Trittin: Obrigheim geht vom Netz - die Energiewende geht weiter

10.05.2005
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: Nr. 115/05
Thema: Energieeffizienz
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Jürgen Trittin
Amtszeit: 27.10.1998 - 22.11.2005
15. Wahlperiode: 22.10.2002 - 22.11.2005
Dank an Obrigheim-Beschäftigte

Dank an Obrigheim-Beschäftigte

Zu der für den 11. Mai angekündigten Abschaltung des Atomkraftwerks Obrigheim erklärt Bundesumweltminister Jürgen Trittin:

Mit der Abschaltung des Atomkraftwerks in Obrigheim wird ein weiteres Stück Energiewende sichtbar: Nach Mülheim-Kärlich, das aufgrund des Atomkonsenses nie mehr ans Netz ging, und nach Stade wird nun das dritte Atomkraftwerk infolge des Ausstiegs aus der Atomenergie endgültig stillgelegt. Von ursprünglich 49 geplanten und 20 genehmigten Atomkraftwerken laufen dann noch 17.

Mit dem Atomkonsens hatte sich die Bundesregierung mit den Betreibern im Jahre 2000 auf eine Reststrommenge verständigt, die an Atomstrom noch erzeugt werden darf. Diese Reststromenge ist heute bereits zu einem Drittel abgearbeitet. Innerdeutsche Atomtransporte haben wir schon seit 1998 kaum mehr. Ab dem 1. Juli dieses Jahres gibt es auch keine Transporte mehr in die Plutoniumfabriken nach La Hague oder Sellafield. Deutschland wird damit den Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft vollziehen.

Auch wenn die Haltung zur Atomkraft bei den Obrigheim-Beschäftigten anders ist als die meinige - ich möchte denen, die im Kraftwerk über Jahre ihrer Arbeit nachgegangen sind, für ihr Engagement danken. Sie haben ihren Beitrag dazu geleistet, mit einer Hochrisikotechnologie verantwortungsvoll umzugehen. Stilllegung ist Arbeit. Mit dem Ende des Betriebs geht nicht ein Ende der Beschäftigung einher.

Doch bei der Energiewende geht es um Umstieg - nicht bloß um Ausstieg. Es geht um Umstieg hin zu einer klimafreundlichen, sicheren, modernen Energieversorgung ohne strahlende Altlasten für kommende Generationen. Die Zukunft gehört den drei E: Energieeinsparung, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien.

Das Aus für Obrigheim ist Zeichen für einen Neuanfang. In Deutschland hat ein neues Energiezeitalter begonnen. Wir treiben die ökologische Modernisierung der Energieversorgung voran. Bis zum Jahre 2020 werden wir 40.000 MW Kraftwerkskapazität in Deutschland zu ersetzen haben - Altanlagen wie Obrigheim oder die Braunkohleblöcke von Frimmersdorf. Dafür haben wir mit dem Atomausstieg, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem Emissionshandel und dem Energiewirtschaftsgesetz den Rahmen gesetzt.

Die Voraussetzung für eine solche Energiewende ist der Ausstieg aus der Atomenergie. Denn: Atomkraftwerke sind Auslaufmodelle der Energieverschwendung. In Deutschland wird zur Zeit wieder massiv in neue Kraftwerke investiert. Seit 1999 schon in Erneuerbare, seit diesem Jahr auch wieder in moderne hocheffiziente fossile Kraftwerke. Rund 19 Mrd. Euro werden in Gaskraftwerke und den Ersatz alter Braunkohlekraftwerke investiert.

Die Union hat offenbar etwas gegen diese Investitionen. Sie möchte lieber solchen Reaktoren wie Obrigheim die Laufzeit verlängern. Dann aber würde die Modernisierung des deutschen Kraftwerkparks zurückgestellt, denn neue moderne Kraftwerke können gegen alte, abgeschriebene Anlagen nicht konkurrieren. Die Forderung nach Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke ist ein industriepolitisches Armutszeugnis!

Wessen Laufzeiten sollen da verlängert werden? Es handelt sich um museumsreife Technologie. Obrigheim ist der übriggebliebene Methusalem der deutschen Atomkraftwerke. Der Drucksiedereaktor war als Demonstrationskraftwerk errichtet. Obrigheim ist 36 Jahre gelaufen, davon 21 mit einer blosser Probegenehmigung. In dieser Zeit demonstrierte die Anlage vor allem eines: die Notwendigkeit zahlreicher Nachrüstungen. Selbst die Dampferzeuger mussten ersetzt werden.

Öffentlich wird oft die Frage aufgeworfen, woher denn unser Strom kommt, wenn wir aus der Atomkraft außteigen. Kriegen wir dann nicht Atomstrom aus Frankreich? Halten wir fest: Deutschland ist Stromexportland und nicht von Importen abhängig. Die Bundesrepublik war diesen Winter sogar in der Lage, Frankreich in seiner Stromnot zu helfen. Aufgrund des langen Winters und des hohen Anteils an Stromheizungen wurde dort nämlich der Atomstrom knapp. Ähnlich war es im Sommer 2003, als Frankreich seine Atomkraftwerke abschalten oder drosseln musste, weil das Kühlwasser in den Flüssen wegen der Trockenheit knapp wurde.

Die Bundesregierung setzt auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbare - nur das schafft Versorgungssicherheit. Es macht nämlich keinen Sinn, statt Häuser zu isolieren, stromfressende Klimaanlagen zu installieren. Es macht keinen Sinn, mit Strom zu heizen, bei dessen Produktion zwei Drittel der eingesetzten Energie als Abwärme in den Neckar oder die Rhone geleitet wurde. Es macht erst recht keinen Sinn, eine hohe Grundlast aus Atomkraftwerken vorzuhalten, um mit dem Strom Autobahnen zu beleuchten und Fußwege zu tauen, wie in Belgien und Schweden.

Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbare sind die moderne Antwort auf ineffiziente Kohle und das Risiko Atom. Wir sind in Deutschland mit der Energiewende einen großen Schritt vorangekommen.

10.05.2005 | Pressemitteilung Nr. 115/05 | Energieeffizienz
https://www.bmuv.de/PM2635
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