Bundeskabinett hebt die für Dosen und Einwegflaschen geltende Befreiung von der bestehenden Pfandpflicht auf
Das Bundeskabinett hat heute die von Bundesumweltminister Jürgen Trittin vorgelegte Veröffentlichung der Mehrweganteile bei Getränkeverpackungen beschlossen. Zugleich billigte die Regierung Trittins Zeitplan zur Umsetzung der Pfandpflicht für Einweg-Getränkeverpackungen. Danach kommt das Pfand zum 1. Januar 2003. "Das Pfand dämmt die Einwegflut ein, die mitzunehmender Wucht ökologisch vorteilhafte Mehrwegsysteme vom Markt drängt. Es ist ein Anreiz für Handel und Verbraucher, Mehrwegverpackungen den Vorzug zu geben. Und es wird dazuführen, dass Dosen und Plastikflaschen in der Verwertung statt in der Landschaft landen", sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Außerdem werde das Pfand zur Existenzsicherung vonUnternehmen beitragen, die im Vertrauen auf die geltende Verpackungsverordnung in Mehrwegsysteme investiert und Arbeitsplätze geschaffen haben. Trittin: "Es geht um den Erhalt von rund 250.000 Arbeitsplätzen."
In der Bundesrepublik Deutschland gilt seit 1991 eine Pfandpflicht für alle Einwegverpackungen. Die Verpackungsverordnung hat Dosen und Plastikflaschen unter der Bedingung von derPfandpflicht befreit, dass 72 Prozent der gekauften Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt werden. Dies entspricht dem Anteil der Mehrwegverpackungen von 1991. Wird diese Quote nichterreicht, erlischt die Befreiung von der Pfandpflicht.
Die Nacherhebungen für die Zeiträume von Februar 1999 bis Januar 2000 und von Mai 2000 bis April 2001 bestätigen die bereits seit 1997 festgestellte Unterschreitung der 72-Prozent-Mehrweg-Quote. Sie zeigen einen dramatischen Abwärtstrend des Mehrweg-Anteils in den vergangenen Jahren auf nur noch 63,81 Prozent für die Periode von Mai 2000 bis April 2001."Eine Einweg-Offensive von nie gekanntem Ausmass ist bei den kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken zu erkennen", kritisierte Trittin die Entwicklung. In diesem Marktsegment ging der Mehrweg-Anteil innerhalb von 16 Monaten um mehr als 10 Prozentpunkte zurück. "Aktuelle Marktdaten lassen darauf schließen, dass der Mehrweg-Anteil insgesamt bereits bis zum Ende des Jahres2001 auf rund 60 Prozent gefallen ist", so der Bundesumweltminister.
Die Bekanntgabe der Erhebungen war seit Mitte letzten Jahres durch Klagen von Unternehmen, die auf Einwegverpackungen setzen, verzögert worden. Inzwischen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin jedoch die juristischen Hürden gegen das Dosenpfand in letzter Instanz beseitigt. Sechs Monate nach der Veröffentlichung der Nacherhebungen im Bundesanzeiger muss für Einweg-Getränkeverpackungen ein Pfand in Höhe von 0,25 Euro, bei einem Volumen über 1,5 Liter in Höhe von 0,50 Euro, erhoben werden. Der Pfandbetrag wird bei Rückgabe derleeren Verpackung zurückgezahlt.
Die Pfandpflicht gilt für Dosen und Einweg-Flaschen bei Bier, Mineralwasser und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken - in den Getränkebereichen also, die für den Rückgang des Mehrweganteils besonders verantwortlich sind. Einwegverpackungen von Wein und Fruchtsäften sind nach der jetzigen Mehrweg-Statistik noch nicht betroffen.
Trittin kritisierte Angaben aus Kreisen des Handels über die angeblichen Kosten der Pfandpflicht als "Phantasie-Summen". Tatsache sei, dass die jährlichen Kosten von Wirtschafts- undUmweltministerium gemeinsam mit 135 Mio. Euro berechnet wurden - wobei Abschreibungen und eingesparte Lizenzgebühren für das Duale System in einer jährlichen Größenordnungvon einer Viertel Milliarde Euro berücksichtigt sind. Trittin: "Macht pro Einweggetränk weniger als 1 Cent."
Mit der heute erfolgten frühzeitigen Kabinettsentscheidung, mit der die Pfandpflicht zum 1. Januar 2003 wirksam wird, kommt die Bundesregierung den Interessen der Unternehmen entgegen, dienun verpflichtet sind, Pfand- und Rücknahmesysteme für Einweg-Verpackungen einzurichten. "Ich fordere die Unternehmen auf, die verbleibenden neun Monate zu nutzen und umgehend dienotwendigen Schritte zur Umsetzung der Pfandpflicht zu ergreifen", so Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Die Erfahrungen mit einem Einweg-Pfand im europäischen Ausland zeigen, dass Pfand-und Rücknahmesysteme technisch funktionieren, wirtschaftlich betrieben werden können und vom Handel sowie den Verbrauchern akzeptiert werden. Entsprechende Umsetzungskonzepte seien auchfür Deutschland vorhanden und nun zügig zu realisieren.
Mehrweganteile bei Getränken insgesamt und nach Getränkebereichen (in %)
Getränkebereich | 1991 | 1997 | 1998 | 1999 | 2000 | 5.2000 b. 4.2001 |
Getränke insgesamt (o. Milch) | 71,69 | 71,33 | 70,13 | 68,68 | 65,46 | 63,81 |
Mineralwasser | 91,33 | 88,31 | 87,44 | 84,94 | 80,96 | 78,46 |
Fruchtsäfte und andere Getränke ohne CO2 | 34,56 | 36,81 | 35,66 | 34,84 | 33,35 | 33,18 |
Erfrischungsgetränke mit CO2 | 73,72 | 77,76 | 77,02 | 74,81 | 68,45 | 64,76 |
Bier | 82,16 | 77,88 | 76,14 | 74,90 | 73,07 | 72,34 |
Wein | 28,63 | 28,10 | 26,20 | 26,75 | 25,76 | 26,09 |
Die Nacherhebung für den Zeitraum von Mai 2000 bis April 2001 zeigt, dass der Mehrweg-Anteil insgesamt inzwischen deutlich unter 72 Prozent liegt. Auch in den einzelnen Marktsegmenten liegendie Mehrweg-Anteile unter den jeweiligen Werten von 1991. Die Bundesregierung legt jedoch hohe Maßstäbe an die Sicherheit der Feststellung einer Unterschreitung. Bei Berücksichtigungdes unvermeidlichen statistischen Fehlers kann die Unterschreitung deshalb nur in den Bereichen Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränke mit CO2 mit hinreichender Sicherheit festgestell twerden. Damit wird die Pfandpflicht in diesen Bereichen sechs Monate nach Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst. Für Fruchtsäfte und für Wein wird die Pfandpflicht also nochnicht ausgelöst.