Mit zunehmender Naturzerstörung steigt das Risiko von Krankheitsausbrüchen bis hin zu Pandemien. Daher ist ein engagierter Naturschutz in vielen Weltregionen ein wichtiger Schlüssel, um neuen Infektionskrankheiten vorzubeugen. Auf diesen Zusammenhang hat heute Bundesumweltministerin Svenja Schulze zusammen mit renommierten Wissenschaftlern in der Bundespressekonferenz hingewiesen.
Der genaue Übertragungsweg des neuartigen Coronavirus vom Tier auf den Menschen ist noch nicht abschließend erforscht. Gut belegt ist aber, dass circa 70 Prozent der menschlichen Infektionserreger ursprünglich aus dem Tierreich stammen, darunter Humane Immundefizienz-Virus (HIV), Ebola, Influenza, Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS) und Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom (SARS). Besonders offenkundig ist die Gefahr von Übertragungen auf Wildtiermärkten, wo Menschen und unterschiedliche Tierarten auf engstem Raum zusammenkommen und die Tiere zusammengepfercht und unter hygienisch unhaltbaren Zuständen verwahrt werden. Viel grundlegender ist nach Ansicht der Wissenschaftler, dass die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen wahrscheinlicher wird, wenn Ökosysteme durch menschliche Eingriffe aus dem Gleichgewicht geraten.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Jetzt ist die Zeit für akute Krisenbekämpfung. Aber es wird eine Zeit nach der Pandemie geben. Spätestens dann sollten wir die Ursachen dieser Krise verstanden haben, um für die Zukunft besser vorbeugen zu können. Die Wissenschaft sagt uns, dass die Zerstörung von Ökosystemen Krankheitsausbrüche bis hin zu Pandemien wahrscheinlicher macht. Das zeigt: Die Naturzerstörung ist die Krise hinter der Coronakrise. Umgekehrt gilt: Gute Naturschutzpolitik, die vielfältige Ökosysteme schützt, ist eine wichtige Gesundheitsvorsorge gegen die Entstehung neuer Krankheiten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Weltbiodiversitätsrat den globalen Wissensstand zu diesen Fragen sammelt, aufarbeitet und der Politik weltweit zur Verfügung stellt. Denn die Weltgemeinschaft hat nach der Pandemie die Chance, eine neue globale Biodiversitätsstrategie zu beschließen – und so zu zeigen, dass sie aus den Pandemien der Vergangenheit gelernt hat."
Dr. Sandra Junglen, Leiterin der Arbeitsgruppe "Ökologie neuartiger Arboviren" am Institut für Virologie, Charité Universitätsmedizin Berlin: "Die Entstehung zahlreicher Krankheiten kann mit dem Vordringen des Menschen in vormals unberührte Natur erklärt werden. Intensive Landnutzung, die Verbreitung von Monokulturen oder Rodungen von Wäldern führen zu einem Verlust der Artenvielfalt und verändern die Zusammensetzung der Säugetierpopulationen. Weniger Artenvielfalt bedeutet mehr Tiere einer Art im selben Lebensraum. Wenn das Ökosystem derart aus dem Gleichgewicht gerät, können sich Infektionskrankheiten besser verbreiten. Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme können vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten schützen."
Professor Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Ko-Vorsitzender Globaler Bericht des Weltbiodiversitätsrats: "Der weltweite Stand der Wissenschaft ist trotz offener Fragen eindeutig: Der Erhalt intakter Ökosysteme und ihrer typischen Biodiversität kann das Auftreten infektiöser Krankheiten generell reduzieren. Wir Menschen sind von funktionierenden, vielfältigen Ökosystemen abhängig. Mit der Zerstörung von Ökosystemen zerstören wir auch unsere Lebensgrundlage wie die Corona-Epidemie zeigt. Darum müssen wir uns gemeinsam für einen transformativen Wandel unserer Gesellschaft zum Schutz unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Die Kernelemente eines solchen Wandels stellt der globale Bericht des Weltbiodiversitätsrats heraus. Es geht um nicht weniger als eine grundlegende, systemweite Reorganisation über technologische, wirtschaftliche und soziale Faktoren hinweg, einschließlich Paradigmen, Zielen und Werten."
Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ist ein zwischenstaatliches Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für das Thema biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen. IPBES ist vergleichbar mit seiner älteren Schwester, dem Weltklimarat IPCC für das Klima.