Jauck: Technologietransfer kann maßgeblichen Beitrag zur Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus leisten
Chance für Umwelttechnikbranche, neue Märkte zu erschließen
"Die Verknüpfung von Umwelttechnologie und Tourismus birgt für beide Seiten ein enormes Gewinnpotential, das künftig verstärkt genutzt werden sollte. Während durch den Einsatz von Umwelttechnik in den Urlaubsregionen die vom Tourismus ausgehenden Umweltbelastungen deutlich vermindert werden können, bietet sich der Umwelttechnikbranche ein neuer und langfristig wachsender Markt. Mit dem Aufbau einer modernen Umweltinfrastruktur in den Zielländern wird ein maßgeblicher Beitrag zur Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus sowie zur Sicherung der Existenzgrundlage vieler Menschen in den Urlaubsregionen, für die oftmals der Tourismus die einzige Einnahmequelle ist, geleistet." Dies erklärte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Erhard Jauck heute anläßlich der Eröffnung der Fachkonferenz "Umwelttechnologie und Tourismus" im Berliner ICC.
An der zweitägigen Konferenz, die auf Initiative des Bundesumweltministeriums stattfindet, nehmen Vertreter der Tourismuswirtschaft, internationaler Organisationen, Tourismusverantwortliche aus in - und ausländischen Urlaubsregionen, Anbieter von Umwelttechnologie und Experten des Technologietransfers teil. Ziel der Veranstaltung im Vorfeld der Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) ist es, Möglichkeiten und Chancen des Einsatzes moderner Umwelttechnologien zur Verminderung negativer Folgen des Tourismus auszuloten. Das Bundesumweltministerium erwartet von der Konferenz Impulse für die Umsetzung des in Rio geprägten Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung auf dem Gebiet des Tourismus. Darüber hinaus soll das auch wirtschaftlich interessante Potential von der Tourismuswirtschaft als auch seitens der Anbieter von Umwelttechnologie stärker als bisher systematisch erschlossen werden. Das Bundesumweltministerium hat dazu auch ein Forschungsvorhaben vergeben.
Staatssekretär Jauck wies in diesem Zusammenhang auf die doppelte Verantwortung Deutschlands hin, das nicht nur Reiseweltmeister, sondern mit einem Anteil von 18,7 Prozent knapp vor den USA auch führende Exportnation im Bereich Umwelttechnik ist. Für ein verstärktes Engagement der Umwelttechnikbranche im Bereich des Tourismus spricht vor allem auch die große Spannbreite der Einsatzmöglichkeiten umweltfreundlicher Techniken und Technologien, die von Blockheizkraftwerken und der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung, Wärmepumpen und Wärmerückgewinnung, etwa aus Klimaanlagen, bis hin zu Kleinkläranlagen, Sonnenkollektoren, Meerwasserentsalzungsanlagen, emissionsarmen Verkehrstechnologien, Wasserspartechnologien, Trinkwasseraufbereitungs-, Abwasserentsorgungs- und Kompostieranlagen reicht, um nur einige Beispiele zu nennen.
Technologie und Tourismus sind bereits seit Jahrzehnten miteinander auf das engste verknüpft. Ohne den Einsatz moderner Verkehrs -, Transport - und Kommunikationstechnologien hätte sich der heutige Massentourismus nicht entwickeln können. So hat sich die Zahl der Touristen seit 1950 weltweit mehr als verzwanzigfacht und lag 1997 bei rund 617 Millionen Reisenden - mit weiter steigender Tendenz. Dabei nimmt nicht nur der internationale Tourismus-Flugverkehr zu - in Deutschland bereits mit einem Anteil am gewerblichen Flugverkehr von 70 Prozent. Auch die Entwicklung in den Urlaubsregionen selbst, der Bau von Unterkünften und Infrastruktur sowie die Bereitstellung von Ver- und Entsorgungsdienstleistungen für die Touristen sind mit einem wachsenden Ressourcenverbrauch und entsprechenden Umweltbelastungen verbunden. Während zum Beispiel der durchschnittliche Pro-Kopf-Wasserverbrauch der Bundesbürger rund 130 Liter pro Tag beträgt, verbraucht der deutsche Tourist in einem Luxushotel am Mittelmeer bis zu 600 Liter pro Tag. Durch die touristisch bedingte Verbauung der Küsten hat Europa zwischen 1900 und 1990 etwa 43 Prozent seiner Sanddünen eingebüßt. In einigen Mittelmeerländern betragen die Verluste sogar 75 bis 80 Prozent.
Allerdings ist kaum ein anderer Wirtschaftszweig so auf eine intakte Natur und eine unbelastete Umwelt angewiesen wie der Tourismus. Dies wird auch durch aktuelle Umfrageergebnisse belegt, wonach für 80 Prozent der Bundesbürger eine unbeeinträchtigte Natur und Umwelt wichtig für die persönliche Zufriedenheit im Urlaub sind.
International hat die Konferenz von Rio 1992 eine ganze Reihe von Initiativen für einen nachhaltigen Tourismus ausgelöst, darunter zahlreiche Umwelt-Leitlinien für einen nachhaltigen Tourismus, die vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) dokumentiert wurden sowie die "Charta für einen nachhaltigen Tourismus", die 1995 von einer UNESCO-Weltkonferenz für einen nachhaltigen Tourismus verabschiedet wurde. Das Bundesumweltministerium hat auf diesem Gebiet eine Reihe eigener Initiativen entwickelt. So verabschiedete die Internationale Umweltministerkonferenz "Biodiversität und Tourismus" im vergangenen Jahr die "Berliner Erklärung", die einen ersten Baustein darstellt für globale Richtlinien eines nachhaltigen Tourismus, die im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt angestrebt werden. Dazu soll auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention im Mai dieses Jahres in Bratislava ein entsprechender Beschluß gefaßt werden. Darüber hinaus gewinnen im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit im Umweltbereich - etwa mit Brasilien - Fragen des Umwelttechnologietransfers zunehmend an Bedeutung. Eine engere Kooperation auf dem Gebiet des nachhaltigen Tourismus wird gegenwärtig mit Südafrika vorbereitet. Auch im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit sind beispielsweise in Tunesien mit deutschen Mitteln in den vergangenen Jahren eine Reihe von Projekten für eine moderne Abwasser- und Abfallentsorgung realisiert worden.
In der Tourismuswirtschaft selbst wächst ebenfalls das Engagement für eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung des Tourismus, etwa durch die verstärkte Integration des Umweltschutzes in die Ausbildung, die verbesserte Umweltinformation der Touristen, die Einführung einer Umweltberichterstattung und von Umweltmanagementsystemen. Die Bundesregierung erwartet künftig, so Jauck, auch eine rege Beteiligung am Öko-Audit, die mit der vor kurzem in Kraft getretenen Erweiterungsverordnung möglich geworden ist.
Darüber hinaus wird in der Tourismuswirtschaft dem Einsatz von Umwelttechnik immer stärkere Bedeutung beigemessen. Gute Beispiele gibt es u.a. im deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe, das einen "40-Punkte-Katalog" für eine umweltfreundliche Betriebsführung erarbeitet hat und der in mehr als 1.000 Betrieben bereits umgesetzt wird. Unter den in einem Bundeswettbewerb ausgezeichneten "Umweltfreundlichen Fremdenverkehrsorten in Deutschland" finden sich ebenfalls viele, die zum Beispiel im Verkehrsbereich, beim Klimaschutz oder in der Abfallentsorgung moderne Umwelttechnologien einsetzen.
Staatssekretär Erhard Jauck:" In der Tourismuswirtschaft gibt es eine Reihe von sehr guten Beispielen, wie ein Teil der erwirtschafteten Mittel für den Erhalt von Kulturlandschaften und Schutzgebieten sowie für Denkmäler und Traditionen der einheimischen Bevölkerung eingesetzt werden. Künftig gilt es, auch stärker in den Einsatz moderner Umwelttechnologien zu investieren, um das Kapital des Tourismus, eine intakte Natur und Umwelt, langfristig zu sichern. Dazu ist eine enge Kooperation von Tourismusbranche und Umweltschutzwirtschaft notwendig. Nachahmenswerte Projekte, die auch im Ausland Schule machen können, gibt es in Deutschland in großer Zahl. Das Bundesumweltministerium wird sich künftig sowohl in der bilateralen Umweltzusammenarbeit als auch im Rahmen seiner internationalen Initiativen für einen nachhaltigen Tourismus für eine verstärkte Nutzung und den Transfer von Umwelttechnologien im Tourismus einsetzen."