"Kompetenzordnung muss europatauglich werden"
Vor dem Deutschen Naturschutztag in Potsdam hat sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin für eine Stärkung der Bundeszuständigkeiten im Naturschutz ausgesprochen. "Unsere Kompetenzordnung muss europatauglich werden. Solange ein EU-Rechtsakt im Naturschutz in Deutschland 16 landesrechtliche Rechtsakte zur Umsetzung erfordert, werden wir die Fristen wieder und wieder verletzen", sagte Trittin. Der Bundesumweltminister kritisierte vor allem den mangelhaften Beitrag der Bundesländer zum europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000.
Die derzeitige Kompetenzordnung des Grundgesetzes ermögliche keine problemangepassten Lösungen im Umwelt- und Naturschutz. So könnten Länder beispielsweise keinen effektiven Hochwasserschutz leisten, da Flusseinzugsgebiete Länder und meist auch Landesgrenzen überschreiten. "Wir müssen mit einer neuen Kompetenzordnung das Umweltrecht verschlanken und entbürokratisieren", sagte Trittin. Der Bund müsse eine eigene Zuständigkeit für die Umweltgesetzgebung erhalten. Die Stärken der Bundesländer in einem föderalen Staate liege im Vollzug. "Die EU und der Bund sollen Mindeststandards setzen. Für die angepasste Umsetzung und Ausgestaltung müssen die Länder den nötigen Raum haben", sagte Trittin.
Der Bundesumweltminister warnte die Bundesländer vor einer Fortsetzung der Verzögerungstaktik bei der Ausweisung von Natura-2000-Flächen. Während europäische Staaten wie beispielsweise die Niederlande zügig vorangingen, blockierten die Bundesländer in Deutschland immer noch den Errichtungsprozess des Netzes Natura 2000. "Wer hier mit dem Feuer zuendelt, wird als Ergebnis möglicherweise ernten, dass am Ende alle Länder gemeinsam die von der EU-Kommission angedrohten Zwangsgelder von 790.000 Euro pro Tag zahlen müssen", warnte Trittin. Die EU-Kommission hat den Ländern eine letzte Frist gesetzt. Bis Januar 2005 müssen alle Bundesländer ausreichend Gebiete nachgemeldet haben. Erst dann entsteht Rechtssicherheit. Das sei nicht nur im Interesse von Naturschützern, sondern auch im Interesse von Kommunen, die Flächen zur Nutzung ausweisen wollen, so der Bundesumweltminister. "Naturschutz ist für viele Regionen nicht nur Ostdeutschlands eine Chance für Entwicklung", sagte Trittin.
Der Bund habe dagegen bei der Festlegung von Natura 2000-Gebieten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) demonstriert, wie man die europäische Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in kürzester Zeit umsetzen kann: Innerhalb von nur zwei Jahren wurden zehn Schutzgebiete für die deutsche AWZ identifiziert, abgestimmt und nach umfassenden Anhörungen nun nach Brüssel gemeldet", so Trittin. Auch auf internationaler Ebene ist im Rahmen des Un-Übereinkommens über die biologische Vielfalt die Errichtung von Schutzgebietssystemen beschlossene Sache. Auf der Vertragsstaatenkonferenz in Kuala Lumpur wurde im Februar dieses Jahres vereinbart, in den nächsten Jahren weltweit ein Netz umfassender, repräsentativer und effektiv gemanagter Schutzgebiete aufzubauen.
"In Deutschland dagegen tun sich die Bundesländer immer noch schwer mit dem Schutz der biologischen Vielfalt", so der Bundesumweltminister. So verzögerten einige Bundesländer sogar die Übertragung von 100.000 Hektar Naturschutzflächen des Bundes auf die Länder. Bis Ende Januar wurde erst ein Viertel der Gesamtfläche übertragen. "Drei Viertel der wertvollen Gebiete müssen noch übertragen werden. Ich appelliere an die Länder, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das Angebot des Bundes voll in Annspruch zu nehmen", sagte Trittin.
Auch die Flächen des so genannten "Grünen Bandes", der Flächen entlang des ehemaligen eisernen Vorhangs, könnten seit rund einem Jahr unentgeltlich auf die entsprechenden Länder übertragen sein. Voraussetzung ist allerdings, dass sich alle betroffenen Länder damit einverstanden erklären. "Wer hat heute schon das Glück, dass Hans Eichel ihm etwas schenken will? Jahrelang haben die Länder dieses Geschenk gefordert. Nun ist der Tag da und einige Länder kriegen kalte Füße", kritisierte Trittin. Auch die Zustimmung Brandenburgs steht beispielsweise noch aus.