Bundesumweltminister Jürgen Trittin fordert gesellschaftlichen Konsens über die zukünftige Energiepolitik
Zu einem neuen gesellschaftlichen Konsens über die zukünftige Energiepolitik hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin Umweltverbände und Energiewirtschaft, Gewerkschaften und Politik aufgerufen. "Der Atomkonsens ist noch kein Energiekonsens, aber die Vereinbarung mit den Konzernen und die neuen Rahmenbedingungen haben zu einem neuen Klima geführt, in dem der energiepolitische Dialog gedeihen kann", sagte Trittin heute auf einer energiepolitischen Fachtagung in Berlin. An der zweitägigen Veranstaltung zum Thema "Energiewende: Atomausstieg und Klimaschutz" nehmen rund 300 Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden teil. Zu den Rednern gehören der belgische Energieminister Olivier Deleuze, der E.ON-Vorstandsvorsitzende Hans-Dieter Harig sowie die Vorsitzenden der beiden großen Umweltverbände BUND und NABU, Angelika Zahrnt und Jochen Flasbarth.
"Wir wollen eine ressourcenschonende, effiziente und zukunftssichere Energieversorgung. Sie muss von der Bevölkerung akzeptiert werden und dazu beitragen, den beginnenden Klimawandel abzumildern", sagte Trittin. Auf keinem Gebiet sei nach 1998 so sichtbar eine Wende eingeleitet worden wie in der Energiepolitik. Der schrittweise Ausstieg aus der Atomenergienutzung und der Einstieg in die erneuerbaren Energien sind international ohne Beispiel, steht aber im Einklang mit der Energiepolitik europäischer Nachbarstaaten. So ist der Atomausstieg in Belgien und den Niederlanden mittlerweile ebenfalls beschlossen und selbst Großbritannien setzt in seiner Energiepolitik auf den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Das deutsche Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien ist Vorbild für vergleichbare Regelungen in Spanien, Griechenland und Frankreich.
Trittin nannte die Annahme, Atomausstieg und Klimaschutz gingen nicht zusammen, einen Irrtum. "Das Gegenteil ist richtig. Der Ausstieg aus der Atomenergienutzung ist eine Voraussetzung für den konsequenten Umbau der Energieversorgung, hin zu klimaschonenden Energiequellen und effizienterer Energienutzung." Der Atomausstieg sei das Schwungrad, um eine technologische Effizienzrevolution und damit Energiewende und Klimaschutz voranzubringen. "Eines der größten Probleme, vor dem derzeit die Planer von Offshore-Windparks stehen, ist die Tatsache, dass die mit ihnen um Netzkapazität konkurrierenden Atomkraftwerke gerade eine flexiblere Netzsteuerung verhindern, weil sie auf Angebotsschwankungen aus dem Windbereich nicht flexibel genug reagieren können", so Trittin. Deshalb müsse jetzt damit begonnen werden, Steuerung und Struktur des Stromnetzes so zu verändern, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien gefördert und nicht wie bisher gehemmt wird.
Ziel der Energiewende sei aber nicht nur der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Anlagen zur Energieumwandlung müssen ebenfalls noch sehr viel effizienter werden. "Zur Zeit gehen bei uns immer noch 58 Prozent der Energie beim Umwandlungsprozess verloren", so der Bundesumweltminister. Auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg will sich die Bundesregierung auf eine Strategie der Nachhaltigkeit festlegen. Dazu gehört die Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen entsprechend dem Kyoto-Protokoll bis 2012 um 21 Prozent gegenüber 1990, die Halbierung der Energieintensität gegenüber 1990 und die Verdopplung des Anteils erneuerbarer Energien bis 2010.
Der Bundesumweltminister erinnerte darüber hinaus an die internationale Verantwortung der Bundesrepublik. Das bestehende zentralistische Kraftwerks- und Netzsystem sei selbst in Deutschland mit seiner hohen Besiedlungsdichte fragwürdig. "In Bolivien, mit einer Bevölkerungsdichte von sechs Einwohnern pro Quadratkilometern ist es eine Fata Morgana", so Trittin. Das Ziel sei nicht nur, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreiche. Es gehe darum, die Fotovoltaik weltweit konkurrenzfähig zu machen. Voraussetzung hierfür sei die kostengünstige Massenproduktion entsprechender Anlagen und Systeme in Deutschland. "Das erreichen wir nur durch den Ausstieg aus der Atomkraft", betonte der Bundesumweltminister.
Für die Bundesrepublik ist die Energiewende zugleich eine Chance für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Durch den angestrebten Ausbau der erneuerbaren Energien werden etwa erheblichem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen, wesentlich mehr, als im gleichen Zeitraum in der Atomwirtschaft oder durch die zurückgehende Nutzung fossiler Energien verloren gehen. Netto werden Klimaschutzpolitik und Atomausstieg in den nächsten 20 Jahren einen Zugewinn von fast 200.000 Arbeitsplätzen bringen, so ein Prognos-Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums. "Wir wollen des Aufbruch in die energiepolitische Zukunft. Erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, Energieeinsparung und der Atomausstieg sind die Ecksteine einer verantwortungsvollen Energiepolitik", so Bundesumweltminister Jürgen Trittin.