Nationale Zuständigkeitsordnung im Umweltschutz muss endlich europatauglich werden
Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat sich für eine Reform der Umweltkompetenzen bei der Neuordnung der föderalen Struktur der Bundesrepublik ausgesprochen. "Gegenwärtig sind die Gesetzgebungskompetenzen im Umweltbereich zersplittert. Das ist der Grund für das Schneckentempo mancher Reformen und Projekte und für Fristüberschreitungen bei der Umsetzung europäischer Richtlinien", sagte Trittin vor mehr als 150 Teilnehmern einer Tagung des Bundesumweltministeriums zur Föderalismusreform. Ziel müsse sein, die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern. Der Bund müsse eine einheitliche Gesetzgebungskompetenz für Umwelt erhalten, so Trittin.
Der Bund ist derzeit zwar grundsätzlich zuständig für die Gesetzgebung in den Bereichen Boden, Abfall, Luft, Lärm und Strahlung. Für Natur und Wasser kann er aber nur Rahmenrecht setzen. In diesen Fällen müssen dann sechzehn Landesgesetzgeber ausfüllende Vorschriften erlassen. "Das bedeutet regelmäßig einen Berg Mehrarbeit und führt ebenso regelmäßig zu überflüssigen Verzögerungen. Wir wollen Bürokratie abbauen, das Umweltrecht verschlanken und rationeller organisieren. Unsere nationale Zuständigkeitsordnung muss endlich europatauglich werden", forderte Trittin.
Rund 80 Prozent des deutschen Umweltrechts beruhen inzwischen auf Vorgaben der Europäischen Union. Um beispielsweise die EU-Wasserrahmenrichtlinie in bundesdeutsches Recht zu überführen, sind alleine 33 Rechtsakte nötig: ein Wasserhaushaltsgesetz des Bundes, 16 Landeswassergesetze und 16 Landeswasserverordnungen. "Was die EU sektorenübergreifend geregelt hat, muss in Deutschland anschließend meist wieder sektoral aufgegliedert und Teile den Ländern aufgetragen werden.", sagte Trittin. Bei dieser sektoralen Arbeitsweise würden zudem häufig Nebenwirkungen in anderen Bereichen übersehen. So finde etwa bei der Diskussion um Gentechnik in der Landwirtschaft die Frage, welche Effekte die Ausbreitung transgenen Pollens in geschützten Naturräumen entfalten könnten, derzeit kaum Beachtung.
Neue Aktionsfelder für die Bundesländer sieht der Bundesumweltminister beim Vollzug der Gesetze. "Hier liegt die Stärke der Länder. Die Behörden vor Ort kennen sich mit den konkreten Verhältnissen sehr viel besser aus als der Bund. Daher brauchen wir eine Stärkung der unteren Ebene", sagte Trittin. Der Bund solle sich auf übergreifende Regelungen beschränken. "Es gibt Bundeszuständigkeiten, die mich jedes Mal erneut erstaunen. Weshalb muss der Bund beispielsweise über Einzelprojekte wie die Ortsumgebung Barenburg entscheiden?", so Trittin.
Auch bei der Atomaufsicht denkt der Bundesumweltminister über Alternativen zur sogenannten "Bundesauftragsverwaltung" nach. Derzeit existieren in den Bereichen Kernenergie und Strahlenschutz mit der Bundes- und der jeweiligen Landeseben doppelte Verwaltungsstrukturen beim Vollzug. Um dies aufzuheben und zum Abbau von Bürokratie beizutragen schlägt Trittin vor, den Vollzug des Atomrechts beim Bund zu konzentrieren, den Strahlenschutz hingegen vollständig in Landeshände zu geben. Denn der Strahlenschutz betreffe nicht nur Atomkraftwerke, er reiche weit in den Gesundheits- und Arbeitsschutz hinein. "Die Föderalismusreform ist eine Chance für beide Seiten, für Bund und Länder. Wir müssen sie darüber hinaus zu einer Chance für besseren, effektiveren Umweltschutz machen", sagte Trittin.