Jahresbericht 1996 der Strahlenschutzkommission vorgelegt
"Das hohe Niveau des Strahlenschutzes in der Bundesrepublik Deutschland wird entscheidend durch die Strahlenschutzkommission geprägt. Sie konnte dabei auf die Forschungsergebnisse führender Institutionen zurückgreifen. Ihre Beratungsergebnisse flossen nicht nur unmittelbar in die Strahlenschutzverordnung und das nachgeordnete Regelwerk ein, sondern fanden auch Eingang in die Beratungen der internationalen Strahlenschutzkommission ICRP. Damit erhielten sie internationale Akzeptanz. Und auch die Euratom-Grundnormen ihrerseits stützen sich wiederum auf die ICRP-Empfehlungen. Dieses System der internationalen Abstimmung gewährleistet die Einhaltung anerkannter Strahlenschutzstandards und entspricht dem Prinzip der nachhaltigen, umweltgerechten Entwicklung," erklärte Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel anläßlich der Vorstellung des Jahresberichtes 1996 der Strahlenschutzkommission gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Kommission Prof. Dr. Christoph Reiners.
Im Jahre 1996 hatte die Strahlenschutzkommission (SSK) eine Bewertung der gegenwärtigen Strahlenschutzziele und -konzepte durchgeführt. Zusammenfassend kam dabei die SSK zu dem Schluß, daß das weltweit harmonisierte Strahlenschutzkonzept, insbesondere das System abgestufter, niedriger Grenzwerte und eine strikte Kontrolle von Strahlenquellen, sowohl den Schutz der Bevölkerung und der Arbeitnehmer als auch die Reinhaltung von Luft, Wasser und Boden gewährleistet.
Vorrangiges Ziel des Strahlenschutzes ist der Schutz der menschlichen Gesundheit. Durch das Gebot der Rechtfertigung der Strahlenanwendung, das Gebot der Optimierung des Strahlenschutzes auch unterhalb von Grenzwerten und die Festlegung strenger Grenzwerte, die jeweils den Erkenntnissen der Strahlenbiologie entsprechen, wird die Strahlenexposition des Menschen infolge des Umgangs mit radioaktiven Stoffen und der Anwendung ionisierender Strahlung auf sehr kleine Werte beschränkt. Die Grenzwerte für den Strahlenschutz der Bevölkerung orientieren sich dabei an der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlung in Deutschland. Diese schwankt zwischen 1 Millisievert (mSv) pro Jahr in Norddeutschland und 4 mSv in Süddeutschland. Sie kann unter besonderen Bedingungen auch Werte von 10 mSv pro Jahr annehmen. Im Vergleich dazu beträgt die Strahlenexposition bei einer typischen Röntgenaufnahme 0,1 bis 1 mSv, bei einer medizinischen Computertomographie mehrere mSv und bei einem Nordatlantikflug etwa 0,1 mSv. Die Grenzwerte für die Exposition der Bevölkerung durch künstliche Strahlenquellen außerhalb der Medizin wird nach den neuen Euratom-Grundnormen bei 1 mSv pro Jahr liegen, für die beruflich Strahlenexponierten bei 20 mSv im Mittel pro Jahr.
Das Konzept des Strahlenschutzes und die Entsorgung radioaktiver Abfälle berücksichtigen dabei in gleicher Weise den Schutz zukünftiger Generationen. Durch Einhaltung der restriktiven Grenzwerte für den Strahlenschutz des Menschen werden auch die Umwelt, und damit Pflanzen und Tiere, nachhaltig geschützt. Beim Umgang mit radioaktiven Stoffen wird durch die Beschränkung von Emissionen und durch Kontrollmaßnahmen eine langfristige relevante Veränderung der Umweltradioaktivität vermieden.
Weiteres Beratungsthema der SSK im Jahre 1996 war die Verringerung der medizinischen Strahlenexposition. Zwar konnte die Strahlenbelastung in einzelnen Bereichen der medizinischen Diagnostik deutlich gesenkt werden, dennoch stellt die SSK fest, daß in der Bundesrepublik Deutschland zu viel geröntgt wird. Nach wie vor empfiehlt sie den untersuchenden Ärzten, in jedem Einzelfall streng die Notwendigkeit einer Röntgenuntersuchung zu prüfen, Mehrfachaufnahmen zu vermeiden und stattdessen auf bereits vorhandene Röntgenaufnahmen zurückzugreifen. Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Ziel des Strahlenschutzes ist es, optimale diagnostische Ergebnisse bei minimaler Strahlenbelastung zu erreichen, vor allem vor dem Hintergrund, daß die Anwendung ionisierender Strahlen in der medizinischen Diagnostik unverzichtbar ist."
Moderne und für die Behandlung des Patienten nützliche Untersuchungsmethoden haben neben dem Vorteil einer präzisen Information über die Erkrankung leider den Nachteil einer relativ hohen Strahlenbelastung. In jedem Fall muß in besonderer Weise eine sorgfältige Optimierung unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes erfolgen, wenn mit einer relativ hohen Strahlenexposition des Patienten zu rechnen ist (z. B. bei der interventionellen Radiologie). Hierzu hat die SSK eine Empfehlung ausgesprochen, in der Anforderungen an die Fachkunde des ärztlichen Personals und an Dosis-Orientierungswerte für bestimmte Untersuchungen definiert sind.
Darüber hinaus hat die SSK einen Leitfaden für Erstmaßnahmen bei Strahlenunfällen in Medizin, Forschung und Technik erstellt. Ziel des Leitfadens ist es, dem Ersthelfer im Falle eines Unfalls mit radioaktiven Stoffen Instruktionen für den Zeitraum von der ersten Hilfe bis zur Übergabe an den fachkundigen Arzt an die Hand zu geben.
Mit großer Sorge beobachtet die SSK die deutliche Zunahme an Hautkrebs-Neuerkrankungen. Diese Entwicklung ist vor allem auf übermäßiges Sonnenbaden durch verändertes Freizeitverhalten zurückzuführen. Ausgeprägte Sonnenexpositionen in der Kindheit und Jugend erhöhen das Risiko einer Melanomerkrankung (schwarzer Hautkrebs). Hierbei sind häufige Sonnenbrände vor dem 20. Lebensjahr als besonders kritischer Faktor anzusehen. Die SSK unterstützt daher die Einführung eines UV-Index, die der Bevölkerung die Möglichkeit gibt, sich über die Gefahren der solaren UV-Strahlung aktuell zu informieren und sich damit vor gefährlichen Sonnenbränden zu schützen.
Im Jahre 1996 haben auch die Beratungen der SSK zur Anpassung der Strahlenschutzverordnung an die neuen Euratom-Grundnormen begonnen. Am 13. Mai 1996 hat der Rat der Europäischen Union die neue Richtlinie 96/29/Euratom zur "Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (Euratom-Grundnormen)" verabschiedet; eine Anpassung der nationalen Strahlenschutzregelungen der Mitgliedstaaten an diese europäische Regelung ist bis zum 12. Mai 2000 erforderlich. Die SSK hat deshalb mit den Beratungen zur strahlenschutzfachlichen Bewertung neuer Regelungen insbesondere zur Berücksichtigung der erhöhten natürlichen Strahlenexposition begonnen.
Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Seit 1974 berät die SSK die Bundesregierung in Fragen des Strahlenschutzes. Mit über 150 Empfehlungen und Stellungnahmen und 30 Bänden ihrer Schriftenreihe hat sie dazu beigetragen, daß die Bundesrepublik Deutschland im Strahlenschutz eine führende Rolle spielt. Die SSK gibt entscheidende Anstöße zur wissenschaftlichen Klärung aktueller Fragestellungen im Strahlenschutz."
Informationen zur SSK
Die SSK berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in den Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden und nichtionisierenden Strahlen. Bei der SSK sind derzeit acht Ausschüsse eingerichtet:
- Strahlenschutztechnik
- Notfallschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen
- Medizin und Strahlenschutz
- Radioökologie
- Strahlenschutz bei radioaktiven Abfällen und Reststoffen
- Strahlenschutz bei kerntechnischen Anlagen
- Strahlenrisiko
- Nichtionisierende Strahlen.
Die SSK besteht in der Regel aus 17 Mitgliedern. Die Mitgliedschaft in der Kommission ist ein persönliches Ehrenamt. Die Mitglieder sind unabhängig und nicht an Weisungen gebunden.
Im Jahre 1996 gehörten der SSK folgende Mitglieder an:
- Prof. Dr. Chr. Reiners, Universität Würzburg; Vorsitzender der SSK
- Prof. Dr. A. M. Kellerer, Universität München; 1. Stellvertreter
- Dr. H. G. Paretzke, GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH, Neuherberg; 2. Stellvertreter
- Prof. Dr. E. W. Breitbart, Dermatologisches Zentrum, Kreiskrankenhaus Buxtehude
- Dr. K. Burkart, Forschungszentrum Karlsruhe
- Dr. G. Drexler, GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH, Neuherberg
- Prof. Dr. R. Glaser, Humboldt Universität Berlin
- Dr. R. Hille, Forschungszentrum Jülich GmbH
- Prof. Dr. K. Kirchhoff, Universität Hannover
- Prof. Dr. J. Porstendörfer, Universität Göttingen
- Prof. Dr. H. Schicha, Universität Köln
- Prof. Dr. T. Schmidt, Klinikum der Stadt Nürnberg
- Prof. Dr. J. Schütz, Universität Münster
- Dr. R. Stippler, GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH, Braunschweig
- Dipl.-Ing. W. Thomas Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH, Garching
- Dipl.-Phys. M. Tscherner, Technischer Überwachungs-Verein Rheinland e. V., Köln