– Es gilt das gesprochene Wort –
Guten Morgen in die Runde,
herzlich Willkommen hier im Bundesumweltministerium! Ich begrüße die zahlreichen Vertreterinnen und Vertreter der Verbände und Länder zum Auftakt unserer Dialogreihe Wolf. Ebenso begrüße ich die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Müller aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, die uns per Videoschalte zugeschaltet ist, und die vielen Kolleginnen und Kollegen, die heute hier sind. Wir haben uns im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Agrarministerium eng abgestimmt, und wir sind zu allen Fragestellungen zum Umgang mit dem Wolf in einem engen und vertrauensvollen Austausch.
Aber ich will direkt einsteigen in unsere Sachdiskussion. Im Koalitionsvertrag haben wir als Ampelparteien eine solche Dialogreihe vereinbart. Wir haben sie heute begonnen, aber das ist natürlich nicht der Start. Es hat bereits viele Gespräche im Vorfeld gegeben, auch einen Austausch mit Verbänden an verschiedenen Stellen. Und auch nach der heutigen Veranstaltung werden selbstverständlich weitere Treffen folgen.
Ich setze weiter auf Dialog – trotz der Beschreibung, liebe Frau Gersmann, die Sie uns eben gegeben haben – weil ich der Meinung bin, dass daran kein Weg vorbeiführt.
Der Wolf ist wieder präsent in Deutschland. Das ist inzwischen eine Binsenweisheit, aber es ist noch nicht so lange her, dass die Wiedereinwanderung des Wolfes stattgefunden hat. Er ist wieder präsent in unseren Wäldern und Landschaften, er macht Probleme, aber ganz besonders präsent ist der Wolf im öffentlichen und medialen Diskurs.
Das ist erst einmal gut so. Ich glaube, nur wenn es Raum für unterschiedliche Sichtweisen auf ein real existierendes Problem gibt und man sich darüber austauscht und auch konstruktive Kritik aushält, nur dann kann man zu tragfähigen Lösungen kommen. Es hilft niemandem, wenn wir dieser Diskussion und den real existierenden Problemen ausweichen und möglicherweise über Scheinlösungen diskutieren.
Ich bin der Meinung: Die Tatsache, dass es wieder Wölfe in Deutschland gibt, ist zuallererst eine gute Nachricht. Weil sie zeigt, dass wir in Deutschland intakte Natur haben, in die auch ein Raubtier wieder eingewandert ist und sich hier angesiedelt hat.
Die zweite gute Nachricht sehe ich darin, dass sich unsere Gesellschaft darauf verständigt hat, dass sie sich der Anstrengung aussetzen will, die Koexistenz zwischen der absolut wichtigen Weidetierhaltung und einem wieder eingewanderten Raubtier zu organisieren. Dass sie sagt, ja, diese Anstrengung nehmen wir auf uns, und wir setzen dafür auch öffentliche Mittel, sprich: Steuergelder ein. Wir halten diese Diskussion aus, wir halten diesen Streit darüber aus. Ich glaube, dass es auch deshalb eine gute Nachricht ist, weil es relativ schwierig ist, auf internationaler Ebene den Schutz von Tigern und Elefanten zu fordern, aber gleichzeitig zu sagen, Deutschland könne die Koexistenz mit einem Raubtier nicht aushalten. So etwas muss in anderen Ländern auf der Welt organisiert werden. Ich glaube, das wäre falsch, und deshalb bin ich froh, dass wir insgesamt sagen: Ja, wir weichen dem Problem nicht aus.
Wir wissen: Wir alle sind auf intakte Natur, auf gesunde Ökosysteme angewiesen. Auf Böden, die Wasser speichern können, auf gesunde Wälder. Wir Menschen brauchen die Natur, um uns zu schützen, um Lebensmittel zu produzieren, um auch in Zukunft noch Wasser zu haben, um Sauerstoff zu produzieren, um biologische Vielfalt, Tiere und Pflanzen um uns herum zu haben, und gefiltertes Wasser, saubere Luft, sichere Ernährung. Das ist für uns alle existenziell. Deswegen ist die Debatte, wie wir das hinbekommen, nicht nur notwendig, sondern auch schlichtweg lohnend.
Mir ist bewusst, dass wir gegenwärtig eine sehr starke, eine intensive Diskussion führen über die Probleme, die der Wolf mit sich bringt. In einem dicht besiedelten und stark landwirtschaftlich geprägten Land wie Deutschland ist es schwierig. Deswegen bleibe ich umso mehr dabei, dass wir im Gespräch sein müssen, wenn wir diese Probleme lösen wollen.
Ich glaube, gerade die Situation in Frankreich lehrt uns, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Frankreich hat die Variante gewählt, eine bestimmte Anzahl von Wölfen pro Jahr zu schießen. Ob das mit dem europäischen Recht vereinbar ist, ist noch in der Diskussion. Mir geht es aber um die Praxis. Und die zeigt, dass trotz der Abschüsse die Zahl der Wolfsrisse in Frankreich höher ist als in Deutschland. Mir geht es darum, dass wir Lösungen generieren, die tatsächlich einen Fortschritt für die Weidetierhaltung bringen.
Damit wir diese Lösungen identifizieren können, ist das Monitoring entscheidend. Deswegen ist das das erste Thema der Veranstaltungsreihe. Um einen guten Umgang mit dem Wolf zu finden, müssen wir wissen, wie groß die Wolfspopulation ist, wo sie ist und wie sie sich zusammensetzt. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um zu Lösungen in der Realität, in der Praxis zu kommen.
Insgesamt geht es um den bestmöglichen Schutz von Menschen und Tieren, um eine ausgewogene Balance zwischen den Interessen der Weidetierhaltenden und dem Naturschutz. Den Rahmen dafür möchte ich kurz abstecken.
Erstens: Der Wolf ist eine geschützte Art, durch deutsches Recht und die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Der Wolf ist noch nicht in einem günstigen Erhaltungszustand. Das geht aus dem letzten FFH-Bericht hervor, der mit den Ländern und innerhalb der Bundesregierung – der vorherigen Bundesregierung – abgestimmt wurde. Wir wissen, dass die Zahlen gestiegen sind. Momentan sehen wir einen leichten, keinen exponentiellen Anstieg. Wir werden den Erhaltungszustand, so wie wir nach europäischem Recht verpflichtet sind, alle sechs Jahre feststellen. Der Erhaltungszustand wird nach europaweit einheitlichen Kriterien ermittelt und gemeldet. Das gilt nicht nur für den Wolf, sondern auch für andere Arten, die durch die FFH-Richtlinie geschützt sind. Dieser Prozess läuft, bis in nächste Jahr hinein.
Ich möchte aber betonen: Es gibt in der FFH-Richtlinie keinen Automatismus, dass der Schutzstatus einer geschützten Art – einer nach europäischem Naturschutzrecht geschützten Art – geändert wird, wenn sich die Art in einem günstigen Erhaltungszustand befindet. Das heißt, die Lösung für die existierenden Konflikte sollte nicht in der vagen Hoffnung auf eine Änderung des Schutzstatus liegen, sondern in der Realität, in der Praxis und im Heute. Deshalb hilft es nicht, mit dem Finger immer wieder auf die FFH-Richtlinie zu zeigen. Denn bei der FFH Richtlinie reden wir nicht nur über den Wolf, sondern auch über sehr viele andere Arten, die auch beanspruchen auf diesem Planeten zu leben und Lebensraum in Anspruch nehmen und durch die FFH-Richtlinie geschützt sind. Diese werden dann in der Diskussion immer sofort mit aufgerufen. Ich will nicht, dass wir uns Scheinlösungen vorgaukeln lassen, sondern dass wir in der Praxis vorankommen.
Zweitens: Die wichtigste Voraussetzung für eine sichere Koexistenz zwischen Weidetierhaltung und Wolf ist und bleibt der Herdenschutz. Wer vorgaukelt, wir könnten auf Herdenschutz verzichten, der muss über die Ausrottung vom Wolf sprechen. Wer keinen Herdenschutz haben will, der muss davon ausgehen, dass eine Koexistenz nicht möglich ist. Ich vertrete diese Auffassung nicht. Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium hat sich mein Haus bei der EU-Kommission erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Kosten für Herdenschutzmaßnahmen bis zu 100 Prozent gefördert werden können. Wir lassen also die Weidetierhalter mit der Herausforderung nicht allein.
Ich will betonen: Die Weidetierhaltung und insbesondere die Wanderschäferei leistet einen unersetzlichen Beitrag zur Erhaltung unsere Kulturlandschaft und der biologischen Vielfalt. Das ist vielleicht bisher in der Diskussion zu kurz gekommen. Es ist mir ein Anliegen, diese Arbeit zu schützen und zu erhalten. Die Weidetierhaltung und ganz besonders die Wanderschäferei leisten einen wirklich ganz unersetzlichen Beitrag für den Naturschutz, für den Artenschutz, für die biologische Vielfalt, für den Landschaftsschutz. Deshalb sind wir als Gesellschaft verpflichtet zum Schutz dieser Leistungen, genauso wie wir andere Schutzgüter haben.
Wir haben deshalb unter anderem im Bundesamt für Naturschutz ein Forschungsvorhaben, wie wir gerade in Problemlagen – auf Deichen und in Steillagen – den Herdenschutz noch verbessern können, so dass er wirksam ist, dass er technisch realisierbar ist und für die Weidetierhalter auch zumutbar ist.
Das führt mich direkt zu meinem dritten Punkt: Da wo der Herdenschutz nicht funktioniert hat, da wo er nicht zumutbar ist, da wo Wölfe sich möglicherweise dem Menschen zu sehr genähert haben oder gar dem Menschen gefährlich werden könnten. Für diese Situation haben wir in Deutschland die Rechtslage, dass Wölfe abgeschossen werden können. Ich finde wir sollten das auch klar beim Namen nennen. "Entnahme" klingt etwas bürokratisch, es geht darum, einen Wolf zu töten, zu erlegen, zu schießen. Diese Möglichkeit existiert in unserem Rechtssystem und ich bin der Meinung, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll. Und dass von dieser Möglichkeit stärker Gebrauch gemacht werden soll. Das heißt nicht, dass ganze Rudel geschossen werden. Das wäre mit der Rechtslage nicht vereinbar und würde außerdem die Probleme in der Praxis nicht lösen.
Worum es geht ist, wie wir die bürokratischen Hürden, die in der Realität existieren, wenn Wölfe aus den genannten Gründen abgeschossen werden sollen, wie wir diese bürokratischen Hürden abbauen können. Wie wir es einfacher machen können und auch rechtssicherer, belastbarer machen können für diejenigen, die solche Entscheidungen treffen. Sie sollen sich auf sicherem Boden bewegen, wenn sie einen Wolfsabschuss genehmigen. Ich glaube, dass eine konsequente Anwendung dieser geltenden Regelungen viele Probleme lösen würde und etliche Debatten erübrigen würde. Daran möchte ich gemeinsam mit Ihnen arbeiten.
Ich verstehe die Sorgen der Betroffenen. Ich nehme sie sehr ernst. Das will ich in aller Klarheit sagen: Ich lasse mir keine Ignoranz dieser Probleme vorwerfen. Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück. Das zielt darauf ab, den Dialog zu unterminieren und sich aus dem Dialog zurückzuziehen. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Ich habe mich seit vielen Jahren für eine Weidetierprämie eingesetzt. Die größte ökonomische Bedrohung, die es für die Weidetierhalter gibt ist, dass über diesen Wirtschaftszweig kein ausreichend belastbares Einkommen erzielt werden konnte. Deshalb bin ich froh, dass die Bestrebungen gerade aus meiner Fraktion und auch von mir persönlich für eine Weidetierprämie jetzt Realität sind. Seit dem 1. Januar 2023 haben wir eine Weidetierprämie und damit eine ökonomische Unterstützung für die so wichtige Weidetierhaltung. Dafür stehe ich. Deshalb bin ich dafür, dass wir den Dialog nicht vergiften sollten, sondern uns den real existierenden Problemen stellen und sie bewältigen. Dafür sind wir als Politiker gewählt. Ich glaube aber, dass auch Verbandsvertreter diesen Auftrag annehmen sollten.
Deshalb danke ich Ihnen allen dafür, dass Sie heute hier sind und sich dieser Herausforderung stellen, die Probleme miteinander zu diskutieren, Streit auszuhalten, immer mit dem Ziel, Lösungen für die Realität auf den Weiden, in den Wäldern, in der Landschaft zu finden. Dafür einen herzlichen Dank und uns allen einen erkenntnisreichen Vormittag und konstruktive Diskussionen.