Vor einem Jahr, am 11. März 2011, ereignete sich in Japan eine Dreifachkatastrophe. Nach einer schrecklichen Naturkatastrophe mit einem Erdbeben und einem Tsunami folgte der katastrophale Unfall im KernkraftwerkFukushima. Durch die Naturkatastrophe verloren mehr als 15.800 Menschen ihr Leben, über 5.800 Menschen wurden verletzt, heute werden immer noch 3.300 Menschen vermisst. 380.000 Menschen wurden anfangs aus der gesamten Katastrophenzone evakuiert.Dazu erklärt Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen:
Wir gedenken gemeinsam mit den Menschen in Japan der Toten und Vermissten der dreifachen Katastrophe. Unser Mitgefühl gilt insbesondere den Angehörigen der Opfer, die dabei ihr Leben verloren haben und den vielen Menschen, die obdachlos wurden und über Monate hinweg schweres Leid ertragen mussten. Die Bilder aus Japan von den leidenden Menschen, der verwüsteten Umwelt und den zerstörten Reaktoren haben sich tief in uns eingegraben. Uns ist bitter vor Augen geführt worden, dass der Mensch die Natur nicht beherrschen kann und auch nicht jede Technik. Das musste auch ein solch technisch hochentwickeltes Land wie Japan erfahren.
Die Katastrophe von Fukushima ist nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl die zweite Zäsur in der Nutzung der Kernenergie. Wir hatten aus Tschernobyl gelernt, aber nicht genug. Wir hatten das Restrisiko immer noch unterschätzt, weil man die Ursache für den Unfall in Tschernobyl vor allem im menschlichen Versagen gesehen hat. Jetzt, nach der Katastrophe in Fukushima, ist das Restrisiko plötzlich Realität geworden.
Die Ereignisse in Fukushima haben bei uns erneut eine heftige Debatte über die Nutzung der Kernenergie ausgelöst. Diese hatte einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie zum Ergebnis. Die Bundesregierung hat die Risiken der Kernenergie neu bewertet und die Konsequenzen daraus gezogen. Eine Grundlage dafür war die Überprüfung aller Kernkraftwerke durch die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK). Ebenso die gesellschaftliche Bewertung durch die Ethikkommission.
Die Bundesregierung hat schnell und entschlossen gehandelt. Die Beschlüsse, die wir unter dem Begriff "Energiewende" gefasst haben, sind kein Endpunkt, sondern ein Startpunkt. Wir haben ein umfangreiches Paket zur Energiewende auf den Weg gebracht, mit dem der Einstieg in das Zeitalter der regenerativen Energien beschrieben wird. Wir konnten dabei auf das anspruchsvolle Energiekonzept vom Herbst 2010 zurückgreifen, in dem bereits ein ökonomisch durchdachter, ein realistischer Einstieg in die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz formuliert worden war. Nach Fukushima haben wir uns entschieden, diesen Prozess zu beschleunigen.
Aber nicht nur bei uns, auch in vielen anderen Ländern hat ein Nachdenken über die Kernenergie und die Neuausrichtung der Energiepolitik eingesetzt. Auch in Japan wird verstärkt über den Einsatz von erneuerbaren Energien und noch mehr Energieeffizienz diskutiert. Deutschland ist international bisher das einzige große Industrieland, das eine solche Energiewende beschlossen hat. Im Ausland wird mit großer Aufmerksamkeit und hohem Interesse verfolgt, ob uns diese Energiewende gelingt. Denn es geht nicht nur um Energieversorgung, sondern um Industrie- und Technologiepolitik. Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Ressourcen schonende Technologien sind der Kern von Wachstum und Wettbewerb. Wir wollen und werden Industrieland bleiben und unsere industrielle Wettbewerbsfähigkeit stärken. Ob andere Länder unser Modell übernehmen, hängt auch davon ab, dass wir erfolgreich sind.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz schaffen Versorgungssicherheit, Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Die Energiewende ist das größte Modernisierungs- und Infrastrukturprojekt der nächsten Jahrzehnte.