Bundesumweltminister unterrichtet Umweltausschuss über die Vorfälle in Krümmel, Brunsbüttel und Unterweser
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat insbesondere Vattenfall aufgefordert, in ihren Anlagen ein auch im praktischen Betrieb wirksames modernes, dem aktuellen nationalen und internationalen Standard entsprechendes Sicherheitsmanagement einzuführen: "Ein solches System muss spätestens in einem Jahr im Betrieb realisiert sein. Hier werden wir weitere Verzögerungen nicht mehr dulden", sagte Gabriel nach einer Sondersitzung des Umweltausschusses des Bundestages. Der Bundesumweltminister hatte den Parlamentsausschuss über aktuelle Erkenntnisse zu den Ereignissen in den Atomkraftwerken Krümmel, Brunsbüttel und Unterweser unterrichtet.
Gabriel: "Der Umgang mit diesen Ereignissen offenbart erhebliche Defizite in der Sicherheitskultur des Betreibers." Der Minister forderte jedoch auch die anderen Betreiber der Atomkraftwerke auf, innerhalb eines Jahres über die erfolgreiche Einführung eines Sicherheitsmanagementsystems zu berichten. Die Erfahrung der letzten Jahre zeige, dass insbesondere in den technisch veralteten Atomkraftwerken größere Sicherheitsmängel aufgetreten sind. Gabriel forderte deshalb die Betreiber auf, technisch veraltete Atomkraftwerke nach den Regeln des Atomgesetzes vorzeitig vom Netz zu nehmen.
Ein Sicherheitsmanagement enthält im wesentlichen Regeln für eine gute Sicherheitskultur. Es hat zum Ziel, dass durch festgelegte Prozesse ein System kontinuierlicher Verbesserung sicherheitsgerichteter Verhaltensweisen entsteht, Abweichungen von Regeln sowie Fehler auch von Organisation und Technik rechtzeitig erkannt und durch Maßnahmen des Betreibers selbst beantwortet werden.
Zu den vorläufigen Schlussfolgerungen, die das Bundesumweltministerium aus den jüngsten Vorfällen in den drei Atomkraftwerken zieht, gehört auch, dass für die Steuerung der Anlagen, insbesondere auf der Warte, klare und verbindliche Kommunikationsregeln festgelegt werden müssen. Das Bundesumweltministerium geht derzeit davon aus, dass bei der Reaktorschnellabschaltung in Krümmel am 28. Juni die Kommunikation zwischen Reaktorfahrer und Schichtleiter nicht eindeutig war. Zudem müssen nach Ansicht des Bundesumweltministeriums auch elektrische Einrichtungen wie Generator, Transformator und Netzeinbindung verstärkt in die sicherheitstechnischen Überprüfungen der Landesaufsichtsbehörden einbezogen werden. Gabriel: "Gerade die Vorfälle in Krümmel haben, nach allem was wir bisher wissen, gezeigt, dass Störungen im konventionellen Bereich der Anlage sich erheblich auf den nuklearen Betrieb auswirken können."
Als weitere Konsequenz muss nach Ansicht Gabriels ein modernes sicherheitstechnisches Regelwerk, das den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik beschreibt, spätestens in einem Jahr zur Verfügung stehen. Gabriel: "Die erforderliche Sicherheit beim Betrieb der Atomkraftwerke während ihrer Restlaufzeit können wir nur dann gewährleisten, wenn wir sie am aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik überprüfen."
In Krümmel ist es am 28. Juni durch einen Kurzschluss zu einem Brand in einem der beiden Maschinentransformatoren gekommen. Die Ursache dafür ist immer noch nicht geklärt. Zu untersuchen ist u. a, ob es sicherheitstechnisch gerechtfertigt war, dass der Schichtleiter ca. 14 Minuten nach Beginn des Brandes von Hand zwei Sicherheits- und Entlastungsventile öffnen ließ und warum es dabei zu Missverständnissen zwischen ihm und dem ausführenden Reaktorfahrer kam.
Gabriel: "Krümmel kann erst wieder ans Netz gehen, wenn die Ursachen der Fehler lückenlos aufgeklärt und entsprechende Sicherheitsverbesserungen nachweislich durchgeführt sind." Der Bundesumweltminister kündigte an, er werde einen intensiven Dialog- und Prüfprozess mit den für die Steuerung der Atomkraftwerke verantwortlichen Produktionsleitern einleiten, um mögliche Defizite bei der Kommunikation auf der Warte zu analysieren und ggf. abzustellen. Dazu wird das Bundesumweltministerium in Kürze zu einem ersten Fachgespräch einladen.
Im Atomkraftwerk Unterweser ist ein Fehler in einem der vier Nachkühlstränge des Kernnot- und Nachkühlsystems über den Zeitraum von über einem Jahr bei mehreren Prüfungen erkannt, aber nicht behoben worden. Gabriel: "Das wirft kein gutes Licht auf die Sicherheitskultur in dieser Anlage und stellt auch hier Fragen zur Fachkunde der Mitarbeiter."
Im Hinblick auf die Liste der offenen Punkte aus der Periodischen Sicherheitsüberprüfung des AKW Brunsbüttel betonte Gabriel, dass er hier bislang keinen Anlass zur Kritik an der zuständigen Atomaufsicht in Schleswig-Holstein sieht: "Unabhängig davon und aufgrund der besonderen Bedeutung des Falles Brunsbüttel wird das Bundesumweltministerium die ca. 50 offenen Punkte gemeinsam mit der Kieler Atomaufsicht im Detail vor dem Wiederanfahren überprüfen. Auch Brunsbüttel wird erst wieder ans Netz gehen, wenn die Ursachen der Vorfälle vollständig aufgeklärt und Maßnahmen, die erforderlich sind, durchgeführt worden sind."