Ministertreffen "Fischerei und Umwelt" der Nordseeanrainer am 13./14. März 1997 in Bergen Norwegen

13.03.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 23/97 S
Thema: Meeresschutz
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Merkel: Von Ministerkonferenz muß politischer Impuls für umweltverträgliche Fischereibewirtschaftung ausgehen

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilt mit:

Heute beginnt in Bergen, Norwegen, das zweitägige Ministertreffen der Nordseeanrainerstaaten zum Thema "Fischerei und Umwelt". Das Bundesumweltministerium, vertreten durch Staatssekretär Erhard Jauck, wird sich dafür einsetzen, daß das auf der 4. Internationalen Nordseeschutzkonferenz in Esbjerg vereinbarte Ziel der Verbesserung der Fischereibewirtschaftungspolitik durch konkrete Beschlüsse für eine umweltverträgliche und bestandsschonende Fischerei umgesetzt wird.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Von der Ministerkonferenz "Fischerei und Umwelt" muß ein politischer Impuls für eine Integration von Umweltschutzmaßnahmen in das Fischereimanagement ausgehen. In Esbjerg bestand insoweit Einigkeit darin, daß eine Verbesserung der Fischereibewirtschaftungspolitik am besten durch die Festlegung geeigneter mittel- und langfristiger Ziele und entsprechender Verwirklichungsstrategien erreicht werden kann. Ich habe meine Kollegen der Nordseeanrainerstaaten deshalb schriftlich vor der Konferenz gebeten, uns in Bergen bei der Festlegung konkreter Aktionen zu unterstützen, um den bisher erfolgreichen Prozeß der Nordseeschutzkonferenz fortzuführen und weiterzuentwickeln."

Die Ergebnisse der Ministerkonferenz "Fischerei und Umwelt" sollen in einer politischen Abschlußerklärung festgehalten werden. Das Bundesumweltministerium fordert insoweit zur Verminderung der ökologischen Auswirkungen der Fischerei und Erreichung einer nachhaltigen Fischereibewirtschaftung folgende konkrete Maßnahmen:

  1. Einführung von Moratorien für den Fang gefährdeter und stark dezimierter Fischbestände und konsequente Überwachung der Einhaltung;
  2. Verstärkung der Anstrengungen, die Fischerei mit schweren Baumkurren und starker Motorisierung auch außerhalb der Schollenbox durch ökologisch verträglichere Fangtechniken abzulösen;
  3. Festsetzung von Gesamtfangmengen und Quoten für die Industriefischerei in einer Höhe, die anderen marinen Lebewesen nicht die Nahrungsgrundlage entzieht;
  4. Ausweitung von Schutzzonen auch für ökologisch besonders sensible Gebiete, auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips, in denen die Industriefischerei grundsätzlich verboten ist, sowie
  5. Verminderung der sogenannten Rückwürfe

Die Situation der Weltfischbestände ist insgesamt besorgniserregend. Wichtige Fischarten sind in schlechter Verfassung. In der Nordsee gilt dies insbesondere für Kabeljau, Hering, Makrele und Scholle. Die Nordsee zählt zu den weltweit am intensivsten befischten Arealen. Das hängt mit der enormen Produktivität dieses Meeresgebietes zusammen: Auf einer Fläche von nur 0,002 Prozent der Weltmeere werden ca. 4,3 Prozent der Weltfischfangerträge erzielt. Der Jahresertrag beträgt ca. 3,4 Tonnen pro km2. Der Gesamtfang aus der sogenannten pelagischen Fischerei (Fischerei im "Freiwasser") in der Nordsee erreichte in den letzten Jahren eine Größenordnung von 2,5 - 3 Millionen Tonnen. Davon gehen 1 Million Tonnen auf den Fang von Heringen und Makrelen zurück. In der sogenannten demersalen Fischerei (Fischerei auf "Grundfische") wurden im gleichen Zeitraum 0,6 Millionen Tonnen und in der Industriefischerei 1 Million Tonnen angelandet. Die Industriefischerei fängt überwiegend pelagische Arten wie Sprotte und Spintdorsch. Eine Einschätzung des Zustandes der für die Bundesrepublik Deutschland wichtigsten Fischbestände durch die Bundesforschungsanstalt für Fischerei ergab, daß die meisten kommerziell genutzten Bestände der Nordsee wachstumsüberfischt sind.

Ein weiteres ökologisches Problem im Bereich der Fischerei ist der Einsatz sogenannter Baumkurren zum Fischfang. Es gibt Bereiche in Nord- und Ostsee, die mehrmals im Jahr von diesen Fanggeräten durchpflügt werden. Dadurch werden im Sediment lebende Tiere freigelegt, verletzt oder getötet; dies führt zu einer Beeinträchtigung von Habitat und Nahrungskette. Auch das Problem des sogenannte Beifangs bedarf einer Lösung . Beifänge können in vielen Fischereien die Menge angelandeter Arten weit übertreffen (z. B. Seezungenfischerei: Für 1 kg Seezunge werden bis zu 15 kg Beifang gefangen). Es existieren Abschätzungen, daß allein in der Nordsee jährlich rund 500.000 Tonnen Beifang geschädigt oder tot wieder zurück ins Meer geworfen werden. Zum Beifang diverser Fischereien, vor allem der Stellnetz- und Treibnetzfischerei, gehören auch Seevögel und marine Säuger, die die Netze oft nicht erkennen können, sich in ihnen verfangen und dann ertrinken. Aus diesem Grund sind erhebliche Beschränkungen bzw. Verbote gerade dieser Fischereien zu fordern.

Auch die starke Einschränkung der Industriefischerei der Dänen und Norweger wird von der Bundesregierung seit Jahren gefordert. Die Einschränkung ist vor allem in den Gebieten notwendig, wo die Industriefischerei hohe Beifänge an Konsumfischen (z. B. Jungheringen) hat und in ökologisch sensiblen Gebieten, wo sie den Konsumfischen, Meeressäugern und Seevögeln die Nahrungsgrundlage entzieht.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Das Ministertreffen in Bergen wird zeigen, inwieweit die Nordseeanrainer bereit sind, das in Rio vereinbarte Ziel der Integration des Umweltschutzes in andere Politiken konkret umzusetzen. Bisher gibt es offenbar noch erhebliche Widerstände von Seiten der Fischerei einiger Nordseeanrainer, Ziele des Umweltschutzes für die Nordsee in die Fischereibewirtschaftungspolitik zu integrieren. Ich bin der Auffassung, daß eine solche Sicht die Ergebnisse von Rio in Frage stellt und nicht akzeptabel ist. Ein rein wirtschaftliches Denken macht eine nachhaltige Nutzung der Fischbestände unmöglich."

13.03.1997 | Pressemitteilung 23/97 S | Meeresschutz
https://www.bmuv.de/PM1416
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