Schreiben an den kanadischen Fischereiminister
Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat an die kanadische Regierung appelliert, ihren Beschluss zur Tötung von mehr als 1 Million Robben zurückzuziehen. "Dieser massive Eingriff in die Population kann meiner Meinung nach nicht mehr als 'nachhaltige Nutzung' angesehen werden," schrieb Trittin in einem Brief an den kanadischen Fischereiminister Robert Thibault. Er bat den Minister, die Robben als wichtigen Bestandteil des natürlichen Ökosystems anzusehen, den Empfehlungen kanadischer und internationaler Wissenschaftler zu folgen und verträgliche Entnahmequoten festzusetzen.
Kanada hat vor kurzem die Fangquote erhöht und beschlossen, in den nächsten drei Jahren 975.000 Sattelrobben und 30.000 Klappmützen im Nordwest-Atlantik töten zu lassen. Grönland entnimmt noch einmal über 100.000 Robben, weitere rund 30.000 Robben fallen als so genannter Beifang der kanadischen Fischerei zum Opfer. Außerdem werden bei der Tötungsaktion zahlreiche Tiere verwundet, die später ungezählt sterben. 2002 wurde die festgesetzte Quote um 35.000 Tiere überschritten.
Der Bundesumweltminister äußert in seinem Schreiben Unverständnis darüber, dass Thibault nicht den Empfehlungen seiner eigenen Wissenschaftler folge, die als Grenze für eine nachhaltige Nutzung die Entnahme von nicht mehr als 257.000 Tieren festgelegt haben. Auch internationale Robben-Wissenschaftler hätten für die Erhöhung der Entnahmequote keinerlei Verständnis, sie setzten die noch vertretbare Entnahmequote weit tiefer an, so Trittin weiter. Ebenso würden sie die von kanadischen Fischern und Politikern häufig geäußerte Meinung, die Robben seien schuld an dem Zusammenbruch der Fischbestände im Nordatlantik, strikt zurückweisen. Sattelrobben fressen nach Untersuchungen von Fischereibiologen 100 verschiedene Beutetiere, davon nur 1 bis 4 Prozent Kabeljau, dessen Bestände vor Kanada und Grönland besonders gelitten haben. "Nach meiner Überzeugung ist für den Zusammenbruch vieler Fischpopulationen in erster Linie die Überfischung durch die großen Fangflotten vieler Nationen verantwortlich," betont Trittin.
Entsetzt ist Trittin darüber, dass nach Untersuchungen einer internationalen Ärztegruppe bei den Tötungsaktionen über 40 Prozent der Tiere lebend und bei Bewusstsein gehäutet werden. "Dies kann unter Aspekten des Tierschutzes und einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Bestände nicht toleriert werden." Trittin bat Thibault, dafür zu sorgen, dass bei Tötungsaktionen, wenn sie denn notwendig seien, die Grundregeln eines modernen Tierschutzes und einer ethischen Verantwortung für andere Lebewesen eingehalten werden.