cyberangriffen für das BfS, die die Lageeinschätzungen beeinträchtigen könnten.
Der Schutz vor radiologischen Notfällen ist und bleibt immer auch eine ressortübergreifende Aufgabe. Deshalb muss die Vorbereitung in Zusammenarbeit erfolgen. Im Strahlenschutzgesetz ist ein ganzes System von aufeinander abgestimmten Notfallplänen des Bundes und der Länder vorgesehen.
Das Basisdokument ist der Allgemeine Notfallplan des Bundes, der auf Vorschlag des BMUV vom Kabinett beschlossen worden ist. Seit November letzten Jahres ist er in Kraft. Der Allgemeine Notfallplan wird durch weitere Pläne ergänzt, die die Notfallreaktionen in anderen Bereichen regeln, wie etwa im Lebensmittelsektor.
Unser Ziel ist es, radiologische Notfälle als eine von vielen möglichen Gefahren in den Bevölkerungsschutz zu integrieren. Ganz im Sinne eines All-Gefahren-Ansatzes, der alle Gefahrenarten berücksichtigt, seien sie natürlicher oder technologischer Natur. Damit kann der Schutz der Bevölkerung am ehesten gewährleistet werden – sei es vor Naturkatastrophen oder auch vom Menschen unabsichtlich oder vorsätzlich verursachten Gefährdungen.
Der radiologische Notfallschutz bleibt auch nach dem Atomausstieg eine wichtige Aufgabe des Regierungshandelns. Das haben die Entwicklungen in der Ukraine deutlich aufgezeigt. Deutschland ist mit dem in 50 Jahren aufgebauten Messnetz hervorragend aufgestellt. BMUV und BfS sorgen in bewährter Weise für die besten technischen und organisatorischen Vorrausetzungen. Wir werden auch zukünftig alles dafür tun, den bestmöglichen Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.
Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Veranstaltung.