Zu den Ankündigungen von Ministerpräsident Stoiber zur Umweltpolitik erklärt Bundesumweltminister Trittin:
Der bayerische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hat heute erstmals seine umweltpolitischen Vorstellungen präsentiert. Aber wie in allen anderen Politikbereichen auchgibt sich der Kanzlerkandidat scheu. Welche umweltpolitischen Reformen trägt er? Was macht er gegen den Klimawandel? Wie steht er zur Atomenergie und zur grünen Energiewende? Was macht ergegen die zunehmende Vermüllung der Landschaft durch die Dosenflut? Der Kandidat selber schweigt. Er lässt die Mitglieder seines Kompetenzteams reden und zieht sich auf einen sogenanntenUmweltpakt zurück, der freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft zum politischen Handeln erklärt. Wie Stoiber denkt, sieht man daran, dass er vor allem mit der Wirtschaft überUmweltpolitik reden will, und dass er Umweltschutz offenbar nur dort zulässt, wo es kurzfristig rentabel ist. Das ist nicht nur oberflächlich, sondern auch verantwortungslos gegenüberzukünftigen Generationen.
Der Ministerpräsident gibt keine Antworten auf die zentralen umweltpolitischen Herausforderungen. Damit weicht er den Kernfragen moderner Umweltpolitik aus.
Die Bundesrepublik gehört beim Klimaschutz zu den führenden Ländern. Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 ist weltweit beispielhaft für einen modernenIndustriestaat. Wie soll die Abschaffung der Ökosteuer und der Kahlschlag bei den erneuerbaren Energien - wie das Kompetenzteammitglied Wissmann angekündigt hat - klimapolitisch kompensiertwerden ? Will Stoiber zurück zu unverbindlichen Zielen, die nicht durch konkrete Maßnahmen unterlegt sind?
Die Bundesregierung hat nach harten Verhandlungen einen Konsens mit der Energiewirtschaft über einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie erzielt. Bayern hat dagegen vor demBundesverfassungsgericht geklagt. Will Stoiber den Wiedereinstieg in die Atomenergie? Will er gar bis zu 50 neue Atomkraftwerke bauen lassen, wie von der CDU/CSU im Rahmen der Enquetekommission"Energie" des Bundestages in Aussicht gestellt?
Nach über 25 Jahren ist es uns gelungen, das Bundesnaturschutzgesetz umfassend zu modernisieren. Damit ist endlich ein gerechter Ausgleich zwischen Naturnutzern und Naturschützerngefunden worden. Möchte Stoiber tatsächlich diese Auseinandersetzung wieder anfachen und den Naturschutz den Interessen der Landwirtschaft unterordnen, wie sein KompetenzteammitgliedCarstensen erklärt hat?
Ab 1.1.2003 kommt das von Klaus Töpfer in der Verpackungsverordnung vorgesehene Dosenpfand, um der Dosenflut gegenzusteuern und die Mehrwegsysteme zu stabilisieren. Will Herr Stoiber andieser klaren Rechtslage festhalten oder sie im Interesse der Einweglobby ändern?
Wir haben mit der Privilegierungs-Verordnung erstmals Verwaltungserleichterungen für Betriebe eingeführt, die freiwillig ein "Öko-Audit" durchführen. Dabei wurde jedoch gegenden Widerstand Bayerns im Bundesrat sehr genau darauf geachtet, dass in sicherheitsrelevanten Bereichen die notwendigen staatlichen Kontrollen erhalten bleiben. Der Nitrofenskandal und der bayerischeAbfallskandal in Niederdettelsau zeigen, dass übertriebene Deregulierung zu großen Umweltschäden und enormen Kosten für den Steuerzahler führt. Will Stoiber den Schutz vonGesundheit und Umwelt den Deregulierungsinteressen der Wirtschaft opfern?
Erfreulich ist die Ankündigung Stoibers hingegen für einheitliches Umweltgesetzbuch einzutreten. Bedeutet das eine Aufgabe der bisherigen bayerischen Blockadehaltung, dem Bund diedafür erforderlichen grundgesetzlichen Kompetenzen zu versagen? Nicht zuletzt an der Weigerung Bayerns sind bisher alle Versuche gescheitert, zu einem schlanken und bundeseinheitlichenGenehmigungsrecht für Anlagen zu kommen. Aber auch das sollte Herr Stoiber endlich deutlich sagen.
Die Ankündigungen von Herrn Stoiber lassen mehr Fragen offen als sie Antworten geben.