Bundeskabinett beschließt neue Vorgaben für erneuerbare Energien im Verkehrssektor
Die Bundesregierung hat heute auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze beschlossen, den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor bis 2030 auf 28 Prozent anzuheben. Damit geht Deutschland deutlich über die EU-Vorgaben von 14 Prozent hinaus. Neben stärkeren Anreizen für grünen Wasserstoff, neue Ladesäulen und fortschrittliche Biokraftstoffe, die aus Reststoffen statt aus Nahrungsmitteln gewonnen werden, sieht die Gesetzesänderung auch den schrittweisen Ausstieg für Biokraftstoffe aus Palmöl vor.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Wir brauchen in Deutschland mehr moderne, saubere Technologien, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Mit dem Gesetz zur Förderung klimafreundlicher Kraftstoffe schafft die Bundesregierung ein wirksames Instrument, um Treibausgasemissionen wirklich zu reduzieren. Wir wollen aber nicht einfach blind mehr alternative Kraftstoffe im Tank. Was Erdöl ersetzen soll, darf nicht zugleich den Regenwald vernichten. Ich will Kraftstoffe fördern, die effizient und bezahlbar sind und die das Klima schützen, ohne die Natur zu zerstören."
Mit der Gesetzesnovelle wird die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien im Verkehr umgesetzt (RED II), die im Jahr 2030 bei 14 Prozent am gesamten Energieverbrauch im Verkehrssektor liegen müssen. Die Bundesregierung will diese EU-Vorgaben deutlich übertreffen und den Anteil auf 28 Prozent erhöhen. Deutschland erfüllt diese EU-Vorgaben mittels Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) im Bundesimmissionsschutzgesetz. Mit der THG-Quote werden Mineralölunternehmen verpflichtet, die Treibhausgasemissionen ihrer Kraftstoffe um aktuell sechs Prozent zu senken. Dazu können sie klimafreundliche Energieerzeugnisse wie grünen Wasserstoff, Strom oder fortschrittliche Biokraftstoffe einsetzen. Laut Gesetzesnovelle steigt die THG-Quote bis 2030 schrittweise auf 22 Prozent.
Für die einzelnen Kraftstoffoptionen bedeutet die Umsetzung der RED II in Bundesrecht:
Innerhalb der THG-Quote soll der Anteil von fortschrittliche Biokraftstoffen von derzeit null auf mindestens 2,6 Prozent bis 2030 steigen. Fortschrittliche Biokraftstoffe werden zum Beispiel aus Reststoffen wie Stroh und Gülle gewonnen. Diese Form des "Recycling" ist nachhaltig und soll ab einer bestimmten Höhe sogar mit einer doppelten Anrechnung innerhalb der THG-Quote gefördert werden. Auch Kraftstoffe aus Altspeiseölen und erstmals auch tierische Abfallstoffen können angerechnet werden.
Der Anteil von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermitteln wird beim Status Quo eingefroren. Die aktuelle Obergrenze von 4,4 Prozent wird nicht mehr überschritten. "Die Steigerung von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen ist für uns keine Option. Für Biosprit Wälder zu roden und Natur zu zerstören, ist nicht hinnehmbar. Bis 2026 werden wir daher auch das umweltschädliche Palmöl schrittweise aus dem Tank verbannen", sagt Svenja Schulze.
Strombasierte Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff sollen einen wichtigen Beitrag zu den Klimazielen im Verkehr leisten. Ökostrom ist aber ein kostbares Gut. Auch müssen die nötigen Produktionskapazitäten für strombasierte Kraftstoffe erst noch geschaffen werden. Daher will die Bundesregierung grünen Wasserstoff dort zuerst einsetzen, wo es keine effizienteren klimafreundlichen Alternativen als die direkte Stromnutzung gibt. Das trifft neben der Industrie vor allem auf den Luftverkehr zu. Innerhalb der THG-Quote soll daher die Mindestquote für flüssige Kraftstoffe aus Ökostrom (Power-to-Liquid, PtL) bis 2030 schrittweise auf mindestens zwei Prozent steigen. Zusätzlich werden strombasierte Kraftstoffe im Straßenverkehr doppelt auf die THG-Quote angerechnet und damit stärker gefördert. Darüber hinaus wird der Einsatz von grünem Wasserstoff in Raffinerien über eine doppelte Anrechnung vorangetrieben. Da in Raffinerien auch andere Kraftstoffe als strombasierte produziert werden, kann grüner Wasserstoff dazu dienen, Treibhausgasemissionen in anderen Verkehrssektoren zu reduzieren.
Der direkte Einsatz von Strom in Elektroautos wird mit einer dreifachen Anrechnung innerhalb der THG-Quote gefördert. Dadurch soll indirekt die Mineralölwirtschaft am Betrieb der bundesweiten Ladeinfrastruktur beteiligt werden. Derzeit wird ihr Ausbau noch stark über Steuergelder finanziert. Im Gesetz hat die Bundesregierung einen Schutzmechanismus eingebaut, der verhindert, dass durch Strom Biokraftstoffe und grüner Wasserstoff vom Markt gedrängt werden.
Nach dem Beschluss durch das Bundeskabinett muss der Gesetzentwurf noch vom Bundestag beschlossen werden und den Bundesrat passieren. Das Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft. Spätestens 2024 ist eine Überprüfung des Gesetzes vorgesehen. Im Anschluss an die Verabschiedung im Parlament bringt die Bundesregierung auch die zugehörige Verordnung auf den Weg. In der Verordnung werden die neuen Regelungen für Biokraftstoffe sowie die Anrechenbarkeit von Strom auf die THG-Quote umgesetzt.
Kurz erklärt: Was ist die Treibhausgasminderungsquote?
Im Jahr 2015 hat der Gesetzgeber in Deutschland die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) eingeführt, um den CO2-Ausstoß von Kraftstoffen zu vermindern. Mit der THG-Quote werden Mineralölhersteller dazu verpflichtet, den CO2-Ausstoß ihrer Kraftstoffe zu reduzieren. Fossile Kraftstoffe stoßen im Schnitt 94,1 Kilogramm CO2 pro Gigajoule aus. Diesen Durchschnittswert hat die Europäische Union einst ermittelt und festgelegt. Laut aktueller THG-Quote müssen Mineralölunternehmen Kraftstoffe bereitstellen, die mindestens 6 Prozent CO2 pro Gigajoule weniger ausstoßen als fossile Kraftstoffe in Reinform. Welche Kraftstoffe genau die Hersteller nehmen, ist ihnen überlassen. Sie können beispielsweise fortschrittliche Biokraftstoffe beimischen, die sehr viel klimafreundlicher sind und so die durchschnittlichen Emissionen des Kraftstoffmixes effektiv senken. Auch der Einsatz von Strom in Elektrofahrzeugen oder Wasserstoff in den Raffinerien verbessert die CO2-Bilanz des Kraftstoffanbieters und ist daher auf die Verpflichtung anrechenbar.